Neuburger Rundschau

Wenn sich die besten Freunde streiten

Vor Auseinande­rsetzungen und seelischen Verletzung­en ist niemand gefeit. Was hilft, wenn Konflikte die Freundscha­ft belasten?

- VON SABINE MAURER

Es sind wahre Worte, die Simone de Beuvoir einst gesprochen hat: „Die Harmonie zwischen zwei Menschen ist niemals gegeben. Sie muss immer wieder neu erobert werden“, sagte die französisc­he Schriftste­llerin (1908–1986). Kein Wunder, dass es auch zwischen besten Freunden immer mal wieder zu Ärger kommen kann. Doch was tun, wenn sich Zwei gestritten haben – wie können sie den Weg zurück zur Harmonie finden? Psychologe­n raten wie bei den meisten zwischenme­nschlichen Problemen zum Reden – allerdings muss und sollte nicht jeder Streit sofort geschlicht­et werden.

„Man sollte sich erst beruhigt haben. In hoher Emotionali­tät kann ein Mensch nicht klar denken“, sagt Hans Onno Röttgers, leitender Psychologe des Unikliniku­ms Marburg. Er rät Streitende­n dringend, zunächst auf Distanz zu gehen. Das könne Stunden dauern oder Wochen – je nachdem, wann die hochgekoch­ten Gefühle wieder abgekühlt sind. Vorab sollte dem anderen vermittelt werden, dass man gerade zu aufgebrach­t für ein klärendes Gespräch ist und dieses verschiebe­n möchte. „Ist das nicht möglich, weil die Lage sofort geklärt werden muss, sollte man mindestens 20 Mal tief Luft holen, bevor das erste Wort gesagt wird“, empfiehlt der Fachmann als Erste-Hilfe-Maßnahme.

Ein Problem sei auch, dass viele Menschen im Streit völlig aus den Augen verlieren, dass der andere ein wertvoller Mensch sei, den man eigentlich mag und der einem selbst prinzipiel­l wohlgesonn­en ist – „das sollte man sich klar machen“. Ansonsten besteht im Gespräch die Gefahr einer selbsterfü­llenden Prophezeiu­ng – dem Gedanken, der andere wolle einem etwas Böses, folgt automatisc­h eine Angriffs- oder Abwehrhalt­ung. „Außerdem sollte man sich bewusst machen, dass man nicht einer Meinung sein muss, um befreundet zu sein“, sagt Psychologe Röttgers.

Allerdings gibt es verschiede­ne Arten von Freundscha­ften. Manche verstehen unter „Freund“jemanden, den ein anderer vielleicht nur als „guten Bekannten“definieren würde. Bei Facebook kann quasi jeder zum „Freund“werden, dafür bedarf es nicht mal gegenseiti­ger Sympathie. Die Psychother­apeutin Johanna Thünker aus Bottrop erlebt in ihrer Praxis immer wieder Schein-Freundscha­ften – also Beziehunge­n, die sich wie Freundscha­ften anfühlen. Wenn jedoch einer der beiden in eine Krise rutscht, ist es damit vorbei. „Ist eine Freundscha­ft echt, hat man gute Chancen, dass sich ein Streit lösen lässt“, sagt sie.

Die Psychologi­n Julia Scharnhors­t aus Wedel rät, sich vor dem klärenden Gespräch den Konflikt genau anzuschaue­n: Worum geht es überhaupt? Was war der Anlass, was ist mein Anteil, wie schwerwieg­end ist der Konflikt – und: Was kann ich tun, um ihn zu lösen? Diese Fragen sollte man sich stellen und wenn möglich auch beantworte­n.

Im Gespräch wird sinnvoller­weise auf Vorwürfe verzichtet, die Situation sollte aus der eigenen Perspektiv­e geschilder­t werden. Dabei sollte auch erwähnt werden, welche Gefühle die Situation ausgelöst hat. Dies ermöglicht dem anderen, die Perspektiv­e zu wechseln – und schließlic­h beiden ein wechselsei­tiges Verständni­s. Allerdings sollte nicht um des lieben Friedens willen dem anderen zugestimmt werden, obwohl man selbst anderer Meinung ist. Wenig sinnvoll ist es auch, sich für etwas zu entschuldi­gen, obwohl es einem gar nicht leidtut. Dies besänftigt zwar, und der Streit ist erst mal vom Tisch. „Aber gelöst ist damit das Problem nicht“, macht Psychother­apeutin Thünker klar. Man sollte aushalten, dass manche Konflikte zumindest nicht sofort gelöst werden können.

Doch was tun, wenn der Freund oder die Freundin schmollt und auf stur schaltet? Auch wenn es schwerfäll­t, sollte man sich darüber nicht aufregen. In der Erregung kann niemand mehr klar denken, sondern er gerät in einen wenig hilfreiche­n Tunnelblic­k. „Man kann dem anderen auch in diesen Fällen ruhig seine

Sicht der Dinge mitteilen – und ihn dann wenn nötig schmollen lassen“, sagt Psychother­apeutin Thünker. „Hilfreich können zudem Sätze sein wie: Ich würde gerne noch mal mit dir reden wie zwei Erwachsene. Denn du fehlst mir“, empfiehlt Thünker.

Eine weitere Möglichkei­t mit einem nicht gelösten Konflikt umzugehen, klingt erst mal simpel: Zeit miteinande­r verbringen, ohne dabei tiefgehend­e Gespräche zu führen. „Wenn man etwas zusammen macht, dann fördert das die Beziehung“, rät Psychologi­n Scharnhors­t. „Man sollte einfach eine nette Zeit verbringen.“Damit entkrampft sich die Situation und es lässt sich auch über den Streitpunk­t viel besser reden. Gar nicht zu einer Freundscha­ft passt dagegen falscher Stolz, erst recht nicht nach einer Auseinande­rsetzung. „Dieser sogenannte Stolz bedeutet, dass mir mein Wohlbefind­en und mein recht haben wichtiger sind als die Freundscha­ft“, erklärt Psychologi­n Scharnhors­t. „Doch Freundscha­ften pflegen bedeutet auch, dass man auf den anderen einen Schritt zugehen und man sich annähern möchte. Ansonsten wird es schwierig.“

Man muss nicht immer der gleichen Meinung sein

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Illustrati­on: stock.adobe.com
Wenig sinnvoll ist es laut Experten, sich für etwas zu entschuldi­gen, obwohl es einem gar nicht leidtut. Illustrati­on: stock.adobe.com

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