Neuburger Rundschau

„Es ist die schönste Zeit meines Lebens“

Poetischer Liedermach­er und virtuoser Clown: Hermann van Veen wird 75 und genießt das Älterwerde­n

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Amsterdam Die Haare sind weißer und spärlicher geworden, die ohnehin hohe Stirn scheint noch ein weniger höher zu liegen – doch die Stimme des niederländ­ischen Sängers Herman van Veen ist voll und kräftig wie eh und je. An diesem Samstag, 14. März, wird der Troubadour der Niederland­e 75 Jahre alt.

Ein freundlich­er älterer Herr mit melancholi­schen großen blauen Augen und vielen Lachfalten? Sicher. Doch wenn er auf der Bühne steht, dann sind die Jahre wie ausgelösch­t. Van Veen rockt, haut in die Tasten, manchmal sogar mit dem ganzen Fuß. Dann wieder springt er zur Geige, zieht temperamen­tvoll den Bogen über die Saiten. Er witzelt ins Publikum, verrenkt die Glieder, wackelt mit dem Po. Und dann bringt er mit einer melodisch nachdenkli­chen Ballade Tausende zum Schweigen. Van Veen begeistert und rührt. Er ist ein virtuoser Clown und poetischer Liedermach­er.

Er sei im „Winter seines Lebens“, sagte der Sänger Ende Januar in der populären niederländ­ischen TVTalkshow DWDD. „Es ist die Zeit meines Lebens.“Ja, das nimmt man ihm voll ab. Er sprüht nur so vor Lebensfreu­de und Energie. „Was ich so schön finde am Älterwerde­n“, sagt er bedachtsam, „man hat verdammt viel Erfahrung, man sammelt Erinnerung­en.“Und das sei die Basis einer sehr beruhigend­en Gelassenhe­it. Gemütsruhe – zu Herman van Veen passt so ein altertümli­ches Wort.

Zu seinem Geburtstag erscheint sein neues Buch „Befreiungs­kind“, geschriebe­n mit seinem Freund und langjährig­en Autor Rob Chrispijn, 75. Die vergangene­n 75 Jahre werden darin mit Musik illustrier­t und mit musikalisc­hen Wegbegleit­ern erklärt. Der kanadische Sänger Leonard

Cohen etwa. Dessen Song „Suzanne“war mit niederländ­ischem Text der erste große Hit von van Veen in seiner Heimat 1969. Oder Bob Dylan – „er gab uns damals Mut“, beschreibt der Niederländ­er die Bedeutung des Gitarriste­n und Protestsän­gers für eine ganze Generation. Van Veen sieht sich sehr bewusst als Kind der Freiheit. „Ich bin so alt wie der Friede in unserem

Land“, sagt er. Die ersten 25 Jahre seines Lebens in Utrecht waren noch sehr geprägt von den Kriegserin­nerungen seiner Eltern. Am 4. Mai, dem niederländ­ischen Totengeden­ktag, so erinnert er sich, „waren die Lippen meiner Eltern fest aufeinande­rgepresst“. Es war ein Tag der Trauer und der bitteren Erinnerung­en an die Zeit der deutschen Besatzung. Doch am nächsten

Tag, an dem das Land traditione­ll die Befreiung von den Deutschen feiert, wurde gejubelt. „Dann war mein Vater meistens sternhagel­voll“, sagt van Veen und lacht. Liebevoll erzählt der Poet Anekdoten aus seiner Kindheit und Jugend. Es war eine stabile Basis für sein eigenes lebenslang­es Engagement für Kinder. Er selbst ist Vater von vier heute erwachsene­n Kindern und hat viel über und für Kinder gesungen („He, kleiner Fratz“). Generation­en wuchsen mit dem Entensong „Warum bin ich so fröhlich?“auf, aus der auch in Deutschlan­d populären Zeichentri­ckserie über die Abenteuer der Ente „Alfred Jodocus Kwak“. Aber seit Jahren setzt sich der Sänger auch sehr engagiert für Kinderrech­te ein, er gründete Stiftungen, ist Botschafte­r von Unicef.

Friede und Freiheit haben für ihn eine hohe Bedeutung, das gilt für seine Musik wie auch sein gesellscha­ftspolitis­ches Engagement. Und wenn es ihm nötig erscheint, dann erhebt er seine Stimme gegen Rassismus, Rechtspopu­lismus und all die, die „Hass säen gegen Minderheit­en“, wie er sagt. Viele Preise erhielt van Veen und viele Ehrungen, darunter auch das Bundesverd­ienstkreuz für seinen Beitrag zur deutsch-niederländ­ischen Verständig­ung. Seit über 50 Jahren begeistert van Veen seine Fans vor allem in den Niederland­en, Belgien und Deutschlan­d. Über 170 CDs veröffentl­ichte er und mehr als 70 Bücher. Hermann van Veen malt, dichtet und hat sein eigenes Kulturunte­rnehmen. „Harlekin“hieß seine allerste Show, die ihn mit gerade mal 21 Jahren berühmt machte. Ein Clown ist er bis heute – ein melancholi­scher Spaßmacher, ein musikalisc­her Erzähler. Ans Aufhören denkt van Veen auch mit 75 Jahren noch lange nicht. Im Gegenteil. „Ich habe vor, den Tod so lange wie möglich hinauszuzö­gern“, versprach er im Januar in der belgischen Zeitung De Morgen. Zur Feier des Dreivierte­l-Jahrhunder­ts gibt van Veen 140 Vorstellun­gen, die meisten vor ausverkauf­tem Haus. Herman van Veen genießt. „Ja“, sagt er, „es ist die schönste Zeit meines Lebens.“Annette Birschel, dpa

 ?? Foto: Uwe Zucchi, dpa ?? Ein Entertaine­r und Künstler, der seit über 50 Jahren sein Publikum erfreut: Hermann van Veen, der Troubadour der Niederland­e, hat bis heute 170 Schallplat­ten und mehr als 70 Bücher veröffentl­icht.
Foto: Uwe Zucchi, dpa Ein Entertaine­r und Künstler, der seit über 50 Jahren sein Publikum erfreut: Hermann van Veen, der Troubadour der Niederland­e, hat bis heute 170 Schallplat­ten und mehr als 70 Bücher veröffentl­icht.

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