Wie er sich aus dem Burnout kämpfte
Einrichtungsleiter, Stadtrat, Vereinsvorstandsmitlied und Familienvater – irgendwann war es für Ralph Bartoschek einfach zu viel
Neuburg Es gab eine Zeit im Leben von Ralph Bartoschek, da lief er auf Hochtouren. Um 4.45 Uhr klingelte der Wecker, um 5.30 Uhr saß er am Schreibtisch in Ingolstadt. Schließlich gab es viel zu tun. In seinem Job als Einrichtungsleiter bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) musste er zwei Institutionen führen, ein Seniorenzentrum sowie eine Psychiatrieeinrichtung – zwei Chefs, zwei Budgets, zwei Personalpools mit 90 Mitarbeitern. Zu den Stadtrats- und Ausschusssitzungen saß er dann pünktlich um 17 Uhr im Neuburger Rathaus. Und es gab viele Abende in der Woche, an denen er als Stadtrat und SPDler Termine hatte, oder in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des SC Ried unterwegs war. Die Mühle lief und lief und lief. Reibungslos.
Immer mussten es 100 Prozent sein. „Wenn ich was anfange, will ich auch Erfolg sehen“, beschreibt Bartoschek seinen Charakter. Er sei auf der ständigen Suche nach Anerkennung gewesen, im Job, in der Politik, im Verein. Daneben noch eine Familie, drei Kinder, ein Haus. „Ich habe immer Vollgas gegeben.“
Irgendwann kam die Mühle ins Holpern. Erst Kopfschmerzen, dann Kopfrasen. Aspirin als ständiger Begleiter. Genauso wie der Satz: „Geht schon, macht mir nix aus!“Die Anforderungen wuchsen mit den Jahren, der Betrieb wurde größer, die Mitarbeiter mehr und das Alter kam hinzu, wie der 58-Jährige unumwunden zugibt: „Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, ob man es wahrhaben will oder nicht.“
Sein Hausarzt war es schließlich, der bei voller Fahrt und laufendem Motor die Handbremse zog. „Auf die simple Frage, wie es mir geht, und meiner Schilderung, war ihm sofort klar, dass ich kurz vor einem Burnout stehe“, erzählt der Bittenbrunner. Der Arzt schickte ihn auf Kur.
Fünf Wochen Auszeit. Fünf Wochen keine Verpflichtungen, keine Termine, kein Druck. Er trieb Sport, entspannte mit Yoga, hörte Vorträge und führte viele Gespräche. Das war im März vergangenen
Jahres. Nach dieser Zeit kam zwar kein neuer Ralph Bartoschek zurück, aber einer, in dessen Inneres ein Prozess angestoßen worden war, ein Umdenken. Heute isst er fast keine Süßigkeiten mehr und kaum mehr Fleisch, hat zehn Kilo abgenommen, geht zwei Mal pro Woche vor der Arbeit ins Fitnessstudio und zieht sich nach und nach aus seinen Ehrenämtern zurück.
Am kommenden Freitag wollte er eigentlich seinen Vorstandsposten beim SC Ried frei machen. Wegen Corona wurde die Jahreshauptversammlung nun erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben, was aber an seinem Entschluss nichts ändert. Ein Vierteljahrhundert hat er den Vorstadtverein mitgeprägt, war Trainer, Abteilungsleiter und stellvertretender Vorstand. Er war für die Spielerwechsel zuständig und hat deswegen mitunter auch böse Anfeindungen erlebt. Er hat die Gründung der JFG Ottheinrichstadt begleitet und den zweiten Trainingsplatz durchgesetzt. Doch jetzt ist Schluss. „Wenn dein Rat nicht mehr so gefragt ist, wird es Zeit zu gehen.“Bartoschek sagt das ohne Verbitterung. In der Kur hat er gelernt, die Dinge nicht mehr so wichtig zu nehmen. „Ich muss nicht mehr der große Zampano sein, der vorne dran steht“, sagt er und lacht. Ein Satz, der dem alten Ralph nur schwer über die Lippen gekommen wäre.
Heute genießt er freie Minuten, nimmt sich regelmäßig Auszeiten, in denen er zusammen mit seiner Frau Anne über das Wochenende seinen Sohn in der Schweiz besucht oder zum Kurzurlaub an den Gardasee fährt. „Früher bin ich im Urlaub nur rumgelegen, weil ich dachte, ich muss mich erholen“, berichtet er. Heute wird geradelt und gewandert. Und warum macht er die Politik noch weiter? Gerade wurde er nach einem anstrengenden Wahlkampf als Stadtrat wiedergewählt. Bartoschek sagt: „Ich muss schon gefordert sein. Mein Beruf und das Stadtratsmandat geben mir positive Energie.“Eine wichtige Erkenntnis, die der 58-Jährige machen musste: erkennen, was tut mir gut und was nicht.