Wie sieht das Familienleben in Zeiten der Corona-Krise aus?
Auf einmal arbeiten die Eltern von Zuhause aus, während die Kinder nebenan in ihrem Zimmer lernen müssen. Mit diesen Ideen bringt Familie Sprünken aus Unterstall Abwechslung in den Alltag ohne Spielkameraden
Unterstall Johannes wirft einen Blick auf einen Plan, der in der Küche liegt. Darauf steht, dass der 16-Jährige und sein drei Jahre jüngerer Bruder Andreas heute mit dem Kochen an der Reihe sind. Während der eine Gemüse schneidet, presst der andere Saft aus Orangen aus. Als die Familie wenig später am Tisch sitzt, erzählen die Geschwister von ihren Hausaufgaben, die sie von ihren Lehrern über das Internet erhalten haben. So jedenfalls beschreibt Mutter Cordelia Sprünken das neue Abendprogramm der Familie am Telefon. Ein Besuch der Familie ist wegen des Coronavirus und den Ausgangsbeschränkungen derzeit nicht möglich.
„Im Moment funktioniert diese neue Art von Unterricht recht gut“, findet Johannes. Gemeinsam mit seinem Bruder Andreas besucht er die Paul-Winter-Realschule in Neuburg. Da er in der neunten Klasse ist, werden ihm die Aufgaben per Mail zugesendet. Die Jahrgangsstufen fünf bis acht hingegen laden sie von der Schulhomepage mit Hilfe von entsprechenden Zugangsdaten herunter. Beide Brüder lernen mit Arbeitsblättern, Büchern, Hefteinträgen und teilweise mit InternetLinks. Im Schnitt drucken die Beiden täglich jeweils zehn bis 15 Seiten Material aus und schicken ihre Hausaufgaben an den Lehrer zur Korrektur zurück.
Ganz ohne Lehrkraft sind die Aneignung des neuen Wissens und das Erledigen der Hausaufgaben manchmal nicht so einfach. „Zwar werden wir Eltern nicht um Hilfe gefragt, aber meine Söhne schauen zum besseren Verständnis öfter Lernvideos auf YouTube an“, erzählt Cordelia Sprünken. Gemeinsam mit ihrem Mann Christoph achtet sie zum Beispiel auf die Einhaltung von Abgabefristen und stellt durch regelmäßiges Nachfragen den Lernfortschritt ihrer Söhne sicher.
Doch wie empfinden die Kinder es, plötzlich nicht mehr unter Klassenkameraden zu sein? „Ach, eigentlich ist es ganz entspannt“, findet Johannes und freut sich. „Jetzt darf ich nach dem Lernen ein bisschen mehr Computer spielen.“Andreas hingegen vermisst es schon sehr, am Nachmittag nicht einmal mehr mit seinem besten Freund und Nachbar Simon spielen zu dürfen.
Andreas ist kein Fan des Telefonierens und das WLAN ist bei seiner Familie auch während der CoronaKrise nur eine Stunde täglich aktiviert. Johannes muss außerdem auf ein Englischcamp verzichten, sein Andreas fährt an Pfingsten womöglich nicht zu einem Trainingslager in Italien.
Schon vor der Ausgangsbeschränkung hielten sich Sprünkens weitestgehend an die Empfehlung der
Bundesregierung und vermieden es, sowohl zu hamstern, als auch die Großeltern zu besuchen. In der ersten Woche waren die Jugendlichen noch begeistert von den geschlossenen Schulen: Zwar lernten sie vorBruder mittags weiterhin, aber durch entfallene Prüfungen konnten sie sich am Nachmittag mit Freunden treffen. „Jetzt in der Ausgangsbeschränkung arbeiten mein Mann und ich im Home Office – da platzen wir vielleicht auch einmal öfter ins Kinderzimmer“, scherzt Cordelia Sprünken. Sie arbeitet in der Hauptverwaltung eines Technik-Konzerns, ihr Mann ist bei einem Automobilkonzern tätig. Die Chefs von Mutter Sprünken seien sehr umgänglich und sehen es ihr nach, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern muss, erzählt sie. Auch die Mittagspause dauert oft länger als gewohnt. „Jetzt muss ich ja auch kochen, mit meiner Familie essen und danach noch den Abwasch machen – das schaffe ich nicht in einer Stunde“, sagt sie.
Die größte Herausforderung stellt für die Familie aus Unterstall der fehlende Alltag dar. Um diesen zu erleichtern, gibt es neue Regeln im Haushalt. Ein Plan legt fest, wer wann das Abendessen kocht. Ebenfalls neu im Familienalltag: Andreas hat sich gewünscht, jeden Tag Tischtennis zu spielen, während die Eltern sich über die Fahrradausflüge freuen. Nach dem gemeinsamen Abendessen spielen die vier Unterstaller das Brettspiel „Mensch-ärgere-dich-nicht“oder eine besonders unterhaltsame Version von „StadtLand-Fluss“. „Wir dürfen uns neue Kategorien ausdenken, das ist wirklich lustig“, erzählt Johannes. Da sie ihre Großeltern nicht mehr besuchen können, telefonieren sie fast täglich mit ihnen.
„Unser neuer Plan ist es, den Jungs neue Aufgaben zu geben. Wir haben schon die Wand des Wohnzimmers gestrichen und im Garten gearbeitet. Wir überließen ihnen die Entscheidung, mit welcher Arbeit sie uns unterstützen. Dem Einen machte Rasenmähen mehr Spaß, während der Andere es vorzog, mit mir Frühjahrsblumen einzupflanzen“, erzählt die Mutter.
Kreativität ist auch für die nächsten Wochen gefragt, sollte die Ausgangsbeschränkung weiterhin gelten. Da wissen auch die vier Sprünkens noch nicht, wie sie sich dann die Zeit vertreiben. Aber vielleicht gelingt es ja den vielen Familien, die nun gezwungen sind, gemeinsam zuhause zu bleiben, in der CoronaKrise noch enger zusammenzuwachsen.