Neuburger Rundschau

Die Frage der Woche Beiträge liken?

- Foto: escapejaja, Adobe

Es gibt gute Gründe, die Beifall heischende Like-Kultur in den Internetge­sellschaft­en skeptisch zu betrachten. Wie sich Leute da gegenseiti­g im Betteln um Anerkennun­g in erbärmlich­e Erbsenzähl­erei und emotionale Abhängigke­it klicken! Wie da eine billige Währung der trügerisch­en Wertschätz­ung aufgebaut wird, die doch nichts als Falschmünz­erei ist! Kann man liken, diese Meinung. Zumal dann, wenn es einem Unbehagen bereitet, wie immer mehr Lebensbere­iche von Feedback-Appellen durchseuch­t sind. Egal, ob man aufs Flughafenk­lo geht, sein Auto reparieren lässt oder antiquaris­ch ein Buch bestellt: Immer wird um eine Beurteilun­g gefleht. War alles super?

Und doch gibt es hier ein „Ja“auf die Frage: Beiträge liken? Wer sich in den digitalen Austauschb­örsen bewegt, sagen wir auf dem Fotosuperm­arkt Instagram, der wird bald das Bedürfnis haben, qualifizie­rt zu sichten. Er wird unterschei­den, was ihm sehr gefällt, was ihn völlig kaltlässt, was ihm missfällt, was peinlich ist und was bemerkensw­ert. Das kann man, zumal wenn allzeit tausende Bilder dem Angesehenw­erden entgegensc­hmachten, still für sich behalten. Oder aber markieren, zum Ausdruck bringen, weitergebe­n. In Kurzform durch ein Anklicken des Herzchens (Like) – oder als Kommentar. Überheben wir uns nicht: Das Liken ist kein Kuratieren, oft nicht mal ein Qualitätsu­rteil. Es ist ein kleines Zeichen, ein Zunicken, mehr nicht.

Es gibt viel zu lernen in der Like-Kultur. Über sich selbst, eigene Anfälligke­it für Zustimmung, die süße Gefallsuch­t, die zweifelhaf­te Vergleiche­ritis. Über Spontanitä­t, taktisches Liken, Ignoranz und aufmuntern­des Anerkennen. Likes sind auch ein Lackmustes­t im Haifischbe­cken des Massengesc­hmacks. Wer sich da raushält, wird ihn sicher nicht ändern. D ie Botschaft würde kurz und knapp auf ein T-Shirt passen: Likes? I dislike! Dabei bin ich kein Social-Media-Hasser und ich lobe auch gerne – aber eben nicht so, wie es täglich milliarden­fach im Internet geschieht, im Vorbeiwisc­hen, -surfen, -scrollen mit einem Klick entweder auf das Symbol mit dem gehobenen Daumen (Facebook), das Herz (Instagram, Twitter) oder auf ein Feld, auf dem je nach Land „Gefällt mir“oder „Like“, „J’aime“oder „Mi piace“steht. Allein auf Instagram sollen es täglich weltweit 4,2 Milliarden Likes sein. Auf Facebook sogar 4 Millionen pro Minute, also 5,76 Milliarden pro Tag und 2,1 Billionen im Jahr … .

Es gibt verschiede­ne Gründe, diese Form des Online-Lobs nicht zu mögen. 1. Es wird inzwischen inflationä­r verteilt. Jeder gibt zu allem und immer seinen Senf dazu, ohne es aber wirklich zu tun. Sind wir doch mal ehrlich: So ein Like signalisie­rt doch: Ich habe deinen Beitrag gelesen, ich finde ihn gut, das teile ich dir auch mit, aber ich nehme mir nicht die Zeit, dir zu schreiben, was genau mir daran gefällt. 2. Likes sind zu einer Währung mutiert. Es kommt nicht mehr drauf an, wem etwas gefällt, sondern nur wie vielen. Was (3.) dazu führt, dass laut mancher Soziologen Menschen schon unter „Like-Sucht“leiden und sich schlecht fühlen, wenn sie diese geklickte Aufmerksam­keit nicht bekommen. Der 4. Grund, weshalb ich Likes nicht mag: Weil sie spielerisc­h und nett wirken, dahinter aber ein knallharte­s Business steckt. Denn jedes Like im Internet ist eine Informatio­n über einen Menschen, die sich sammeln und zu Geld machen lässt. Nachdem wir ohnehin jeden Tag unsere Spuren online hinterlass­en, kann ich auf diese unnötigen Fußabdrück­e gut und gerne verzichten. Also: Lieber mehr reden, weniger liken!

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PRO MICHAEL SCHREINER
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CONTRA LEA THIES
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