VW mutet sich zu viel zu
Es ist harte Arbeit, einen Konzern zu drehen. Ist der Konzern derart groß wie Volkswagen, kommt das einem Kraftakt über mehrere Jahre, wahrscheinlich sogar über ein Jahrzehnt gleich. Unternehmenschef Herbert Diess hat sich einen Höllenjob ausgesucht: Zunächst musste er die Trümmer des Diesel-Skandals aus dem Weg räumen lassen und zeitgleich das Unternehmen neu erfinden. So will er VW zu einem Elektroauto- und Softwarekonzern umbauen.
Diess ist Diesel-Skandal-Trümmermann und Innovationszirkusdirektor in einer Person. In der Doppelrolle verlangt der forsche Münchner seinen Führungskräften viel ab, an der ein oder anderen Stelle zu viel. Denn es knirscht im Gebälk: Manche Zirkusnummern des VW-Zampanos sind noch nicht ausgereift. Dabei verwundert es nicht, dass sich der Marktstart des Elektroautos ID.3 verzögern könnte. Dafür sollten Käufer Verständnis
haben. VW bringt mit dem E-Auto schließlich ein völlig neues Fahrzeug auf dem Markt. Nach dem Diesel-Skandal, als die kreativen Köpfe des Hauses niedergeschlagen waren, haben sie als Befreiungsschlag den ID.3 als Volks-Elektroauto ersonnen. Eine solche Revolution braucht Zeit.
Doch eine oft zelebrierte Nummer wie die Neuauflage des Klassikers Golf muss routiniert und nicht peinlich wie zuletzt über die Bühne gehen. VW bleibt hier bei den Produktionszahlen hinter den Erwartungen zurück. Das Unternehmen wollte, überehrgeizig wie Diess ist, zu viel neue Software in das Fahrzeug packen. Das rächt sich. Volkswagen wird nun vorgehalten, der US-Autobauer Tesla könne das besser. Doch der Vergleich hinkt: Die Amerikaner bauen nur Elektroautos und wenige Modelle. VW hingegen ist ein Vollsortimenter, der noch Diesel- und Benzinautos im Angebot hat. Da erfordert der Ausbau der Elektroflotte mehr Kraft. Am Ende wird VW aufholen und Erfolg haben.