Neuburger Rundschau

Der tiefe Fall des obersten Schotten

14 Anklagepun­kte gegen Alex Salmond

- VON KATRIN PRIBYL

London Mehr als 30 Jahre stand er als gefeierter Politiker im Blitzlicht­gewitter, beeinfluss­te den Lauf der schottisch­en Politik wie kein anderer. Als Alex Salmond am Montag im dunklen Mantel und mit einem gequälten Lächeln die letzten Meter zum obersten Strafgeric­ht Schottland­s schritt, klickten wieder die Kameras. Doch es ging nicht um die Unabhängig­keit der Schotten von London, Salmonds Lebensthem­a. Vielmehr kämpft der 65-Jährige um seine Freiheit, seinen Ruf, sein Vermächtni­s. Der ehemalige Chef der Regionalre­gierung und frühere Vorsitzend­e der Scottish National Party (SNP) muss sich vor Gericht verantwort­en. Ihm wird eine Vielzahl sexueller Übergriffe vorgeworfe­n, die von 2008 bis 2014 und damit während seiner Amtszeit stattgefun­den haben sollen.

Zehn ehemalige Mitarbeite­rinnen beschuldig­en Salmond, sie belästigt zu haben. Insgesamt liegen 14 Anklagepun­kte vor, darunter versuchte Vergewalti­gung einer Frau in seinem offizielle­n Amtssitz sowie eine sexuelle Nötigung mit Vergewalti­gungsabsic­ht. Salmond weißt die Vorwürfe zurück. Er werde sich „bis zum Äußersten“verteidige­n.

Salmond war Gesicht und Vorkämpfer der schottisch­en Unabhängig­keitsbeweg­ung. 2007 bis 2014 führte er die Regionalre­gierung und setzte das Referendum über die Abspaltung Schottland­s von Großbritan­nien bei der britischen Regierung durch. Eine knappe Mehrheit sprach sich 2014 für den Verbleib aus und Salmond gab die Macht an seine politische Ziehtochte­r Nicola Sturgeon ab. Doch die Karriere des begnadeten Rhetoriker­s sollte weitergehe­n. 2015 zog er als Abgeordnet­er ins britische Parlament ein, überrasche­nd verlor er seinen Posten aber bei den von Ex-Premiermin­isterin Theresa May ausgerufen­en Neuwahlen 2017 schon wieder. Der Abstieg begann. Ein Jahr später erhoben zwei ehemalige Mitarbeite­rinnen Vorwürfe gegen Salmond. Seine Vertraute Sturgeon schaltete die Polizei ein. Sie bezeichnet­e die Situation als „sehr traurig“für sie.

Salmond, verheirate­t mit der 17 Jahre älteren Moira, bestritt jegliches Fehlverhal­ten, trat aber trotzdem aus der SNP aus. Um Schaden von der Partei abzuwenden, wie er sagte. Außerdem wolle er eine Spaltung der Partei vermeiden. „Ich liebe die SNP und die Unabhängig­keitsbeweg­ung in Schottland. Sich für sie zu engagieren, hat mein Leben bestimmt“, sagte er. Doch der Kampf seines Lebens hat erst jetzt begonnen.

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Foto: dpa Alex Salmond war Gesicht und Vorkämpfer der schottisch­en Unabhängig­keitsbeweg­ung.

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