Ganz Italien wird zur Sperrzone
Der Ausbruch des Coronavirus trifft das Land immer härter. Mehr als 460 Menschen sind gestorben. Es kommt sogar zu Protesten von Häftlingen. Was Urlauber nun wissen müssen
Rom Das Coronavirus bringt Italien nun völlig zum Erliegen. Die Regierung weitet Sperrungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit auf das ganze Land aus. Das sagte Premierminister Giuseppe Conte am Abend. Es gebe keine Zeit zu verlieren. Schulen, Universitäten und Kindergärten bleiben bis mindestens 3. April geschlossen. Sämtliche Sportveranstaltungen im Land seien ausgesetzt, auch Fußballspiele in der ersten Liga (Serie A). Rund 60 Millionen Menschen sind von den Maßnahmen betroffen.
Am Wochenende hatte die Regierung die Lombardei und andere Gegenden in Norditalien zu Sperrzonen erklärt. Aus ihnen hinaus und in sie hinein darf man nur mit triftigen Gründen – zum Beispiel wegen eines dringenden beruflichen Termins.
Auch die Skisaison ist für ganz Italien beendet. Die Gastbetriebe und Seilbahnbetreiber verpflichteten sich zu einem vorzeitigen Ende der Wintersaison, teilte der Hoteliersund Gastwirteverband mit. Die Unternehmen würden von diesem Dienstag an bis mindestens 3. April schließen.
Diese Nachrichten sind nur einige von vielen an diesem Tag in jenem Land, das mit mehr als 460 die höchste Zahl an nachgewiesenen Covid-19-Toten nach China auf
Wie angespannt die Lage dort inzwischen ist, zeigen Äußerungen von Regierungschef Conte. „In den letzten Tagen dachte ich an das, was ich über Churchill gelesen habe: Es ist unsere dunkelste Stunde, aber wir schaffen es“, sagte er der Zeitung La Repubblica mit Blick auf den britischen Weltkriegspremier.
Den Ernst der Lage veranschaulicht auch dies: In Gefängnissen kam es zu Protesten mit mehreren Toten. So seien in Modena sechs Häftlinge gestorben, wie Medien unter Berufung auf die Gefängnisverwaltung berichteten. Mehr als 50 hätten dort versucht, zu fliehen. Die Gewerkschaft der Gefängnispolizei sprach von Aufständen in 27 Haftanstalten im Land. Grund für die Proteste seien Maßnahmen gegen das Coronavirus, sagte Susanna Marietti von der Organisation Antigone, die sich für Gefangenen-Rechte einsetzt: Es seien Besuche in Gefängnissen ausgesetzt worden, ebenso sportliche und kulturelle Aktivitäten. „Die Häftlinge waren dann nur in ihren Zellen und es gab keine Kommunikation über die Lage.“
Die Folgen der Corona-Krise treffen Italien massiv. Die Regierung ordnete an, alle Kinos, Theater, Museen, Sportklubs, Demonstrationen und viele andere Veranstaltungen schließen oder ausfallen zu lassen. Sehenswürdigkeiten wie das Kolosseum und die Vatikanischen Museen sind bis auf Weiteres geschlossen. Die Tourismus-Branche kommt zum Erliegen – nicht nur in den gesperrten Gebieten, auch in Südtirol, das zu den beliebtesten Skiregionen deutscher Urlauber gehört. Und das hat Auswirkungen auf die Reisepläne vieler Deutscher.
Die stehen nun vor der Frage: Bleibe ich zu Hause? Reiserechtsexperte Ernst Führich, der bis 2013 als Professor an der Hochschule Kempten lehrte, beantwortet dies so: Pauschalreisen in betroffene Gebiete könnten kostenlos storniert werden. Denn es liege ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vor. „Der Veranstalter muss das Geld binnen 14 Tagen zurückzahlen.“Auch Hotelbuchungen ließen sich umsonst stornieren. Norditalien sei allerdings nicht unbedingt ein Pauschalreiseziel, gibt Führich zu bedenken. Doch auch Individualreisende hätten gute Karten: „Eine Hotelbuchung lässt sich bei einer behördlichen Einreisesperre kostenlos stornieren, weil die Unterkunft gar nicht mehr erreichbar ist“, erläutert der Experte. Und wer auf einem deutschsprachigen Hotelportal im Internet gebucht habe, für den gelte ohnehin deutsches Recht.
Das Auswärtige Amt rät von Reiweist. sen in die zur Sperrzone erklärten Regionen ab, genauso „von nicht erforderlichen“Reisen in die autonome Provinz Bozen-Südtirol. Per Dekret vom 8. März gilt in den italienischen Sperrgebieten ein Einund Ausreiseverbot für insgesamt 16 Millionen Menschen, zunächst bis zum 3. April. Das Verbot umfasst Fahrten innerhalb dieser Gebiete, „mit Ausnahme unaufschiebbarer berufsbedingter Fahrten oder in Notsituationen“. Unter anderem an Autobahn-Ausfahrten wird das kontrolliert. Verstöße könnten mit bis zu drei Monaten Haft und einer Geldbuße von 260 Euro bestraft werden, berichteten Medien.
Die Ausreise nach Deutschland sei weiter möglich, betonte das Auswärtige Amt. Laut italienischer Regierung ist sie sogar erwünscht: Sie rief Touristen bereits auf, die Sperrzonen zu verlassen. Bahnhöfe und Flughäfen seien geöffnet. Wie viele Urlauber sich aktuell in den italienischen Corona-Gebieten aufhalten, weiß weder der Deutsche Reiseverband, der Spitzenverband der deutschen Tourismuswirtschaft, noch das Auswärtige Amt. Wer ausreise, solle mit Kontrollen und Nachfragen von Sicherheits- und Ordnungskräften rechnen.
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