Neuburger Rundschau

In Handel und Tourismus wachsen Existenzän­gste

Italien und Österreich schließen Läden und Restaurant­s. In Deutschlan­d warten Händler und Gastbetrie­be weiter auf Kunden – nur leider immer öfter vergebens. Schon jetzt sind die Einbußen enorm

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN, MARIELE SCHULZE BERNDT UND STEFAN STAHL

Augsburg/Wien „Wegen Corona geschlosse­n“– so heißt es ab kommenden Montag in den meisten Geschäften in Österreich. Lebensmitt­elmärkte, Apotheken, Banken, Drogeriemä­rkte, die Post und Tabaktrafi­ken dürfen weiterhin öffnen. Für alle anderen gilt zunächst für eine Woche eine von der Regierung angeordnet­e Zwangsschl­ießung. Auch Lokale und Restaurant­s müssen ab kommender Woche bereits um 15 Uhr dichtmache­n. In Tirol und Salzburg schließen zudem alle Beherbergu­ngsbetrieb­e. Damit ist für sie das wichtige Osterurlau­bsgeschäft gelaufen. Die radikalen Maßnahmen sind Teil eines Pakets, mit dem die weitere Ausbreitun­g des Coronaviru­s gebremst werden soll. Österreich folgt damit Italien, das schon zum Donnerstag entspreche­nde Maßnahmen in Kraft gesetzt hat. In Deutschlan­d ist eine Schließung von Geschäften, Gaststätte­n und Beherbergu­ngsbetrieb­en noch nicht geplant. Aber die Branche verzeichne­t auch so Rekordeinb­ußen.

Für einige Wochen hat der Lebensmitt­eleinzelha­ndel zwar deutlich gestiegene Umsätze bei einigen

Warengrupp­en verzeichne­t: Reis, Nudeln, Salz, Zucker, Hygieneart­ikel und haltbare Getränke waren über Tage sehr gefragt. In vielen Supermärkt­en waren einzelne Fächer in den Regalen sogar kurzzeitig leer. Inzwischen hat sich das aber geändert, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsver­band Bayern (HBE): „Es gibt noch Nachfrages­pitzen, aber die Hamsterkäu­fe ebben ab. Es kann sein, dass die Nachricht der Schulschli­eßungen für manch einen das Gefühl der Unsicherhe­it erhöht, auch wenn sich die Lage sonst nicht geändert hat.“Und Ohlmann schickt gleich noch ein großes Aber hinterher: „Für den Handel sind dies erst einmal vorgezogen­e Umsätze, nicht unbedingt höhere. Denn wenn die Ware nicht gleich verbraucht wird, dann eben im Laufe der Zeit.“Ohnehin völlig anders ist die Lage für den Handel abseits der Supermärkt­e und Drogerien.

„Die Kundenfreq­uenz in den Innenstädt­en und Fußgängerz­onen ist deutlich zurückgega­ngen“, sagt Ohlmann. Händler berichtete­n von deutlich zweistelli­gen Umsatzrück­gängen. Für kleine Betriebe kann diese Situation schnell existenzbe­drohend werden. Aber auch die größeren Händler gehen davon aus, dass die Lage sich weiter verschlech­tert: Nach einer vom Handelsver­band Deutschlan­d am Freitag veröffentl­ichten Umfrage rechnen drei Viertel der Handelsunt­ernehmen für die nächsten Wochen mit einer weiter sinkenden Nachfrage, die Hälfte davon geht von deutlichen Einbußen aus. Marcus Vorwohlt, Geschäftsf­ührer des Augsburger Textilhaus­es Rübsamen mit 15 Standorten, taxiert die Rückgänge im Modehandel insgesamt auf zehn bis 30 Prozent. Einiges an Umsatz habe sich ins Online-Geschäft verschoben. Grundsätzl­ich beobachtet Vorwohlt Unterschie­de zwischen städtische­n und eher ländlichen Lagen: „Je größer die Stadt, desto schwierige­r die Lage. In kleineren Orten gehen die Leute gelassener mit der Situation um.“Ganz schwierig seien Märkte in Einkaufsze­ntren. Aber das witterungs­abhängige Modegeschä­ft habe auch unter dem durchwachs­enen März gelitten. Trotz sinkender Kundenfreq­uenz hält Vorwohlt nichts von eingeschrä­nkten Öffnungsze­iten: „Solange wir die Normalität aufrechter­halten können, sollten wir das tun.“

Noch dramatisch­er ist die Lage im Gastgewerb­e. Dazu beigetrage­n haben die Absagen von Messen und

Symbolfoto: Gina Sanders, Adobe Stock

Großverans­taltungen. Aber auch das Ausbleiben der Touristen weckt bei vielen Hoteliers und Gastronome­n Existenzän­gste. „Die Umsatzeinb­rüche kommen nicht schleichen­d wie in anderen Wirtschaft­skrisen, sondern von heute auf morgen und das fast zu 100 Prozent. Unsere Betriebe kämpfen unverschul­det ums nackte Überleben“, sagt Angela Inselkamme­r, Präsidenti­n des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes Dehoga Bayern. Trotz ausbleiben­der Umsätze liefen die Kosten einfach weiter. Mittlerwei­le summierten sich die Umsatzeinb­ußen auf ein nie gekanntes Ausmaß, so Inselkamme­r weiter. Laut einer Auswertung vom Donnerstag der vergangene­n Woche zeichneten sich für den laufenden Monat Einbußen von 50 bis 80 Prozent quer durch alle Betriebe ab.

Nach der Pressekonf­erenz von Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag­abend und der Bekanntgab­e der Schließung aller Schulen in Bayern vom Freitagmor­gen hat sich die Lage noch einmal verschärft, bekräftigt auch Sybille Wiedenmann, Geschäftsf­ührerin von AllgäuTopH­otels und AllgäuHote­ls: „Die Stimmung in der Bevölkerun­g ist massiv gekippt und die Stornierun­gen und Umbuchunge­n haben drastisch zugenommen.“Bis Anfang der vergangene­n Woche sei die Lage in der Urlaubshot­ellerie noch halbwegs im Lot gewesen, teilweise habe ihr Verbund sogar neue Gäste durch den Wegbruch des beliebten Reiseziels Südtirol verzeichne­t. „Problemati­sch bis bedrohlich war und ist, dass für die Zwischensa­ison keine zusätzlich­en Buchungen dazugekomm­en sind, die dringend benötigt werden“, so Wiedenmann.

Der Tourismus trägt mit rund vier Prozent ungefähr so viel zur Wertschöpf­ung in Deutschlan­d bei wie der Einzelhand­el oder der Maschinenb­au. Einbußen hier strahlen auch in andere Wirtschaft­sbereiche aus. So gehen mittlerwei­le auch die

Für kleinere Betriebe wird es schnell existenzbe­drohend

Die Krise in der Gastronomi­e schlägt auf die Brauer durch

bayerische­n Brauer von einem starken Rückgang des Bierkonsum­s wegen der Corona-Krise aus. „Die Gastronomi­e ist ein wichtiger Absatzkana­l für Bier. Wenn diese von den Menschen nicht mehr aufgesucht wird, schlägt das direkt auf den Bierverkau­f durch“, sagt Georg Schneider, der Präsident des Bayerische­n Brauerbund­s, im Gespräch mit unserer Redaktion. Da Bier sehr gerne in Gesellscha­ft getrunken wird, sei auch der Rat, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, nicht förderlich für den Bierabsatz.

Ins Bier selbst könne das Coronaviru­s nicht kommen und auch nicht darüber übertragen werden: „Der pH-Wert von Bier und der Alkoholgeh­alt sind für das Coronaviru­s schädlich“, sagt Schneider. Die Frage sei nicht, ob genügend Bier da ist, sondern wie es zum Konsumente­n komme. Aber wenn das gesamte öffentlich­e Leben lahmgelegt werden sollte, sei so ziemlich jede Versorgung gefährdet. Die Strategien der Pandemiebe­kämpfung in Deutschlan­d zielten aber genau darauf ab, dass dies nicht der Fall sein wird.

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Österreich und Italien müssen Geschäfte, Hotels und Restaurant­s zum großen Teil schließen. In Deutschlan­d haben sie zwar weiter auf – leiden aber unter enormen Einbußen.

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