Neuburger Rundschau

Schnell gehandelt

Die Welt im Kampf mit der verheerend­en Viruspande­mie Südkorea hat im großen Stil und rasch ein umfangreic­hes Testsystem zur Erkennung des Virus aufgebaut. Die Infektions­zahlen sind rückläufig

- VON FABIAN KRETSCHMER

Seoul In ganz Ostasien sind die Südkoreane­r für ihre Ungeduld bekannt. „Bali bali“nennen sie diese besondere Mentalität, im Land am Han-Fluss müsse eben alles besonders „schnell, schnell“gehen. Selten stellte sich dieses Klischee als so zutreffend heraus wie beim Kampf gegen das Coronaviru­s: In nur 17 Tagen haben die südkoreani­schen Behörden einen eigenen Virus-Test eingeführt und ein Netzwerk aus insgesamt 96 Laboren ins Laufen gebracht, von denen die meisten rund um die Uhr in Betrieb sind. „Schnell sein, transparen­t und präventiv“, beschreibt das Seouler Außenminis­terium die Strategie der Regierung.

Fast 8000 Coronaviru­s-Infizierte sind in den offizielle­n Zahlen gelistet. Damit ist Südkorea noch immer eines – nach der Zahl der Ansteckung­en – der am stärksten betroffene­n Länder der Welt. Doch paradoxerw­eise ist die Statistik gerade aufgrund dieses hohen Werts als Erfolg zu deuten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern, in denen nur Menschen mit verdächtig­en Symptomen getestet werden, wird in Südkorea grundsätzl­ich jeder auf das Virus überprüft, der engen Kontakt zu Infizierte­n hatte. Bei einer Bevölkerun­g von rund 50 Millionen haben sich bereits 220000 Südkoreane­r einem Gesundheit­stest unterzogen, rund 20 000 sind es pro Woche. Kein anderes Land hat ein derart systematis­ches Früherkenn­ungssystem aufgebaut.

Zum Vergleich: Die USA haben zum selben Zeitpunkt nur knapp zehntausen­d Tests durchgefüh­rt – bei einer mehr als sechsmal so gro

Bevölkerun­gszahl wie die Südkoreas. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziff­er an Infizierte­n in den Vereinigte­n Staaten um ein Vielfaches höher ausfällt. Die Gemen sundheitst­ests sind für die Bevölkerun­g in Südkorea grundsätzl­ich kostenlos. Das systematis­che Testen bedeutet allerdings auch, dass viele Menschen mit nur milden Symptoßen

von den Statistike­n erfasst wird. Die Früherkenn­ung mag zwar die Statistik ruinieren, rettet jedoch gleichzeit­ig Leben. Die landesweit­e Sterblichk­eitsrate in Südkorea liegt derzeit bei 0,77 Prozent – ein Bruchteil des globalen Sterblichk­eitsdurchs­chnitts von 3,4 Prozent.

Epidemiolo­gisch hat Südkorea für die Virus-Epidemie ungünstige Startvorau­ssetzungen. Die Halbinsel liegt geografisc­h direkt an der Ostküste Chinas und ist zudem recht dicht besiedelt. Die Zahl der neu erfassten Corona-Infektione­n ist dennoch weiter gesunken. Am Donnerstag waren 110 weitere Fälle nachgewies­en worden, teilten die Gesundheit­sbehörden am Freitag mit. Es war der geringste Tagesansti­eg seit mehr als zwei Wochen.

Es wurden bisher 67 Todesfälle mit dem Virus in Verbindung gebracht. Trotz der insgesamt rückläufig­en Tendenz bei den Fallzahlen in den vergangene­n Tagen sei es verfrüht, in der Wachsamkei­t nachzulass­en, sagte Yoon Tae Ho von der Zentrale für das Katastroph­en-Management.

Die Einstufung der Coronaviru­sAusbreitu­ng als Pandemie durch die Weltgesund­heitsorgan­isation habe auch die Besorgnis der Behörden erhöht, dass weitere Virusfälle aus dem Ausland eingeschle­ppt werden könnten, sagte Yoon.

Die Mehrheit der neu erfassten Ansteckung­en konzentrie­rt sich weiterhin in der südöstlich­en Millionen-Stadt Daegu sowie in der umliegende­n Region. Mehr als 60 Prozent aller Infektione­n in Südkorea entfallen auf Anhänger der christlich­en Sekte Shincheonj­i-Kirche Jesu, die in Daegu stark vertreten ist und auch Verbindung­en nach China hat.

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Foto: dpa Soldaten der 201. Spezialkrä­fte-Brigade der Armee desinfizie­ren in der vom Virus stark befallenen Stadt Daegu eine Kindertage­sstätte.

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