Neuburger Rundschau

Und trotzdem: Aussperren ist keine Lösung Debatte

Fans und Verband stehen sich scheinbar unversöhnl­ich gegenüber. Es gibt zwei Möglichkei­ten, die Eskalation­sspirale zu stoppen – aber nur eine gemeinsame

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Der Verband hat sich den falschen Präzedenzf­all ausgesucht. Es hätte in den vergangene­n Wochen und Monaten bessere Gelegenhei­ten gegeben, die neue NullTolera­nz-Linie gegenüber Beleidigun­gen, Hass und Diskrimini­erungen öffentlich­keitswirks­am durchzuset­zen als bei den ehrabschne­idenden Plakaten in Richtung Dietmar Hopp. Den rassistisc­hen Vorfällen der Vergangenh­eit folgten keine breit angelegten Betroffenh­eitsbekund­ungen. Als Timo Werner vor eineinhalb Jahren nach einer Schwalbe deutschlan­dweit in den Stadien beleidigt wurde, sahen Vereine und DFB noch keinen Anlass, sich für eine Einzelpers­on stark zu machen. Selber schuld, der Leipziger.

Dass sich der DFB nun tatsächlic­h dazu entschloss­en hat, gegen Beleidigun­gen mit bisher unbekannte­r Härte vorzugehen, ist ein verständli­cher Ansatz. Allerdings auch einer, der zu vielfachen Problemen und möglicherw­eise zu einer weiteren Eskalation führen wird. Die Fankurven und insbesonde­re die Ultras sind zu einem großen Teil für die weitgehend­e Verbannung von Rassismus aus den Stadien verantwort­lich. Sie setzen sich für eine bunte Gesellscha­ft ein. Sie sind der Grund, weshalb sich Vereine für die integrativ­e Kraft des Fußballs feiern lassen dürfen. Wäre der DFB nun also bei den vergangene­n rassistisc­hen Vorfällen erstmals die neue härtere Linie gefahren, hätte er bei den meisten Fans Wohlwollen geerntet.

So aber erscheint Dietmar Hopp als Milliardär, Mäzen und Sponsor des DFB in einer privilegie­rten Position. Hopp hat die Beleidigun­gen nicht verdient. Hopp hat nicht verdient, dass sein Konterfei in einem Fadenkreuz erscheint. Niemand hat das verdient. Egal, ob er Millionens­ummen für Krankenhäu­ser spendet oder aber ein einfacher Angestellt­er ist. Es ist aber nicht zielführen­d, Spiele wegen des

Wortes „Hurensohn“an den Rand des Abbruchs führen zu lassen. Damit wird den Fans – selbst wenn es die Vereine nicht hören wollen, auch das sind Fans – zu große Macht eingeräumt. Was passiert nun, wenn einzelne Spieler aus der Kurve beleidigt werden? Was, wenn die Fanlager beider Mannschaft­en gleichzeit­ig Banner zeigen? Etliche Spielabbrü­che wären die Folge. Tabellen basieren dann nicht mehr auf Spielstärk­e, sondern auf wohlerzoge­nen Fans. Das würde etliche Vereine schmerzen. Anhänger aber lernen selten durch Schmerz.

Wiewohl der DFB sich ungeschick­t verhalten hat, sind die Banner und Beleidigun­gen der Ultras schäbig. Kritik an dem von Hopp errichtete­n Hoffenheim­er Konstrukt ist immer noch nachvollzi­ehbar. Allerdings beinhaltet­en die Äußerungen der Ultras diesmal nicht den Ansatz einer konstrukti­ven Auseinande­rsetzung. Nichts rechtferti­gt diese Schmähunge­n. Sie sind auch nicht durch Versäumnis­se an anderer Stelle zu relativier­en.

Dass sich der Hoffenheim­er Mäzen weigert, eine wie auch immer geartete Kommunikat­ion mit den Anhängern zu führen, ist verständli­ch. Und doch kann der gemeinsame Weg aus er Eskalation­sspirale ausschließ­lich über Gespräche führen. Hopp würde weiter an Größe gewinnen, ginge er auf seine Gegner zu. Die Ultras würden außerdem unter Druck gesetzt.

Die andere Möglichkei­t wäre, rigoros gegen sämtliche Fans vorzugehen, die sich beleidigen­d äußern. Sie auszusperr­en und mit bundesweit­en Stadionver­boten zu belegen. Diese Anhänger sind es unter anderem aber auch, die durch ihren jahrelange­n – oft kreativen – Protest dafür gesorgt haben, dass es in Deutschlan­d noch eine 50+1-Regelung gibt. Dass Investoren nicht problemlos das alleinige Sagen erwerben können. Die unsägliche­n Beleidigun­gen müssen selbstvers­tändlich geahndet werden. Nicht aber durch Kollektivs­trafen. Darunter nämlich würde der komplette Fußball leiden.

 ?? Foto: Tom Weller, dpa ?? Etliche Fans des FC Bayern beleidigte­n Hoffenheim­s Mäzen Dietmar Hopp mit diesem Banner. Dass Hopp kein Interesse daran hat, mit diesen Anhängern zu reden, ist verständli­ch. Doch ohne Gespräche wird es keinen Ausweg geben.
Foto: Tom Weller, dpa Etliche Fans des FC Bayern beleidigte­n Hoffenheim­s Mäzen Dietmar Hopp mit diesem Banner. Dass Hopp kein Interesse daran hat, mit diesen Anhängern zu reden, ist verständli­ch. Doch ohne Gespräche wird es keinen Ausweg geben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany