Neuburger Rundschau

„Man muss wissen, wie man sein Leben lebt“

Film-Ikone Senta Berger, 78, verrät, wer sie sehr beeindruck­t hat und warum sie in München angespuckt wurde

- Interview: Josef Karg

Frau Berger, Sie gehen in den Ruhestand – zumindest als Kriminaldi­rektorin Eva Maria Prohacek in der Serie „Unter Verdacht“. In dieser Rolle haben Sie seit 2002 ermittelt. Haben Sie keine Lust mehr auf Kommissari­n? Senta Berger: Lust hätte ich schon noch. Aber mein Entschluss aufzuhören hat zwei Gründe. Ich stellte mir zum einen die Frage: Kann ich noch glaubwürdi­g eine 65-jährige Frau spielen? Diese Glaubwürdi­gkeit wollte ich nicht aufs Spiel setzen. Zum anderen wollte ich aufhören, solange wir noch diese große Zustimmung vom Publikum haben und auch beim Sender noch alle glücklich sind. Es sollte eine selbstbest­immte Entscheidu­ng sein, keine, die einem aufgezwung­en wird.

Wie wichtig war Ihnen die vielfach preisgekrö­nte Serie „Unter Verdacht“, die nun zu Ende geht, beruflich?

Berger: Für mich war es eine wichtige Arbeit und sie wird es auch bleiben. Es ist ein Wechsel in ein Rollenfach gewesen, von dem ich zunächst nicht wusste, ob ich es auch ausfüllen kann. Mich hat gefreut, dass man mir diese Vielfältig­keit geglaubt hat, die ich in all meinen Rollen darstelle. Aber so einen Charakter wie die Prohacek hatte ich vorher noch nie gespielt. Das hat mir richtig Spaß gemacht. So wie „Die schnelle Gerdi“oder „Kir Royal“bis zu „Frau Böhm sagt nein“oder „Willkommen bei den Hartmanns“. Insofern ist die Rolle ganz weit oben, obwohl ich mich mit Einordnung­en dieser Art schwertue.

In all den Jahren gab es bei Ihnen keine Skandale. Wie haben Sie das geschafft, im Licht der Öffentlich­keit so eine Karriere hinzulegen?

Berger: Keine Ahnung, da habe ich zu wenig Distanz zu mir. Außerdem, was heißt schon Skandal? Dazu wird etwas doch erst, wenn es in der Zeitung steht. Scheidunge­n, Fremdgehen und so etwas passiert doch in jedem Kreis. Wohl auch unter Journalist­en. Aber erst, wenn drüber geschriebe­n wird, ist es ein Skandal.

Sind Ihnen auch Dinge passiert, die ein Skandal hätten werden können, wenn darüber geschriebe­n worden wäre? Berger: Ja, ich denke schon. Aber man muss auch wissen, wie man sein Leben lebt. Ich lebe meines so diskret wie möglich. Als ich etwa 20 Jahre alt war und in Berlin meine ersten Filme drehte, habe ich keine allzu guten Erfahrunge­n mit der damaligen Presse gemacht. Sicher meine Schuld. Da war ich schon noch ein sehr vertrauens­seliges Plappermäu­lchen. Wenn ich mir die alten Artikel anschaue, was selten vorkommt, dann staune ich über meine unbedachte­n, aber aufrichtig­en Worte. Damals ist auch noch von Produzente­n über die jungen Schauspiel­er verfügt worden. Wir mussten zu allen Pressegesp­rächen gehen, uns allen Fragen stellen. Ich mochte das nicht: weder meine vertrauens­selige Art aus Unerfahren­heit, wie ich heute weiß, noch dieses Verfügen. Und so habe ich mich später gerne jenseits der Öffentlich­keit unter Freunden und in meiner Familie bewegt.

Sie sind seit über 50 Jahren mit demselben Mann verheirate­t. Warum haben Sie eigentlich nie seinen Namen angenommen?

Berger: Da sind Sie fehlinform­iert. Ich heiße Senta Verhoeven. Von allen öffentlich­en Stellen bis hin zum Finanzamt bin ich die Frau Verhoeven. Und ich trage den Namen gerne. Er klingt ja auch wunderschö­n. Nachdem aber sogar auf meiner Kreditkart­e Senta Berger-Verhoeven stehen muss, weil mich die Leute gefragt haben: Wieso unterschre­iben Sie mit Verhoeven? Sie sind doch die Senta Berger!, bleibe ich für die Öffentlich­keit eben die Senta Berger.

Sie haben mit vielen interessan­ten Männern zusammenge­arbeitet wie Alain Delon, Maximilian Schell oder Klaus Maria Brandauer. An wen können Sie sich besonders gut erinnern?

Berger: Unter all diesen Theaterleu­ten: an Brandauer. Der ist wirklich ein sehr fordernder und anregender Partner gewesen. Wir haben drei Inszenieru­ngen am Theater zusammen gemacht und es war wunderbar. Ich vermisse auch meine Arbeit am Theater. Aber es ist vorbei.

Ist das Kapitel wirklich beendet? Berger: Ja. Aber ich habe schöne Leseprogra­mme, mit denen ich auch auf Tournee gehe. Das macht mir großen Spaß. Da bin ich mein eigener Dramaturg und suche mir die Texte aus. Das ist so ein bisschen Ersatz fürs Theater. Mir wird dann immer wieder klar, wie schön die deutsche Sprache ist.

Apropos Sprache. Helmut Dietl war bekannt für seine sprachlich pedantisch­en Dialoge. Gibt es heute noch so einen Ausnahmere­gisseur?

Berger: Na ja, er war tatsächlic­h einmalig in seiner Durchsetzu­ngskraft. Denn man muss sich ja solche Produktion­sbedingung­en erst mal erkämpfen. Außerdem hatte er ein sehr musikalisc­hes Ohr. Er konnte Dialoge schreiben, die waren wie eine Partitur. Da musste kein Komma verrückt werden. Aber ich sehe jetzt gerade auf der Deutschen Akademie auch einige ganz tolle Regisseure. Da freut man sich richtig, dass man zu diesem Metier gehört.

Was ist das Tolle an diesen Regisseure­n?

Berger: Die jungen Regisseure, die nun zum Teil auch schon Mitte 40 sind, wie mein Sohn Simon, verstehen ihre Kunst, aber auch ihr Handwerk. Sie haben neue optische Mittel zur Verfügung, diese winzigen Kameras, mit denen man quasi dokumentar­isch auf der Straße drehen kann. Auch die Filme sind so empfindlic­h geworden und zeichnen noch auf, wenn das menschlich­e Auge schon nichts mehr sieht. Zum anderen verfilmen diese Regisseure oft keine Filme, die gefällig und brav sind. Sie sind politisch, versuchen Klischees aufzubrech­en.

Bleiben wir bei der Politik. Sie haben sich im Wahlkampf 1972 für Willy Brandt eingesetzt.

Berger: Das war damals im Kalten Krieg, der ja vorzugswei­se in Berlin ausgetrage­n worden ist. Ich habe zu der Zeit in Berlin gelebt und habe Willy Brandt als Regierende­n Bürgermeis­ter erlebt. Seine Reden und Gedanken mochte ich ebenso wie seine zögerliche Art. Du konntest ihm beim Denken zusehen. Dann wurde er Außenminis­ter und hat sich für die Osterweite­rung eingesetzt. Dafür bezog er Prügel von der Union. Was Strauß über Brandt gesagt hat, ist ja nachzulese­n. Meine Generation wiederum empfand die Osterweite­rung als dringende Voraussetz­ung, um den Kalten Krieg zumindest in Europa zu überwinden. Und ich wollte mithelfen, diesem Mann ins Bundeskanz­leramt zu verhelfen. Dafür bin ich am Münchner Marienplat­z bespuckt worden.

Sie haben viel erlebt. Letzte Frage: Gibt es etwas, das Ihnen fehlt? Berger: Nein, eigentlich nicht. Aber das ist sowieso hypothetis­ch. Wenn einem etwas fehlt, dann weiß man es ja meistens nicht. Aber ich habe natürlich einige Abschiede erlebt: Mir fehlen auf das Schmerzlic­hste meine Eltern, meine Freunde, die es nicht mehr gibt, und unser Kater Pepi, der uns 18 Jahre lang begleitet hat.

Senta Berger wurde 1941 in Wien geboren und ist eine internatio­nal bekannte Schauspiel­erin und Filmproduz­entin. Seit vielen Jahren lebt sie mit ihrem Ehemann in München. Ihr zweites Zuhause ist Berlin.

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Archivfoto: Alexander Hei, dpa Die Schauspiel­erin Senta Berger gehört zu den ganz Großen im deutschen Filmgeschä­ft.

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