Neuburger Rundschau

„Ich bin schockiert“

- VON DANIEL WIRSCHING

Das Abenteuer Homeoffice beschäftig­t Journalist­en weiterhin. Liegt ja auch nahe. Ein Journalist schreibt – und wenn er von zu Hause aus schreibt, schreibt er über das. Themenfind­ung leicht gemacht. Wobei das Homeoffice inzwischen sämtliche Berufsgrup­pen betrifft. Mit Ausnahme vielleicht der der Zerspanung­smechanike­r.

Großes Thema: Kleidung. Am 14. März bereits twitterte Kollege Hajo Schumacher: „Laßt uns heute abend gut anziehen. Das Schlimmste

am Viel-Zuhause-Sein ist die Verlotteru­ng.“Das war zu der Zeit, als die Party-Metropole Berlin das Partyleben verbot und die Zeitung

Die Welt den Artikel veröffentl­ichte: „Wie das Coronaviru­s das Nachtleben für immer verändern könnte“. Harte Zeiten für meinen Kolumniste­nkollegen Schumacher von der

Berliner Morgenpost. 14. März! Mein Gott, das klingt wie aus einem Land vor unserer Zeit …

Am 15. März dann twitterte ein Kollege der FAZ ironisch, er freue sich auf folgende Texte: „Wie ich durch Corona meine eigene Wohnung wiederentd­eckte“ oder „Corona bringt Kindern etwas Vergessene­s nahe: Langeweile“. Und so drehen sich Journalist­en im Kreis, wenn sie sich zu sehr mit ihren Journalist­en-Kollegen beschäftig­en.

Was in diesen Tagen von Corona an den Rand gedrängt wird, ist die Berichters­tattung über weitere wichtige Themen. Es ist ja nicht so, dass der Klimawande­l eine Pause einlegt (oder der Scheuer-Andi). Auch wichtige Medienthem­en bekommen nicht mehr die öffentlich­e

Wahrnehmun­g, die sie qua Relevanz verdient hätten: Die Rüge etwa, die der Deutsche Presserat gegenüber der Berliner Zeitung aussprach. Sie wissen schon, das Blatt von „Silke und Holger“. Es hatte über eine Firma berichtet, die Neuverlege­r Holger Friedrich gehört – und dies nicht kenntlich gemacht.

Ein Thema, das Virologe Christian Drosten (unser Foto) immer wieder anspricht: Wie sauber zitieren Medien? Es ist ein „altes“Thema, das der Zuspitzung. Es geht vor allem um Überschrif­ten, die in wenigen Worten die Kernaussag­e eines Textes wiedergebe­n sollen. Manchmal aber verfälsche­n oder verdrehen sie diese. Zuletzt kritisiert­e er die Zeile: „Christian Drosten im stern: Keine vollen Fußballsta­dien in den nächsten zwölf Monaten“. Diese Zuspitzung durch den stern sei ihm peinlich und entspreche nicht dem Zusammenha­ng des Interviews. „Ich bin schockiert.“Ich nicht. Aber ich würde auch in diesem Fall vor Übertreibu­ngen abraten.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany