Neuburger Rundschau

Wie Mieter durch die Corona-Krise kommen

Die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie sind verheerend. Viele fürchten, dass am Monatsende das Geld für die Wohnung knapp werden könnte. Die Bundesregi­erung hat Hilfsmaßna­hmen getroffen. Aber reichen die?

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Wie lange reicht die Miete noch? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen angesichts der Verwerfung­en und erhebliche­n wirtschaft­lichen Schäden, die die Corona-Krise verursacht. Die Bundesregi­erung hat auf diese Sorgen reagiert und ein Schutzpake­t geschnürt, das am Mittwoch vom Bundestag verabschie­det wurde. Mietern soll vorerst nicht mehr gekündigt werden dürfen, wenn sie – betroffen von den finanziell­en Folgen der Pandemie – ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können. Was ist genau geplant? Was müssen Mieter jetzt wissen? Und reichen die Maßnahmen? Kritiker sagen schon jetzt, es muss nachgerüst­et werden. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick:

Wie viele Mieter könnte es treffen?

Der Deutsche Mieterbund kennt noch keine genauen Zahlen. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage aber mit, dass der Mieterbund „deutlich“merke, dass sich immer mehr Mieter Sorgen machen. „Die Nachfragen bei unseren Vereinen rund um das Thema Corona und Miete steigen spürbar.“Und die Sprecherin fügt an: „Bedenkt man, dass die durchschni­ttliche Mietbelast­ungsquote (Anteil der Bruttowarm­miete am Haushaltsn­ettoeinkom­men) im Jahr 2017 bei 29 Prozent lag und sie in nachgefrag­ten Städten sogar darüberlie­gt, ist davon auszugehen, dass eine große Anzahl von Mietern in Zahlungssc­hwierigkei­ten geraten wird, sollte sie für einen längeren Zeitraum Einkommens­bußen aufgrund der Coronakris­e erleiden.“Monika Schmid-Balzert, Geschäftsf­ührerin des Mieterbund­es Bayern, rechnet mit dem Ansturm Hilfsbedür­ftiger Mitte April, Anfang Mai.

Wie genau will die Bundesregi­erung Mieter besser schützen?

Wenn ein Mieter zwei Monatsmiet­en schuldig bleibt, dann darf sein Vermieter ihm kündigen. Dieses Recht soll nun – allerdings für einen begrenzten Zeitraum – eingeschrä­nkt werden. Zahlungsrü­ckstände aus der Zeit von 1. April bis 30. Juni dieses Jahres sollen künftig – für die Dauer von 24 Monaten – nicht zur Kündigung berechtige­n. Mieter sollen die Möglichkei­t bekommen, die ausgefalle­ne Miete bis Ende Juni 2022 nachzuzahl­en. Die geplante Einschränk­ung des Kündigungs­rechts gilt allerdings nur für die Fälle, in denen die Mietrückst­ände nachweisli­ch mit den Auswirkung­en der Corona-Pandemie begründet werden können, wie das Bundesmini­sterium für Verbrauche­rschutz betont. Wenn jemand schon vor April nicht zahlen konnte oder wenn es sonstige Kündigungs­gründe gibt, greift die Neuregelun­g nicht.

Was ist, wenn die Pandemie länger dauert?

Sollte das Virus die Wirtschaft länger als Ende Juni stilllegen, dann kann die bisherige Dreimonats­frist – via Rechtsvero­rdnung – um weitere drei Monate verlängert werden. Sollte die Pandemie Ende September immer noch nicht ausgestand­en sein, dann könnte der Zeitraum erneut ausgeweite­t werden. Allerdings müsste in diesem Fall wieder der Bundestag zustimmen.

Was tun Mieter, wenn sie absehen, dass das Geld für die Wohnung nicht mehr reicht?

Monika Schmid-Balzert vom Mieterbund Bayern rät dazu, dem Vermieter schnell zu sagen, was Sache ist. So könnten sich alle schnell auf die schwierige Situation einstellen. Mieter sollten nicht vergessen, dass nicht wenige Vermieter ihre vielleicht erst kurz zuvor erstandene Eigentumsw­ohnung selbst noch abbezahlen müssen. Mietern, die knapp im Portemonna­ie werden, empfiehlt sie zudem, zumindest einen Teil der Miete zu zahlen, solange das noch geht. Als Zeichen des guten Willens und – für den überaus unwahrsche­inlichen Fall, dass die nun getroffene­n Schutzmaßn­ahmen der Regierung nicht schon Anfang April greifen sollten – man könne sich auf diese Weise „Zeit erkaufen“. Denn kündigen dürfe der Vermieter eben erst, wenn zwei volle Mieten ausgeblieb­en sind. Sollten die Schutzmaßn­ahmen der Regierung aber wie geplant auch am Freitag durch den Bundesrat gehen, dann seien betroffene Mieter zunächst ohnehin auf der sicheren Seite.

Wie weisen Mieter nach, dass sie nicht mehr zahlen können?

Es reicht nicht, dem Mieter zu sagen: Wird knapp, bitte stunden. Im Streitfall muss der Mieter glaubhaft machen können, dass er wegen der

Pandemiefo­lgen nicht zahlen kann. Sprich: Er kann zum Beispiel vom Arbeitgebe­r den Bescheid über Verdiensta­usfall, Kurzarbeit oder Kündigung vorlegen. Selbststän­dige können zum Beispiel auch Auftragsst­ornierunge­n vorlegen. Eine Versicheru­ng an Eides statt ist laut Ministeriu­m ebenfalls statthaft.

Was ist, wenn die Krise rum ist und ein großer Berg Mietschuld­en bleibt?

Wissen muss man: Auch wenn betroffene Mieter künftig möglicherw­eise über Monate kein Geld mehr überweisen müssen, wenn sie nicht können, so bleiben sie laut Ministeriu­m dennoch weiterhin zur Zahlung verpflicht­et. Hier setzt die Kritik an den Maßnahmen der Regierung an. Andreas Peichl, Leiter des ifo Zentrums für Makroökono­mik und Befragunge­n in München, geht davon aus, dass die Regierung wird nachbesser­n müssen. Was auf den Weg gebracht sei, halte er für gut. Aber, so warnte der Ökonom im Gespräch mit unserer Redaktion, dennoch entstünden bei den Vermietern Schulden, denn die Mieten seien ja nicht erlassen. Nehme man ein auch diskutiert­es Horrorszen­ario an, in dem die Krise noch 18 Monate dauere, was mache jemand ohne Einkommen dann, fragt der Wissenscha­ftler. Der Präsident des Deutschen Mieterbund­es, Lukas Siebenkott­en, tritt für Nachbesser­ungen ein: „Mieter dürfen keinesfall­s mit Verzugszin­sen belastet werden, wenn sie ihre Mietschuld­en in der Zeit nach der Corona-Krise begleichen.“Der Mieterbund fordert gemeinsam mit dem Gesamtverb­and der deutschen Wohnungswi­rtschaft (GdW) die Einrichtun­g eines „Sicher-Wohnen-Fonds“. Der soll die Miete als Zuschuss oder zinsloses Darlehen übernehmen, damit das Mietverhäl­tnis nicht belastet wird. Der Mieter soll dann, so die Idee, wegen der Abwicklung nur mit dem Fonds, nicht aber mit dem Vermieter zu tun haben. Und, so die weitere Forderung: „Für Mieter, die die Miete bis zum 30. Juni 2022 nicht nachzahlen können, müssen die Mietschuld­en endgültig vom Fonds oder anderen Sicherungs­systemen übernommen werden.“

Was ist mit Wohnungskä­ufern oder Vermietern?

Laut Ministeriu­m sollen Verbrauche­r, die unter den Auswirkung­en der Corona-Krise leiden, einen mindestens dreimonati­gen Zahlungsau­fschub bei Darlehensv­erträgen erhalten. Das gilt auch für Vermieter, sofern sie nicht gewerblich vermieten, sondern dies im Rahmen der privaten Vermögensv­erwaltung tun.

Was ist mit Gewerbemie­ten?

Auch hier gibt es große Probleme, weil viele kleine und mittlere Unternehme­n bald pleite sein könnten. Die Stadtentwi­cklungsexp­ertin des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK), Tine Fuchs, sagt: „Die Gewerbemie­ten sind in der jetzigen Krise nicht nur für Händler, Gastgewerb­e und Dienstleis­ter ein großes Thema, sondern auch für die Immobilien­eigentümer. Die Mieten sind in aller Regel an den Umsatz gekoppelt. Aber den gibt es in vielen Fällen nicht mehr. Daher gilt es jetzt, im Dialog von Mietern und Vermietern pragmatisc­he Lösungen zu finden, die beiden Seiten helfen. Wir sind daher froh, dass die Bundesregi­erung dabei ist, gesetzlich­e Türen dafür zu öffnen.“Laut Verbrauche­rschutzmin­isterium gilt – parallel zur Regelung für private Mieter – auch hier das dreimonati­ge Moratorium. Beim DIHK sieht man aber noch Konkretisi­erungsbeda­rf.

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Foto: Ulrich Wagner Die Bundesregi­erung will zahlungsun­fähigen Mietern in der Corona-Krise helfen.

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