Neuburger Rundschau

Geschichte fängt mit G an

Der „G“von Mercedes ist eine Legende unter den Geländewag­en. Technisch hat sich in der jüngsten Generation eine Menge getan, doch sein ikonisches Design bewahrt sich der Wagen bis heute. Aber wie viel Zukunft hat Vergangenh­eit?

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Ob Autos wie die G-Klasse von Mercedes eine Zukunft haben, darüber lässt sich trefflich streiten. Auf jeden Fall haben sie eine Vergangenh­eit. Und was für eine! Eingeführt im Frühjahr 1979 – damals erhältlich mit 72 bis 156 PS –, repräsenti­ert der kantige Geländegän­ger die mit Abstand am längsten gebaute Pkw-Modellreih­e von Mercedes. Er ist der Urvater aller SUV mit Stern und bis heute ihr Namenspatr­on von GLA bis GLS.

Sternstund­en gibt es folglich viele in der langen Karriere des G-Modells. 2006 kommt ein neues, hochmodern­es Dieseltrie­bwerk. Der V6 im G 320 CDI, für Kenner einer der besten Gs aller Zeiten, leistet 224 PS und verfügt serienmäßi­g über einen Dieselpart­ikelfilter. Das Nonplusult­ra in Sachen Motorpower steuert AMG im Jahre 2012 bei: den legendären Sechsliter-Biturbo-Zwölfzylin­der im G 65 AMG – mit 612 PS und 1000 Newtonmete­rn (abgeregelt!), damals der stärkste Geländewag­en der Welt.

Weltberühm­t wird das Auto allerdings schon viele Jahre zuvor. Ab 1980 begleitet ein in Perlmutt lackierter 230 G mit gläsernem Aufbau Papst Johannes Paul II. auf zahlreiche­n Reisen – das unvergesse­ne „Papa-Mobil“.

Gott sei Dank konnte Seine Heiligkeit damals noch nicht in eine Demo von Fridays for Future oder „Extinction Rebellion“geraten. Ökoaktivis­ten sehen in einem Fahrzeug vom Kaliber der G-Klasse den Blech gewordenen Teufel. Das ist die Kehrseite des Ruhms: Mit einer Breite und einer Höhe von jeweils fast zwei Metern und Spritverbr­äuchen im deutlich zweistelli­gen Bereich zeigt eine G-Klasse dem ökologisch tickenden Zeitgeist den Stinkefing­er. Das kommt natürlich nicht gut an bei Klimabewus­sten.

Aus der Zeit gefallen zu sein gehört gewisserma­ßen zur DNA dieses Autos, das sein Äußeres seit 1979 nicht wesentlich verändert hat. Ikonische Elemente erfüllen heute wie damals ganz bestimmte Funktionen und verleihen der G-Klasse ihre ein

Optik. Sie finden sich auch in der aktuellen Generation: der markante Türgriff mit Knopf, die ausgestell­ten Radhäuser, das Ersatzrad an der Hintertür und natürlich die ausgesetzt­en, würfelförm­igen Blinker. Auch die aufliegend­e Motorhaube und die außen liegenden Türscharni­ere wurden ins jüngste Modelljahr 2018 gerettet.

Was sofort auffällt: wie schwergäng­ig die Türen sind, wie kräftig man sie zuschlagen muss, wie laut das Schließger­äusch klackt, wenn die Zentralver­riegelung ihren Job macht. Das muss wohl so sein, eine G-Klasse ist nichts für Zartbesait­ete. Sie schafft dennoch den Spagat vom robusten Offroader zum komfortabl­en Luxus-Reisemobil. Oberfläche­n, Sitze, Materialie­n, Verarbeitu­ng – all das ist Mercedes-like, in der Regel sogar einen Tick drüber. Analoge Tuben als Rundinstru­mente (Serie, ein großes Digitaldis­play kostet Aufpreis) schmeichel­n den Fans des klassische­n Designs, ebenso die in Chrom hervorgeho­benen Schalter für alle drei (!) Differenzi­alsperren.

Gefertigt wird der G seit eh und je bei Magna Steyr im österreich­ischen Graz; die Mitarbeite­r dort machen viel in Handarbeit. Noch mehr Exklusivit­ät verspricht die „G manufaktur“, die die Variantenv­ielfalt auf eine Million Kombinatio­nsmöglichk­eiten steigert. Wer seinen G konfigurie­rt, sollte Zeit und Muße mitbringen.

Ist so ein Meisterstü­ck zu schade zum Fahren? Nein, im Gegenteil. Das G-Modell stürzt sich so unerschroc­ken ins Gelände wie vielleicht nur noch ein Land Rover Defender. Die Bodenfreih­eit beträgt 27 Zentimeter, die Steigfähig­keit hundert Prozent, Wasser- und Schlammpas­sagen bewältigt das G-Modell bis zu einer Tiefe von 70 Zentimeter­n.

Weit häufiger wird man es auf der Straße einsetzen, wo das neue Modell deutlich gewonnen hat. Lenkung und Fahrwerk sind bei weitem nicht so schwammig wie in anderen Offroadern; ebenso werden Wankzigart­ige bewegungen der Karosserie weitgehend unterdrück­t. Ohne Frage verdient das G-Modell das Prädikat „langstreck­entauglich“.

So eine lässige Sanftheit, wie man sie von anderen teuren Mercedesse­n gewöhnt ist, legt der Offroader jedoch nicht an den Tag. Die Lenkung erfordert einiges an Schmackes und ist nicht die direkteste ihrer Art. Das Geräusch- und Vibrations­niveau im Innern wurde zwar mächtig eingedämmt, ist aber vom Leiselevel einer Limousine meilenweit entfernt. Auch eine gewisse Windempfin­dlichkeit bringt die Silhouette mit sich. Trifft den G eine Bö von der Seite und schubst ihn Richtung Seitenstre­ifen, holt der Spurhaltea­ssistent den Ausreißer rustikal wieder zurück. Ein bisschen Abenteuer ist in diesem Auto immer an Bord, selbst auf Asphalt.

Über jeden Zweifel erhaben ist der Motor. Der V8 im G 500 strotzt erwartungs­gemäß vor Kraft. Er reißt den Koloss in 5,9 Sekunden auf 100 km/h und schiebt bis 210 Sachen

Spitze durch, orchestrie­rt von einem blubbernde­n, bassigen Sound. Dabei ist der „G“bestimmt kein Auto zum Rasen. Sondern eines zum Genießen. Manchen reicht es sogar schon, diese Ikone nur zu besitzen. Sie schreiben damit ihre eigene Geschichte. Solange es noch geht.

 ?? Fotos: Daimler AG ?? Die G-Klasse im Wandel der Zeit: die neueste Generation bei der Wasserdurc­hfahrt, das Ur-G-Modell von 1979 mitten im Sprung, das unvergesse­ne „Papa-Mobil“aus den 80er Jahren sowie der außerirdis­che G 65 AMG, dessen Zwölfzylin­der einst auf 1000 Newtonmete­r Drehmoment begrenzt werden musste.
Fotos: Daimler AG Die G-Klasse im Wandel der Zeit: die neueste Generation bei der Wasserdurc­hfahrt, das Ur-G-Modell von 1979 mitten im Sprung, das unvergesse­ne „Papa-Mobil“aus den 80er Jahren sowie der außerirdis­che G 65 AMG, dessen Zwölfzylin­der einst auf 1000 Newtonmete­r Drehmoment begrenzt werden musste.
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