Ist der „Flügel“Geschichte?
Das bedeutet die Auflösung der AfD-Gruppe
Berlin Der Rechtsaußen-„Flügel“der AfD hat sich aufgelöst. Offiziell und ohne Wenn und Aber. Künftig gibt es keine „Flügel-Obleute“in den Ländern mehr, keine bierseligen Kyffhäusertreffen mit Fahnenschwenken und Ordensverleihung. Auf der Website der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Gruppierung sind sogar die Tassen mit dem „Flügel“-Logo verschwunden ebenso wie die T-Shirts mit dem Konterfei von „Flügel“-Gründer Björn Höcke.
Der „Flügel“sei 2015 aus der Auseinandersetzung mit dem inzwischen ausgeschiedenen Parteichef Bernd Lucke entstanden, sagt der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland nun. Die Gruppierung habe „sich daher in gewisser Weise heute überholt“. Mit der offiziellen Auflösung sei klar: „Es gibt dann keine Parallelstrukturen mehr in der Partei.“Wenige Stunden zuvor hatten Thüringens AfD-Landeschef Höcke und Brandenburgs AfDVorsitzender Andreas Kalbitz ihre Mitstreiter öffentlich aufgefordert, „bis zum 30. April ihre Aktivitäten im Rahmen des Flügels einzustellen“. Die beiden Führungskräfte des informellen Netzwerks kamen damit einer Aufforderung des Bundesvorstands nach.
Gauland, der mit Alice Weidel die Bundestagsfraktion leitet, galt lange als eine Art Schutzpatron der Strömung. Im Bundesvorstand hat er als Ehrenvorsitzender zwar kein Stimmrecht. Doch zur Sitzung am vergangenen Freitag reiste der 78-Jährige ungeachtet der CoronaPandemie an. Nach Angaben von Teilnehmern sprach er sich dagegen aus, Höcke und Kalbitz in die Enge zu treiben. An die Adresse der AfDMitglieder sagt er: „Wir sollten jetzt alle sehr vorsichtig sein mit irgendwelchen verbalen Auslassungen.“Die „Flügel“-Anhänger seien schließlich „nicht unsere Gegner“.
Dass der Verfassungsschutz den „Flügel“am 12. März zum Beobachtungsobjekt erklärte und als rechtsextreme Bestrebung einstufte, ist nicht der einzige Grund, weshalb der innerparteiliche Druck zuletzt so massiv wurde. Für die, die diesen Druck erzeugt haben, ist mit der Selbstauflösung auch noch nicht Schluss. Argwöhnisch beobachten einige AfD-Mitglieder, was sich auf einer neuen Facebook-Seite mit dem Namen „Nationalkonservative Wertegemeinschaft“tut. Mancher vermutet, dass „Flügel“-Treffen künftig einfach unter anderem Namen stattfinden – etwa als „patriotisches Sommerfest“.
Und auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist mit der Selbstauflösung nicht aus der Welt. Der Vorsitzende des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums, Armin Schuster (CDU), sagt: „Die Menschen, die sich rassistisch oder antisemitisch äußern, die sind ja noch da in der Partei. Womöglich werden sie auch die Kontakte, die zu der Einstufung als Beobachtungsfall beigetragen haben, weiter pflegen.“
Anne-Beatrice Clasmann, dpa