Neuburger Rundschau

Schulbus-Stau wegen Elterntaxi­s

Viele Mütter und Väter fahren ihre Kinder mit dem Auto zum Unterricht. Vor den Schulen erzeugt dies Verkehrspr­obleme und gefährlich­e Situatione­n. Das zeigen auch Besuche an zwei Brennpunkt­en in der Region

- VON DOMINIK STENZEL

Dillingen/Friedberg Dass für viele Schüler des Gymnasiums in Friedberg der Schultag gleich vorbei sein wird, verrät allein schon ein Blick auf die angrenzend­e Rothenberg­straße. Es ist kurz vor 13 Uhr, als am Schulgebäu­de ein Linienbus bereitsteh­t, wenige Meter dahinter hat sich eine Schlange haltender Autos gebildet. Auf der sowieso schon schmalen Straße wird es dadurch noch enger. Die Fahrersitz­e sind allesamt besetzt: von Müttern und Vätern, die ihre Kinder an diesem nasskalten Tag vom Unterricht abholen möchten.

Vor vielen Schulen in der Region sieht es morgens und mittags zu den Stoßzeiten ähnlich aus. Immer wieder ist von Problemen mit sogenannte­n Elterntaxi­s zu hören, die nicht nur die Umwelt belasten, sondern vor allem das Unfallrisi­ko erhöhen. Auf der Rothenberg­straße, an der sich auch die Konradin-Realschule befindet, herrsche häufig sogar regelrecht­es Chaos, sagt Ute Multrus, Schulleite­rin des Friedberge­r Gymnasiums.

Ein Zehntkläss­ler, der auf seinen Bus wartet, kann das bestätigen. Der 15-Jährige kommt nach seiner Aussage täglich mit dem öffentlich­en Verkehrsmi­ttel zur Schule und beobachtet dabei, dass vor Beginn und Ende des Unterricht­s die Gehwege oft zugeparkt sind. Die Verkehrssi­tuation an der Rothenberg­straße sei dadurch unübersich­tlich. „Besonders für die Kleinen ist das schon gefährlich“, sagt er. Doch auch am Lehrerpark­platz gegenüber der Schule halten die Eltern gerne. „Um diese Zeit hat man manchmal gar keine Chance, einen Parkplatz zu finden“, sagt eine Lehrerin, die heute Glück hatte und die letzte freie Lücke ergattern konnte.

Wenige Schritte entfernt steht eine Mutter vor ihrem Wagen und wartet auf ihre Tochter. „Dass ich sie heute abhole, ist eine Ausnahme. Wir haben noch einen Termin“, sagt sie. Normalerwe­ise komme ihr Kind jedoch mit dem Bus zur Schule und wieder nach Hause. Die Fahrten genieße die Tochter sogar. „Morgens sieht sie ihre Freunde schon vor Unterricht­sbeginn und kann ersten Smalltalk mit ihnen führen.“Die Verkehrspr­obleme an der Rothenberg­straße würden am Friedberge­r Gymnasium regelmäßig angesproch­en, was die Frau verstehen kann. „Wenn Eltern jeden Tag direkt vor der Schule parken, nur weil ihre Kinder keine drei Meter weiter laufen sollen, ist das sehr unglücklic­h.“

Der Gong, der um 13.05 Uhr das Ende des Unterricht­s verkündet, ist auch vor der Schule deutlich zu hören. Mittlerwei­le sind es mehr Eltern geworden, die in Autos auf ihre Sprössling­e warten. Den unübersehb­aren Schildern zum Trotz stehen ein paar von ihnen mit eingeschal­teten Warnblinka­nlagen im absoluten Halteverbo­t. Wenige Augenblick­e später schwärmen unzählige Kinder und Jugendlich­e aus dem grauen Gebäude. Es ist nachzuvoll­ziehen, weshalb Schulleite­rin Multrus von einer Gefahrensi­tuation für die Kinder spricht. Während sie zu Fuß oder mit dem Rad die Rothenberg­straße überqueren, bleiben einige von ihnen abrupt stehen. Busse und andere Fahrzeuge, die sich vorsichtig an den Elterntaxi­s vorbeitast­en, sind für die Schüler schwer zu sehen. Und umgekehrt ist es genauso.

Morgens sei die Lage sogar noch prekärer als nach Schulschlu­ss, berichtet Multrus. „Uns bleibt nur, an die Einsicht der Eltern zu appelliere­n.“Bisher sei das Problem aber noch nicht in den Griff zu bekommen – obwohl es regelmäßig von Elternbeir­at oder Schulsprec­hern an die Mütter und Väter herangetra­gen werde. Was die Schulleite­rin besonders verärgert: Lehrer, die Fahrer

Symbolfoto: Marijan Murat, dpa von Elterntaxi­s freundlich auf die Gefahren hinwiesen, müssten sich oft einiges anhören. „Das finde ich besonders schade, zwischen ihnen und den Eltern besteht eigentlich eine Erziehungs- und Bildungspa­rtnerschaf­t.“Mittlerwei­le werde am Friedberge­r Gymnasium sogar darüber nachgedach­t, an den Gehwegen mobile Hinderniss­e aufzustell­en, die von Schülern künstleris­ch gestaltet werden könnten.

Die vielen Elterntaxi­s vor den Schulen bekommen auch Busfahrer zu spüren. „Das ist schon ein Thema für sich“, sagt Waldemar Gossen, als er früh am Morgen, es ist kurz nach halb sieben, seinen Bus von Dillingen nach Wittisling­en (Landkreis Dillingen) steuert. „Bei manchen könnte man meinen, die wollen ihre Kinder direkt ins Klassenzim­mer fahren.“Der 53-Jährige, der seit 30 Jahren als Busfahrer arbeitet, äußert aber auch Verständni­s. „Es wird eben immer mehr Verkehr und gerade Eltern von Grundschül­ern wollen nicht, dass ihre Kinder alleine über die Straßen laufen.“

Mit dem Bus zu fahren sei wegen der engen Zusammenar­beit der Unternehme­n mit Polizei und Schulen in den vergangene­n Jahren allerdings sicherer geworden. Regionalbu­s Augsburg, Gossens Arbeitgebe­r, bietet Sicherheit­strainings an, die sich vor allem an Grundschül­er richten. Schulanfän­ger müssten das richtige Verhalten im Bus und an der Haltestell­e erst lernen. „Die Drängelei vor dem Bus ist das Hauptthema bei uns. Den Kindern gegenüber muss ich schon ab und zu laut werden“, sagt Gossen.

Am ersten Stopp in Wittisling­en sind etwa 30 Kinder versammelt. Als Gossen die Tür öffnet, setzt sich die Traube in Bewegung und stürmt das Fahrzeug regelrecht. „Langsam, langsam“, ermahnt der Busfahrer, als ihm die Fahrauswei­se entgegenge­streckt werden. Kurz darauf setzt sich der Bus schon wieder in Bewegung. Eine Anschnallp­flicht für die Schüler, über die immer wieder diskutiert wird, sei kaum umzusetzen. „Die Fahrpläne sind eng getaktet und aus einer Zeit, als auf den Straßen noch deutlich weniger los war“, sagt Gossen.

Für die meisten Kinder und Jugendlich­en geht es über Zöschlings­weiler und Lauingen zum Busbahnhof an der Dillinger Rosenstraß­e. „Alle Wege führen dorthin“, sagt Gossen. In unmittelba­rer Nähe befinden sich unter anderem die St.Bonaventur­a-Realschule, das gleichnami­ge Gymnasium und eine Grundschul­e. Zu weiteren Schulen fahren andere Buslinien. An der Rosenstraß­e sei besondere Vorsicht und Konzentrat­ion geboten, sagt Gossen: „Hier ist morgens und mittags die Hölle los.“Der heutige Tag ist keine Ausnahme: Die Busse kommen im Minutentak­t, Eltern führen ihre Kinder an der Hand über die Straßen am Bahnhof oder parken mit ihren Autos – ebenfalls mit eingeschal­tetem Warnblinkl­icht – an den Haltesteig­en. „Für uns ist dann oft kein Durchkomme­n mehr. Manchmal stauen sich vier, fünf Busse“, sagt Gossen. Schon öfter habe der 53-Jährige deshalb versucht, mit den Müttern oder Vätern zu sprechen. „Die reagieren dann nicht selten aggressiv.“

Lehrer müssen sich von Eltern einiges anhören

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Heute werden deutlich mehr Kinder als früher von ihren Müttern und Vätern mit dem Auto zum Unterricht gebracht. Nicht wenige parken dabei möglichst nah an der Schule, was zu erhebliche­n Verkehrspr­oblemen führt.

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