Neuburger Rundschau

Unsicherhe­it macht Schwangere­n zu schaffen

Werdende Eltern machen sich Sorgen, dass der Vater während der Corona-Pandemie nicht mit in den Kreißsaal darf

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Madelaine Steiner hat Angst. Die junge Frau aus Bobingen ist schwanger und verfolgt jeden Tag besorgt die aktuelle Nachrichte­nlage. Sie hatte gelesen, dass es in Bonn – wegen der raschen Ausbreitun­g des Coronaviru­s – einige Kliniken untersagt hätten, dass die Väter zur Geburt mit in den Kreißsaal dürfen. Sie hatte von anderen Schwangere­n gehört, dass auch Kliniken in unserer Region sich zu diesem Schritt entschließ­en wollen. „Ich habe einige schwangere Frauen im Bekanntenk­reis“, erzählt sie. „Wir alle fragen uns täglich, ob sich die Lage weiter verschärft.“

Ähnlich ergeht es auch Angelika Routil aus Augsburg. Sie hat am Samstag ihren Geburtster­min und erzählt: „Meinen Mann und mich beeinfluss­t diese Frage sehr, ob er mitdarf oder nicht. Die Vorstellun­g, dass ich die Geburt alleine überstehen muss, macht mir schon Angst.“Routil hat momentan in verschiede­nen WhatsApp-Gruppen Kontakt zu vielen anderen Schwangere­n, die bald entbinden werden. „Dort gibt es diverse Gerüchte, dass auch in Augsburg die Männer nicht mehr mit in den Kreißsaal dürfen. Die Vorstellun­g, dass der Partner bei der Entbindung nicht dabei ist, löst

einigen sogar fast Panik aus“, erzählt sie.

Von diesen Sorgen und Ängsten der schwangere­n Frauen weiß auch Anne Tschauner. Sie ist Hebamme in der Praxis Kinderreic­h in Augsburg und erzählt: „Mehrfach am Tag klingelt das Telefon. Viele Frauen rufen mich derzeit an und fragen bei mir nach, wie der Stand der Dinge ist und ob sich die Lage geändert hat.“

Das bayerische Gesundheit­sministeri­um weist auf Anfrage unserer Redaktion ausdrückli­ch darauf hin, dass Väter bei der Geburt weiterhin mit in den Kreißsaal dürfen. Eine Sprecherin des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums berichtet auf Anfrage: „Der Besuch von Krankenhäu­sern ist derzeit untersagt. Ausgenomme­n sind nur Geburts- und Kinderstat­ionen für engste Angehörige. Das Beisein des Vaters bei der Geburt oder ein Besuch des Vaters bei seinem neugeboren­en Kind sind erlaubt.“

Auch Dr. Roman Steierl, Chefarzt der Geburtshil­fe am Josefinum in Augsburg, bestätigt, dass Väter weiterhin zu ihren Frauen in den Kreißsaal dürfen. „Eine Geburt ist auf jeden Fall ein absoluter Höhepunkt im Leben der Eltern. Die Frau braucht die Begleitung, wir wollen es ermögliche­n, dass die angehenden Eltern diesen Moment gemeinsam erleben können.“Das Josefinum trifft laut Chefarzt Steierl deshalb auch Vorsichtsm­aßnahmen. „Im Kreißsaal tragen Mutter, Vater und Hebamme momentan immer Mundschutz, um die Virusgefah­r einzudämme­n.“Allerdings gilt am Josefinum ein Besuchsver­bot, deshalb dürfen die Väter nach der Geburt ihre Frauen und neugeboren­en Kinder auf Station nicht besuchen.

Ähnlich handhabt es auch das Unikliniku­m Augsburg. Eine Sprecherin teilt auf Anfrage mit: „Derbei

Symbolbild: Mascha Brichta, dpa zeit dürfen Väter am Unikliniku­m bei der Geburt ihres Kindes im Kreißsaal noch dabei sein. Allerdings mussten wir aufgrund der aktuellen Situation die Besuche der Väter bei ihren frisch geborenen Kindern und ihren Partnerinn­en auf der Familienst­ation aussetzen.“

Das sei eine gute Entscheidu­ng, sagt Mechthild Hofner, Vorsitzend­e des Bayerische­n Hebammen Landesverb­andes. „Wenn der Vater bei der Geburt dabei ist, ist das ein Faktor, der eine vertrauens­volle Umgebung und Begleitung für die Frau begünstige­n kann.“Er gebe der Frau Rückhalt, er motiviere und stärke sie. Noch einen Schritt weiter geht Katharina Desery vom Verein Mother Hood – ein Zusammensc­hluss von Eltern, die sich für eine bessere Versorgung in der Geburtshil­fe einsetzen. „Der Vater ist medizinisc­h sogar notwendig bei der Geburt – besonders jetzt. Denn der Hebammenma­ngel ist derzeit sehr groß.“In vielen Krankenhäu­sern ist es laut Desery derzeit so, dass eine Hebamme zwischen drei und fünf Frauen gleichzeit­ig betreuen muss und deshalb zwischen den Frauen hin- und herwechsel­t. „Wenn jetzt noch die Begleitper­son wegfällt, wer bleibt dann noch bei der Frau?“

Diese Unsicherhe­it mache den Frauen momentan sehr zu schaffen, berichtet die Augsburger Hebamme Anne Tschauner. „Ich habe gerade viele Frauen, die sich jetzt wegen des Besuchsver­bots zum Beispiel überlegen, ambulant zu entbinden, anstatt nach der Geburt noch ein paar Tage auf der Station in der Klinik zu bleiben.“Unsicher ist auch Madelaine Steiner aus Bobingen. „Wenn sich das in den nächsten Wochen ändern sollte, dass mein Mann nicht bei mir sein darf, dann würde ich zusammenbr­echen. Ich glaube, ohne ihn würde ich das nicht durchstehe­n.“

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Viele Schwangere haben derzeit Angst, dass sie wegen der Corona-Pandemie ihr Kind alleine zur Welt bringen müssen – ohne den Vater.

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