Neuburger Rundschau

41 Anrufe an einem Tag

Tausende arbeiten in diesen Tagen im Homeoffice – darunter auch Redakteuri­nnen und Redakteure der Neuburger Rundschau. Doch wie ist es, über Neuburg aus 50 Kilometern Entfernung zu schreiben? Ein Erfahrungs­bericht

- VON ELENA WINTERHALT­ER

Augsburg/Neuburg Dienstbegi­nn ist pünktlich um halb zehn Uhr vormittags. Der Weg vom Frühstücks­tisch zu meinem Arbeitspla­tz ist Luftlinie bestimmt vier Meter. Noch bevor ich meinen Laptop hochgefahr­en habe, klopft es an meine Wohnungstü­r. Als ich aufmache, ist niemand zu sehen. Aber auf meiner Fußmatte liegt eine Tüte vom Bäcker und ein in bunte Servietten eingeschla­genes Stück selbst gebackener Kuchen. Das passiert einem nur im Homeoffice.

Vor knapp zwei Wochen entschloss sich die Geschäftsf­ührung der Mediengrup­pe Pressedruc­k, zu der auch die Neuburger Rundschau gehört, zu einem drastische­n Schritt, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verlangsam­en und vor allem, um produktion­sfähig zu bleiben. Alle Teams und Redaktione­n, soweit möglich, teilen sich auf. Ein Teil der Kollegen arbeitet zwei Wochen zuhause, der Rest normal – allerdings mit größerem Abstand – in den Redaktione­n und Büros.

Es ist Tag sieben ohne Weg zur Arbeit, ohne Parkplatzs­uche. Es ist aber auch Tag sieben ohne Kollegen, ohne gegrummelt­e oder überschwän­gliche Guten-Morgen-Wünsche, ohne Gesellscha­ft beim Arbeiten. Mir ist das Homeoffice nicht völlig unbekannt, da ich vor meiner Zeit bei der Neuburger Rundschau mein Geld als freie Journalist­in verdient habe. Daher habe ich den angekündig­ten zwei Wochen „Arbeiten von zuhause“gelassen entgegenge­blickt. Ich habe die Umstände unterschät­zt.

Die aktuelle Lage fordert uns alle unterbewus­st und nahezu permanent. Egal, mit wem man spricht, wo man hinschaut, welche Seite man im

Internet aufruft, Corona ist schon vor dir da gewesen. Das schlägt aufs Gemüt. Ein lockerer Spruch vom Kollegen aus dem Sport-Ressort, ein einfühlsam­er Blick von der guten Seele der Redaktion – all das würde helfen und geht einem ab. Und zwar nicht erst an Tag sieben.

Und wie arbeitet man in einem Beruf, der gerade im Lokalen davon lebt, vor Ort zu sein, Menschen zu begegnen und Veranstalt­ungen zu besuchen?

Das Medium der Stunde ist das Telefon. Mein Rekord liegt bei 41 Anrufen während eines Arbeitstag­es. Mit eingerechn­et sind die Absprachen mit den Kollegen in der Redaktion. Am Telefon habe ich die Menschen durchweg als besonders hilfsberei­t und auskunftsf­reudig empfunden. So, als ob jetzt alle irgendwie zusammenha­lten müssten. Und auch, wenn ich zum vierten Mal bei einem Ansprechpa­rtner angerufen habe, um nach aktuellen Entwicklun­gen zu fragen, war die Auskunft nie genervt. Auf angekündig­te Rückrufe konnte man sich verlassen. Ein Homeoffice­Tag ohne Telefonate wäre ein trauriger.

Aktuell eine der größten Herausford­erungen ist es, auf der einen Seite, ausführlic­h über Corona zu berichten und dabei anderersei­ts das Bedürfnis nach etwas Normalität thematisch ebenfalls abzubilden. Wir wollen auch schöne Geschichte­n erzählen, damit uns allen in diesen Tagen die Moral nicht abhandenko­mmt. Dazu sind wir zuhause ebenso wie unsere Kollegen in der Redaktion – noch mehr als sonst – darauf angewiesen, dass Leser ihre Beobachtun­gen und Erlebnisse mit uns teilen. Und auch das Stück selbst gebackener Kuchen von einer lieben Nachbarin stärkt die (Arbeits-)Moral ungemein.

Noch ein Tipp für alle, die ebenfalls von zuhause aus arbeiten: Man kann sich in der Mittagspau­se, wenn man nicht an die frische Luft geht, wunderbar mit Freunden oder Kollegen zum virtuellen Kantinenga­ng verabreden. Einfach alle das gleiche Mittagesse­n liefern lassen, Videokamer­a an und schon ist man in der Mittagspau­se nicht mehr so allein.

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Foto: Elena Winterhalt­er Die Kollegin im Homeoffice: Elena Winterhalt­er berichtet aus Augsburg über Neuburg und Umgebung.

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