So weiblich ist die Kommunalwahl
Diesen Sonntag ist Weltfrauentag. Nächsten Sonntag ist Kommunalwahl. Wie viele Frauen kandidieren in welchen Parteien im Landkreis für ein politisches Amt? Und warum schrecken viele Frauen noch davor zurück?
Neuburg-Schrobenhausen Die Bilanz ist ernüchternd. Bei der Kommunalwahl 2020 stellen sich in allen Kommunen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen insgesamt 1223 Menschen zur Wahl. Davon sind aber nur 336 Frauen, das heißt, 27,5 Prozent, also weniger als ein Drittel. Frauen machen jedoch mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Damit sind sie in den politischen Gremien stark unterrepräsentiert. Betrachtet man allein die (Ober-)Bürgermeisterkandidaten, sieht es noch düsterer aus: Unter den 39 Kandidaten sind lediglich vier Frauen (10,3 Prozent). Warum ist das so? In welchen Parteien engagieren sich mehr, in welchen weniger Frauen?
Franziska Senner belegt auf der Neuburger Stadtratsliste der Freien Wähler (FW) Platz sieben. Die Freien Wähler stellen aktuell sieben Stadträte. Senner hat also eine realistische Chance, in den Stadtrat einzuziehen. Sie hat zwei kleine Kinder, zwei und vier Jahre alt. Daher war sie sich zunächst unsicher, ob sie kandidieren sollte, wie sie erzählt. Politisch interessiert ist die 39-Jährige schon lange - seit sieben Jahren ist sie Parteimitglied -, außerdem will sie Dinge gestalten und Ideen einbringen. Aber, fragte sie sich, würde sie es schaffen, Politik, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Wenn dann mit den Freien Wählern, glaubt Senner. Denn in dieser Partei sei der Ruf nach weiblicher Beteiligung sehr laut. Die Freien Wähler hätten ihr versprochen, – sollte sie gewählt werden – einen Antrag zu stellen, dass die Sitzungen entweder zu Zeiten stattfinden, wenn ihr Mann auf die Kinder aufpassen könne, oder dass während der Sitzungen eine Kinderbetreuung organisiert werde. Dies sei mit ausschlaggebend für ihre Kandidatur gewesen, sagt Senner. Dass die Beteiligung der Frauen für die Freien Wähler besonders wichtig sei, macht sie auch daran fest, dass auf der Stadtratsliste von 30 Kandidaten 15 Frauen sind – allerdings nur drei unter den ersten zehn. Im Kreistag sind auf der Liste der Freien Wähler von 60 Kandidaten zehn Frauen, die erste an Position sechs. Kreisvorsitzender Florian Herold erklärt das so: Man habe sich an gewisse Regeln halten müssen, zum Beispiel alle Ortsverbände abzubilden, alle Bürgermeisterkandidaten und Mandatsträger, amtierende Kreisräte... Dadurch seien schon sehr viele Plätze vergeben gewesen. Außerdem wolle man nur Frauen an aussichtsreicher Stelle positionieren, die auch wirklich Lust hätten, in ein Gremium einzuziehen. Und das sei derzeit schwierig, wie Herold zugibt. „Das
ist total schade. Wir hätten gerne mehr Frauen.“
Wirft man einen Blick in den Landkreis, schneiden nicht nur die Freien Wähler, sondern auch die Christsozialen recht bescheiden ab, was die Anzahl weiblicher Kandidaten für die Kommunalwahl angeht. Ausnahmen in diesen beiden Parteien bilden Ulrike Polleichtner (FW), die in Rennertshofen Georg Hirsch
herausfordert, und Mathilde Ahle (CSU), die amtierende Bürgermeisterin in Langenmosen, die auch heuer wieder antritt. Auf der Kreistagsliste der CSU stehen gerade einmal 15 Frauen, acht unter den ersten 20. Für den Neuburger Stadtrat kandidieren sieben, von denen vermutlich zwei bis drei tatsächlich einziehen könnten. Die CSU in Bergheim hat als einziger Ortsverband aller
Parteien auf der Liste überhaupt keine Frau stehen. Ortsverbandsvorsitzender Matthias Seitz sagt dazu: „Wir haben potenzielle Kandidatinnen gefragt.“Doch die hätten alle abgelehnt. „Das ist ein großes Thema, das wir bewältigen müssen. Das haben wir erkannt.“Immerhin habe der Ortsverband inzwischen zwei weibliche Mitglieder. Und Seitz will noch mehr Frauen für die Partei gebeck winnen. „Wir müssen in den Dialog kommen, die Leute aktiv ansprechen, ihnen die Angst nehmen, aufklären, was zwischen den Wahlen passiert.“Besonders positiv fällt die SPD in Oberhausen auf: Von 16 Kandidaten sind neun Frauen. Dass mehr als die Hälfte der Kandidaten Frauen sind, das haben im Landkreis sonst nur noch die DUK in Karlshuld (neun von 16) und die Grünen in Weichering (acht von 14) geschafft. Hermann Steger, Ortsverbandsvorsitzender der SPD in Oberhausen, erklärt: „Wir haben gezielt Frauen angesprochen.“Es sei seine persönliche Motivation gewesen, dass der Gemeinderat weiblicher und jünger werde. Aktuell sind lediglich zwei Frauen im Oberhausener Gemeinderat. Steger ist stolz auf die Liste seines Ortsverbands. Er habe dafür bislang ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen.
Von den großen Parteien schneiden die Grünen landkreisweit beim Verhältnis Mann-Frau am besten ab. Auf der Neuburger Stadtratsliste stehen 19, auf der Kreistagsliste 31 Frauen. Das sind jeweils mehr als 50 Prozent der Kandidaten. Außerdem wechseln sich die Geschlechter in der Reihenfolge ihrer Auflistung meist ab. Kreisvorsitzende Karola Schwarz erklärt sich den hohen Frauenanteil zum einen durch die Quote, die sich die Grünen selbst auferlegt haben. Zum anderen durch die Themen, mit denen sich ihre Partei beschäftigt, darunter zum Beispiel Klimaschutz und Menschen- beziehungsweise Frauenrechte. Um eine ausgewogene Liste zusammenstellen zu können, sei viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen, bei Frauen mehr als bei Männern, erzählt Schwarz. Sie stellt fest: Viele Frauen im Landkreis lebten zwar noch nach dem klassischen Rollenbild, doch langsam möchten sich immer weniger damit abfinden – und werden politisch aktiv.
Bei Franziska Senner und ihrem Mann ist die Rollenverteilung noch traditionell. Sie blieb zuhause bei den Kindern, während er weiterhin Vollzeit als Maurer gearbeitet hat. Anders sei es auch gar nicht möglich, sagt die 39-Jährige, die erst vor Kurzem wieder stundenweise in ihren Beruf eingestiegen ist. Senner möchte ihre Familie nicht vernachlässigen. Dennoch will sie jetzt den Schritt in die Politik wagen. Denn bei einem ist sie sich sicher: „Dass ich trotz der reichlichen Belastung mit Genauigkeit, Ernst und Engagement an die Herausforderung herangehen würde. Und dieses Verhalten ist ganz typisch für Frauen. In meinem Freundeskreis habe ich viele starke Frauen, die trotz oder gerade wegen ihrer Familie einen beruflich erfolgreichen Weg einschlagen und dabei wunderbare Mütter für ihre Kinder sind.“