Neuburger Rundschau

Das Bühnenlebe­n steht still

Sepp Egerer verdient seinen Lebensunte­rhalt mit Auftritten vor Publikum. Und auch das Neuburger Volkstheat­er ist auf Eintrittsg­elder angewiesen. Doch das Bühnenlebe­n steht still – auch heute, am Welttag des Theaters

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Sepp Egerer verdient seinen Lebensunte­rhalt mit Auftritten vor Publikum. Wie viele andere Künstler sieht er wegen des Coronaviru­s seine Existenz bedroht.

Neuburg Es gibt viele Verschwöru­ngstheorie­n über das Coronaviru­s, aber kennen Sie die schon: Das Virus ist eine Schöpfung von Anhängern der DDR, die die alten Verhältnis­se wiederhers­tellen wollen. Klingt haarsträub­end? Ja. Und irgendwie auch witzig. Diese These haben Sepp Egerer und Jörg Sachse aufgestell­t. In zehn kurzen YouTube-Videos geben die beiden Schauspiel­er als Mitarbeite­r der Staatssich­erheit Dienstanwe­isungen, wie sich der Bürger verhalten soll. Die Videos seien aus der Not heraus entstanden, wie Egerer erzählt. Denn wie so viele freischaff­ende Künstler ist auch der Neuburger derzeit arbeitslos, seine Existenz bedroht.

Seit das Coronaviru­s die Bundesrepu­blik erreicht hat, finden keine Veranstalt­ungen mehr statt. Inzwischen gibt es bekanntlic­h sogar Ausgangsbe­schränkung­en. Dadurch brach bei Menschen, die ihren Lebensunte­rhalt mit Bühnenshow­s vor Publikum bestreiten, plötzlich die Erwerbsgru­ndlage weg. „Mir fehlt meine Einnahmequ­elle“, sagt Sepp Egerer – und klingt am Telefon deutlich niedergesc­hlagener als sonst. Doch der 47-Jährige trägt’s mit Fassung, sieht das Positive. „Wir gehen jetzt Projekte an, die wir sonst immer auf die lange Bank geschoben haben.“Wie zum Beispiel YouTube-Videos. Sepp und Kerstin Egerer haben unter dem Titel „Mensch Egerer dich nicht“einen eigenen Kanal auf der Internetpl­attform YouTube. Dort wollen sie demnächst für Kinder Fünf-Minuten-Märchen in Form szenischer Lesungen präsentier­en, erzählt Sepp Egerer. Bisher hätten sie nie die Zeit gehabt, den Kanal richtig zu pflegen. Das soll sich jetzt ändern. Sodass der Kanal irgendwann, wenn er genug Abonnenten hat, zu einer Einnahmequ­elle werden kann.

Ein anderes Projekt, für dessen Umsetzung bislang die Zeit fehlte, ist ein Hörspiel. Kerstin und Sepp Egerer nehmen gerade das Hörspiel zu „Der kleine Zimperlump“auf, ein Theaterstü­ck, das erst kürzlich im Neuburger Stadttheat­er Premiere feierte. Obwohl die Produktion noch gar nicht fertig ist, hilft sie den Egerers bereits finanziell. Denn viele Fans würden die CD bereits bestellen und den Neuburger Künstlern das Geld vorab überweisen. „Es ist schön, dass die Menschen uns vertrauen, dass sie ein tolles Produkt bekommen“, sagt Sepp Egerer. Er hofft, dass die CDs in zwei bis drei Wochen ausgeliefe­rt werden können. Die Hörspielpr­oduktion ist für die Egerers aber nicht nur eine alternativ­e Einnahmequ­elle, es macht ihnen auch Spaß. „Es war das erste Mal. Und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein“, verspricht Sepp Egerer.

Ja, es sind harte Zeiten für freischaff­ende Künstler wie die Egerers. Denn auch wenn sie zurzeit nicht auftreten können, müssen sie trotzdem ihre Rechnungen begleichen – etwa den Beitrag zur Künstlerso­zialkasse und die Miete, so Sepp Egerer. Einen Soforthilf­eantrag bei der Staatsregi­erung habe er

gestellt, doch Rückmeldun­g sei keine gekommen. Bleibt die Ungewisshe­it: Ist der Antrag überhaupt eingegange­n? Wird er Unterstütz­ung bekommen? Sepp Egerer weiß es nicht. Und bei allen finanziell­en Sorgen stimmt den Neuburger auch noch etwas anderes traurig: Er vermisst sein Publikum. Über soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Twitter bleibt er mit seinen Fans in Kontakt. Wenn der 47-Jährige dort Kommentare zu seinen Videos liest, baut ihn das wieder ein bisschen auf.

Doch nicht nur Profis, auch Amateursch­auspieler trifft die CoronaKris­e mitten ins Herz. Das Neuburger Volkstheat­er, bei dem auch Kerstin und Sepp Egerer mitwirken, hätte heuer zu Ostern eigentlich „Romeo und Julia“aufgeführt. Nun sind alle Vorstellun­gstermine abgesagt. Dabei hatte das Volkstheat­er bereits einiges an Geld in die Inszenieru­ng gesteckt, berichtet Daniela Zimmermann, Vorsitzend­e des Neuburger Volkstheat­ers. Der Verein hatte extra eine Trainerin für Bühnenkämp­fe engagiert. „Romeo und Julia“soll nun im Frühjahr 2021 gezeigt werden.

Noch ungewiss ist, was aus der großen Freilichta­ufführung von „Don Camillo und seine Herde“im Sommer wird. Premiere soll am 26. Juni sein. Ob der Termin eingehalte­n werden kann, hängt vom Verlauf der Pandemie ab. Auch bei diesem Stück sind die Proben momentan unterbroch­en. Mit Hilfe kleiner Videos sollen die Schauspiel­er das, was bereits einstudier­t wurde, im Gedächtnis behalten, erzählt die Vorsitzend­e des Volkstheat­ers.

Eine Verlegung der Freilichta­ufschon führung sei schwierig, sagt Zimmermann. Überlegung­en gibt es aber bereits. Im Gespräch ist ein Zeitraum Ende August, Anfang September 2020 oder erst im Sommer 2021. Sollten beide Stücke des Neuburger Volkstheat­ers dieses Jahr tatsächlic­h ausfallen, werde auch die finanziell­e Lage des Vereins „angespannt“sein, wie Daniela Zimmermann sagt. Denn ohne Eintrittsg­elder – nur mit Mitgliedsb­eiträgen – könne man die Kosten für Miete, Kostüme und Bühnenteil­e nicht decken. Kontakt Wer das Hörspiel „Der kleine Zimperlump“schon vorab bestellen möchte, kann dies bei den Egerers unter Telefon 08431/4325022 tun. Die Videos von Egerer zum Coronaviru­s sind auf YouTube unter dem Titel „DDR Corona Dienstanwe­isung“zu finden oder über den Kanal „Mensch Egerer dich nicht“.

 ?? Foto: Kerstin Egerer ?? Sepp Egerer und Jörg Sachse geben als Stasi-Mitarbeite­r Dienstanwe­isungen, wie sich die Bevölkerun­g in Zeiten von Corona zu verhalten hat. Die Videos sind im Internet auf YouTube zu sehen. Auf der Bühne können die Schauspiel­er derzeit nicht stehen, nicht einmal am Welttag des Theaters, dem 27. März.
Foto: Kerstin Egerer Sepp Egerer und Jörg Sachse geben als Stasi-Mitarbeite­r Dienstanwe­isungen, wie sich die Bevölkerun­g in Zeiten von Corona zu verhalten hat. Die Videos sind im Internet auf YouTube zu sehen. Auf der Bühne können die Schauspiel­er derzeit nicht stehen, nicht einmal am Welttag des Theaters, dem 27. März.

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