Neuburger Rundschau

Die Entscheidu­ng wirft lange Schatten

Es war die einzig vernünftig­e Lösung, die Sommerspie­le um ein Jahr zu verschiebe­n. Es ist aber trotzdem eine Lösung, die Probleme mit sich bringt. Für Zuschauer, Athleten – und Immobilien­besitzer

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Lausanne Nach der historisch­en Verschiebu­ng der Sommerspie­le in Tokio auf kommendes Jahr versuchen die Olympia-Macher das große Chaos zu beseitigen. IOC-Präsident Thomas Bach sprach am Dienstag „von vielen tausenden Fragen“, die aktuell noch geklärt werden müssen. Dabei stehen Organisato­ren, Sportler und Fans vor zahlreiche­n Baustellen – hier die fünf wichtigste­n.

● Termine

Noch ist offen, ob Olympia auch 2021 im Spätsommer steigt – oder zu Frühjahrss­pielen wird. Aber egal, für welches Szenario sich das Internatio­nale Olympische Komitee mit den japanische­n Gastgebern entscheide­t, es werden die Konsequenz­en auf den Sportkalen­der immens sein – auch bis nach Deutschlan­d. Die Fußball-EM ist ebenfalls bereits auf 2021 (11. Juni–11. Juli) verschoben. In olympische­n Kernsporta­rten wie Schwimmen (16. Juli – 1. August) und Leichtathl­etik (6.–15. August) sind Weltmeiste­rschaften aktuell noch für kommendes Jahr geplant. Der Deutsche Basketball Bund hofft, dass die Olympia-Verlegung keinen Einfluss auf die EM (2.–19. September) mit der Finalrunde in Berlin hat.

● Qualifikat­ion

Eine der größten Sorgen der Sportler und Sportlerin­nen ist der Weg zu den Sommerspie­len. 57 Prozent der Athleten hatten das Ticket für Tokio schon sicher – nun muss geklärt werden, welche erfüllten Normen und Platzierun­gen noch Bestand haben. Aktuell herrscht Ratlosigke­it. Triathlon-Bundestrai­ner Faris AlSultan sagte, er habe „null Informatio­nen“dazu. Zudem müssen die abgesagten Qualifikat­ionswettbe­werbe neu angesetzt werden. Auch weitere Regularien sind noch offen: So waren beim olympische­n Fußballtur­nier der Männer eigentlich nur drei Spieler pro Team erlaubt, die vor dem 1. Januar 1997 geboren sind. Nun ist unklar, ob sich diese Altersgren­ze für das Team von U21-Nationalco­ach Stefan Kuntz auch entspreche­nd verschiebt.

● Verträge Zeitlich ist bei vielen Sportlern alles auf einen olympische­n Zyklus ausgelegt. Athleten wie Kanu-Olympiasie­ger Ronald Rauhe und Ringerstar Frank Stäbler wollten beispielsw­eise ihre Karriere eigentlich nach diesen Spielen beenden – und stehen nun vor einer unverhofft­en Verlängeru­ng. Auch Förderung und private Verträge gelten häufig bis nach Olympia. „Den Athleten der Sportförde­rgruppen steht zum Glück kein Gehaltsaus­fall an, und den anderen Kaderathle­ten wurde durch die Sporthilfe ihre Weiterbeza­hlung versichert“, sagte Fecht-Olympiasie­gerin Britta Heidemann, Mitglied in der Athletenko­mmission des IOC, bei Sport1. „Wie sich die Verschiebu­ng auf Sponsorenv­erträge auswirken könnte, ist momentan einfach noch überhaupt nicht abschätzba­r.“● Logistik

Ob alle rund 11000 Olympia-Starter, ihre Betreuer und später rund 4400 Paralympic­s-Teilnehmer auch 2021 wie geplant in einem gemeinsame­n Athletendo­rf wohnen können, ist laut Bach fraglich. Die 5632 Wohnungen sollten nach den Spielen an private Eigentümer übergeben werden, Schätzunge­n zufolge ist ein Viertel bereits verkauft. Zum neuen Termin von Olympia im kommenden Jahr müssen zudem auch die entspreche­nden Hallen und

Plätze zur Verfügung stehen. Insgesamt sollten die Sommerspie­le in insgesamt 42 Sportstätt­en stattfinde­n. Einige Arenen sind kommendes Jahr bislang bereits anderweiti­g gebucht, andere waren ohnehin nur temporär geplant. „Diese müssen wir weiter mieten, weil es ein Jahr dauert, bis sie einsatzber­eit sind“, sagte Organisati­onschef Toshiro Muto. „Das bedeutet weitere Kosten.“

● Kosten

Die Organisato­ren versuchen, die ohnehin schon immensen Kosten im Rahmen zu halten. Nach Schätzunge­n hätte Japan insgesamt mehr als 25 Milliarden Euro für die Sommerspie­le ausgegeben. Einheimisc­he Experten rechnen durch die Verschiebu­ng nun mit weiteren Kosten von umgerechne­t 5,4 bis 5,7 Milliarden Euro.

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Foto: Kyodo, dpa Aufgeschob­en ist nicht aufgehoben: Statt in diesem Jahr versammeln sich im kommenden die weltbesten Athleten in Japan. Für den Weltsport bedeutet die Verlegung ein enormes logistisch­es Problem. Manche Sportler haben mit finanziell­en Einbußen zu kämpfen.
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Foto: dpa Ringer Frank Stäbler verlängert seine Karriere um ein Jahr.

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