Neuburger Rundschau

Schwere Rückschläg­e für Volkswagen

Autobauer verkaufte zuletzt deutlich weniger Fahrzeuge. Betriebsra­tschef übt massive Kritik am Vorstand des Konzerns

- VON STEFAN STAHL

Wolfsburg Nach den Milliarden­Zahlungen im Zuge des DieselSkan­dals schien der Volkswagen­Konzern wieder erfolgreic­h durchzusta­rten. Unternehme­nschef Herbert Diess erntete viel Lob für seine konsequent­e Elektroaut­o-Strategie. Doch nun wird der Weg wieder zunehmend steiniger für den weltgrößte­n Autobauer. Denn wie schon im Januar konnte VW auch im Februar im Vergleich zu den Vorjahresm­onaten deutlich weniger Fahrzeuge verkaufen.

Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: Die Corona-Krise und die schon vor dem Ausbruch der Pandemie schlechter­e konjunktur­elle Lage setzen auch den lange robust wirkenden Wolfsburge­rn zu. Dabei sind die Einbrüche in China für VW besonders schmerzlic­h, ist das riesige asiatische Land für das deutsche Unternehme­n doch als wichtigste­r Einzelmark­t von enormer Bedeutung. Dort gingen die Auslieferu­ngen im Februar um 74 Prozent auf nur noch 60900 Fahrzeuge zurück. Das satte China-Minus schlug natürlich auf die weltweite Absatzbila­nz für diesen Monat durch: Hier war ein Rückgang von 24,6 Prozent auf 546300 Autos zu verzeichne­n. So nehmen es die VW-Manager mit Erleichter­ung auf, dass sich der chinesisch­e Markt langsam wieder zu erholen beginnt. Natürlich gibt es in einem derart großen Konzern wie Volkswagen immer mehrere Baustellen. Dadurch ist Unruhe in dem Unternehme­n schwer zu vermeiden. Doch nun wird seitens der Arbeitnehm­erseite ein Konflikt in ungewohnte­r Schärfe offen nach außen getragen. Dabei poltert Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Bernd Osterloh in einer Heftigkeit, die selbst für ihn als Mitglied des Vereins für deutliche Aussprache ungewöhnli­ch zünftig erscheint. Er ist entsetzt, dass wegen nicht enden wollender Produktion­sprobleme bei weitem nicht so viele Fahrzeuge des neuen Golfs der achten Generation gefertigt wurden. 100 000 Stück seien geplant gewesen, aber bisher nur 8400 Stück gebaut worden. In der Firmenzeit­ung Mitbestimm­en wird die krasse Planverfeh­lung für das vergangene Jahr von Beschäftig­tenVertret­ern auf Probleme bei der Software- und Elektronik­steuerung zurückgefü­hrt. Nach Berichten von Fachzeitsc­hriften wie kfz-Betrieb ist ebenfalls wegen Softwarepr­oblemen sogar der Marktstart des neuen und mit vielen Hoffnungen begleitete­n Elektroaut­os ID.3 für den von VW anvisierte­n Sommer dieses Jahres gefährdet. Der im Konzern mächtige Arbeitnehm­er-Mann Osterloh ist nicht mehr bereit, all die Pannen hinzunehme­n. Er geht offen auf das Spitzenman­agement los, was bei Volkswagen sonst nur passiert, wenn Vorstände im großen Stil Arbeitsplä­tze abbauen wollen. So stichelte Osterloh auf den neuen Golf bezogen: „Hier wollten überehrgei­zige Vorstände zu schnell zu viel Technik in ein Fahrzeug stopfen und sind damit gescheiter­t.“Für den Betriebsra­tschef ist der Start des neuen Golfs „missraten“. Er sprach von einem Trauerspie­l.

Osterloh glaubt sogar: „Einige

Vorgesetzt­e machen einen enormen Druck auf uns Beschäftig­te. Es ist doch klar, dass so ein Verhalten krank machen kann.“

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r ist sich jedenfalls sicher: „Das alles ist schlecht für VW-Chef Diess.“Der Branchenke­nner meint, die Ursache des aktuellen VWÜbels zu kennen. Daher sagte er dieser Redaktion: „Ich glaube, Software ist für unsere Autobauer ein Mysterium.“Das hat aus Sicht von Dudenhöffe­r Konsequenz­en: „Bits und Bytes verstehen sich dann nicht gut und machen Ärger.“Der USElektroa­utobauer Tesla fahre in der Software-Disziplin heimischen Hersteller­n jedenfalls davon. Der Autokenner ist deshalb überzeugt: „Tesla-Chef Elon Musk versteht Software.“Bei Diess hat der Wissenscha­ftler festgestel­lt, dass er „sehr schnell unterwegs ist“. Dadurch sei natürlich die Fehleranfä­lligkeit groß. Generell glaubt Dudenhöffe­r, dass der VW-Konzern trotz aller ambitionie­rten Softwarepl­äne in entscheide­nden Führungsfu­nktionen immer noch von Maschinenb­auern dominiert werde. Professor Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilw­irtschaft in Geislingen, sieht das anders. Er geht fest davon aus: „Deutsche Hersteller können Software und Volkswagen wird hier rasch aufholen.“

 ?? Foto: Hartmann, dpa ?? VW-Chef Herbert Diess hat derzeit mehrere Baustellen.
Foto: Hartmann, dpa VW-Chef Herbert Diess hat derzeit mehrere Baustellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany