„Wir müssen die Abstände einhalten“
FCA-Trainer Heiko Herrlich spricht über das Training während der Corona-Krise, wie seine Spieler damit umgehen und wie sehr ihm sein Glaube hilft
Herr Herrlich, wie erleben Sie gerade die aktuelle Situation inmitten der Corona-Krise?
Heiko Herrlich: Es ist eine eigenartige Situation, denn eigentlich möchtest du als Trainer, der neu zu einer Mannschaft kommt, viele Dinge anschieben, Feuer und Leidenschaft im Training und natürlich in den Spielen im Stadion entfachen. Aber das alles geht jetzt nicht, weil der Gesundheitsschutz selbstverständlich an allererster Stelle steht. Dennoch wollen wir das Beste aus der Situation machen.
Ist es überhaupt sinnvoll, jetzt schon wieder auf den Platz zurückzukehren, da noch eine Spielpause bis mindestens 30. April droht? Gibt es vielleicht ein Umdenken, wieder auf individuelles Training umzustellen?
Herrlich: Jeder Fußballer möchte doch den Ball am Fuß haben und den Rasen spüren. Läufe, Kraftund Stabilisationstraining gehören natürlich auch dazu, doch am Ende ist es wichtig, das richtige Gefühl auf dem Platz zu haben, Laufwege und Automatismen einzuspielen. Wir passen unser Training und die Inhalte immer wieder an die aktuellen Gegebenheiten an. Auch mit einer Verschiebung eines möglichen Starttermins wissen wir noch nicht, wann es genau weitergehen wird. Daher kann ich jetzt auch noch nicht sagen, wie wir in den nächsten Wochen trainieren werden.
Wie gestalten Sie die Einheiten? Herrlich: Der Gesundheitsschutz hat höchste Priorität. Daher trainieren wir in Gruppen zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedlichen Plätzen und wir achten penibel darauf, dass Abstände eingehalten werden und es zu keinen Situationen kommt, in denen die Distanz zwischen den Spielern zu gering wird. Wir machen Übungsformen, keine Spielformen, Zweikämpfe sind also tabu. Aber auch mit Passformen und Läufen mit Ball kann man intensiv und im Detail trainieren. Darüber hinaus nutzen wir verschiedene Räumlichkeiten im Stadion als Kabinen, reinigen und desinfizieren diese nach jeder Gruppe, um so den bestmöglichen Schutz vor einer Ansteckung zu bieten.
Wie erleben Sie Ihre Spieler? Stellen Sie auch bei ihnen Angst oder Sorgen fest?
Herrlich: Die Spieler nehmen die Situation an. Auch für sie ist es eine außergewöhnliche Situation, die sie noch nie erlebt haben. Selbstverständlich machen sie sich auch Sorgen um die Gesundheit und die Gesundheit ihrer Liebsten, die eventuell einer Risikogruppe angehören.
Da geht es den Spieler wie mir und wahrscheinlich jedem anderen Menschen auch.
Ihre sportlichen Planungen wurden durch die Corona-Krise zunichtegemacht. Wie versuchen Sie, die Mannschaft kennenzulernen und auf die wichtige Saisonendphase – falls sie stattfindet – vorzubereiten?
Herrlich: Ich bin ein positiv denkender Mensch und daher sehe ich es nun als Chance an, die Mannschaft und jeden einzelnen Spieler in einer außergewöhnlichen Situation zu erleben und diese gemeinsam mit ihr zu meistern. Das ist eine Herausforderung für jeden von uns, die wir aber gemeinsam angehen. Gerade in der Dynamik, die in der Entwicklung rund um die Ausbreitung des Coronavirus steckt, ist es äußerst schwer, für einen Tag X zu planen, von dem man noch nicht weiß, wann er sein wird. Aber auch das werden wir bestmöglich hinbekommen.
Bundesligaprofis und -trainer haben eine privilegierte Stellung. Müssen Sie auch in dieser Phase als Vorbild vorweggehen und zum Beispiel spenden oder auf Gehalt verzichten? Herrlich: Es gibt viele Menschen in privilegierten Stellungen, nicht nur Fußballer und Trainer. Ich denke, dass es in einer solchen Situation wichtig ist, solidarisch zu sein und gemeinsam zu schauen, wie die Situation gelöst werden kann. Ich bin in ständigem Austausch mit unseren Geschäftsführern Stefan Reuter und Michael Ströll. Aber Sie werden Verständnis haben, wenn ich nicht von den Inhalten dieser Gespräche berichten werde.
Sie haben bis zuletzt in Österreich in Kufstein gewohnt. Ist Ihre Familie mit nach Augsburg gekommen?
Herrlich: Aktuell wohne ich noch im Hotel. Ich bin aber bereits auf der Suche nach einer Wohnung in Augsburg.
Hilft Ihnen in solchen außergewöhnlichen Situationen wie gerade Ihr Glauben? Wie leben Sie ihn aus?
Herrlich: Der Glaube ist eine sehr persönliche Sache. Mir gibt er Kraft, Dankbarkeit und Demut. Ich reduziere ihn aber nicht auf eine außergewöhnliche Situation, wie wir sie gerade aktuell erleben, sondern empfinde ihn tagtäglich als Stütze und habe trotz der Situation ein Gottvertrauen.
● Heiko Herrlich ist seit 10. März Trainer beim FC Augsburg. Seitdem hat wegen der Corona-Krise kein Spiel stattgefunden. Zuvor trainierte der 48-Jährige Bayer Leverkusen. Als Stürmer brachte er es auf 258 Partien in Liga eins. (AZ)