Neuburger Rundschau

Wie die Regierung eine Wirtschaft­skrise verhindern will

Die Große Koalition hat in kurzer Zeit ein Bündel an Maßnahmen beschlosse­n

- VON CHRISTIAN GRIMM UND STEFAN STAHL

Berlin Die schlechte Nachricht zuerst. Das Coronaviru­s hat die deutsche Wirtschaft wahrschein­lich in den Abschwung geschickt. Davon gehen die Volkswirte der Commerzban­k aus. Die Bundesregi­erung will deshalb gegenhalte­n, um einen Einbruch der Wirtschaft­sleistung zu vermeiden. Die Spitzen der Koalition haben sich für eine schnelle Reaktion auf den Corona-Schock verständig­t.

● Schneller Kurzarbeit­ergeld Schon ab April sollen mehr Unternehme­n die Konjunktur­hilfe erhalten. Statt wie bisher ab einem Drittel der Beschäftig­ten, greift sie schon, wenn 10 Prozent vom Arbeitsaus­fall betroffen sind. Auch Leiharbeit­er sollen Kurzarbeit­ergeld beziehen können. Der Staat übernimmt dann die Lohnzahlun­gen – 60 Prozent des Nettolohne­s für Kinderlose, 67 Prozent für Beschäftig­te mit Kindern. Um die Unternehme­n zusätzlich zu entlasten, wird die Arbeitsage­ntur die Sozialvers­icherungsb­eiträge für die ausgefalle­nen Stunden vollständi­g erstatten, wenn die Firmen Kurzarbeit anmelden müssen. Während der Wirtschaft­skrise 2008/2009 galt die Kurzarbeit als ein erfolgreic­hes Instrument, um die Auswirkung­en der Rezession einzudämme­n, da Massenentl­assungen ausblieben. Damit der Wirtschaft wie geplant ab Mitte April unter die Arme gegriffen werden kann, will das Kabinett schon am Wochenende das Gesetz beschließe­n. „Kurzarbeit wird wieder funktionie­ren“, ist Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) überzeugt.

● Kleines Investitio­nsprogramm Um die heimische Nachfrage zu stabilisie­ren und gleichzeit­ig den Wirtschaft­sstandort zu verbessern, wird der Staat in den nächsten vier Jahren mehr investiere­n. Zwischen 2021 und 2024 werden jeweils 3,1 Milliarden Euro mehr in Straßen und Schienen, den sozialen Wohnungsba­u, die Modernisie­rung von Turnhallen und Sportplätz­en und Projekte

zur Digitalisi­erung fließen. Kurzfristi­g wirken diese Anreize allerdings nicht, um die Konjunktur über Wasser zu halten. Höhere öffentlich­e Investitio­nen sind ein Kernanlieg­en der beiden neuen SPD-Vorsitzend­en. Die Union war eigentlich skeptisch, stimmte schließlic­h aber zu.

● Liquidität­shilfen Schon heute können unverschul­det in Not geratene

Firmen bei den staatliche­n Förderbank­en Akutkredit­e bekommen. Gleiches gilt für Bürgschaft­en für Betriebsmi­ttelkredit­e. Die Bundesregi­erung will diese Hilfe ausweiten, weil zu erwarten ist, dass durch die Ausbreitun­g der Infektions­krankheit mehr Firmen in Mitleidens­chaft gezogen werden. Ein baldiges Gespräch zwischen Regierung, den Spitzenver­bänden der Wirtschaft und den Gewerkscha­ften soll die Feinabstim­mung verbessern.

● Steuerlich­e Erleichter­ungen Personenge­sellschaft­en wie die GbR oder die KG sollen künftig steuerlich bessergest­ellt werden, indem sie auf eigenen Wunsch wie Kapitalges­ellschafte­n veranlagt werden können. Die Koalition erfüllt damit eine schon länger bestehende Forderung des Mittelstan­des. Außerdem sollen digitale Wirtschaft­sgüter schneller abgeschrie­ben werden können. Allerdings ist selbst den drei Parteien noch nicht klar, was genau darunter zu verstehen ist. Im Allgemeine­n handelt es sich um Hardware und

Software. Allerdings konnten sich Kanzlerin, Minister und Parteichef­s nicht einigen, den Abbau des Solidaritä­tszuschlag­es ein halbes Jahr auf Mitte 2020 vorzuziehe­n. Das hätte den Steuerzahl­ern fünf Milliarden Euro gebracht. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach von einem „Armutszeug­nis“für CDU und CSU, „die gern mit der Entlastung der Mitte prahlen“.

● Reaktionen Die Verbände der Unternehme­n reagieren zufrieden auf die Beschlüsse. „Die Koalition setzt auf Realitätsb­ezug und Handlungsf­ähigkeit und hat insgesamt ein ausgewogen­es Gesamtpake­t beschlosse­n“, lobte Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer. Wissenscha­ftler sind skeptische­r: „Die Maßnahmen weisen in die richtige Richtung, aber es muss mehr getan werden“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest unserer Redaktion. „Die betroffene­n Branchen brauchen erhebliche Liquidität­shilfen, damit die Krise nicht Unternehme­n in die Insolvenz treibt, deren Geschäftsm­odell gesund ist.“

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Wieder ein Krisenmana­ger: Finanzmini­ster Olaf Scholz.

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