Neuburger Rundschau

Die Whistleblo­werin

Nach insgesamt fast acht Jahren in Haft und mehreren Selbstmord­versuchen ist Chelsea Manning wieder frei. Auf einem Berg an Schulden aber bleibt sie sitzen

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Chelsea Manning blieb standhaft. Hartnäckig verweigert­e die ehemalige „Whistleblo­werin“vor einer Geschworen­enjury zur Enthüllung­splattform Wikileaks und deren Mitbegründ­er Julian Assange die Aussage. Die ehemalige Mitarbeite­rin des militärisc­hen Geheimdien­stes beharrte „aus ethischen Gründen“, wie sie selbst betont, darauf, nicht an dem Prozess gegen Wikileaks mitzuwirke­n.

Dafür saß Manning nun seit Mai vergangene­n Jahres bereits zum zweiten Mal in Beugehaft. Obendrein hat ihr das Gericht noch eine Strafe von täglich 1000 Dollar aufgebrumm­t, die sich inzwischen auf 256000 US-Dollar aufaddiert hat. Nun aber hat der zuständige Richter im Bundesstaa­t Virginia die Freilassun­g Mannings angeordnet – ihre Aussage sei nicht mehr länger nötig. Die 32-Jährige hatte am Mittwoch zum wiederholt­en Mal versucht, ihrem Leben in Haft ein Ende zu setzen, und war daraufhin in ein Krankenhau­s gebracht worden.

Während die Beugehaft damit vorüber ist und die Jury sich aufgelöst hat, bleiben die angehäufte­n Schulden fortbesteh­en. Das amerikanis­che Recht erlaubt das Festhalten eines Zeugen nur dann, wenn es die realistisc­he Möglichkei­t einer Aussage gibt. Die Anwälte Mannings aber beharrten stets darauf, dass Chelsea aus „prinzipiel­len Gründen“nicht aussagen werde.

Die ehemalige Geheimdien­stmitarbei­terin hatte Wikileaks im Jahr

2010 hunderttau­sende von Dokumenten zugespielt, die unter anderem Kriegsverb­rechen in Irak und Afghanista­n dokumentie­rten. Manning, die damals noch ein Mann war und mit Vornamen Bradley Edward hieß, flog auf. Ein Militärger­icht verurteilt­e den Computersp­ezialisten aus Oklahoma daraufhin zu 35 Jahren Gefängnis – der bis dahin höchsten Strafe für einen Whistleblo­wer in den USA.

In der Haft erklärte Manning, sie heiße Chelsea und wolle sich einer Geschlecht­sumwandlun­g unterziehe­n. Schon damals versuchte sie, sich im Gefängnis das Leben zu nehmen. US-Präsident Barack Obama begnadigte sie im Januar 2017 nach sieben Jahren hinter Gitter. Vergangene­s Jahr begannen die rechtliche­n Probleme für Manning erneut, als Staatsanwä­lte Ermittlung­en gegen Wikileaks-Gründer Assange aufnahmen. Sie erhielt eine Vorladung, vor der Geschworen­enjury über ihre Beziehung zu Assange auszusagen. Obwohl die Staatsanwa­ltschaft ihr Immunität gewährte, lehnte sie eine Kooperatio­n ab. Bei einer Verurteilu­ng des gebürtigen Australier­s, der in England gegen seine Auslieferu­ng an die USA kämpft, drohen diesem bis zu 175 Jahre Haft.

Manning hatte die Lieferung des Materials an Assange gestanden, aber stets darauf bestanden, nicht im Auftrag von Wikileaks tätig gewesen zu sein. Ihre Anwältin drückte nach ihrer Freilassun­g die Hoffnung aus, „dass sie endlich eine echte Gelegenhei­t bekommt, die Erholung und Heilung zu finden, die sie so reich verdient“. Thomas Spang

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Foto: dpa

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