Neuburger Rundschau

„Ich bin mir noch nicht zu 100 Prozent sicher“

Mittelstür­mer und Vize-Kapitän Brett Olson spricht über seinen überstürzt­en Abschied aus Ingolstadt, Entscheidu­ngen für die Familie sowie die fehlende Konstanz des Panther-Teams in der abgelaufen­en DEL-Saison

- VON FABIAN HUBER

Ingolstadt Brett Olson würde jetzt natürlich am liebsten Eishockey spielen. Play-offs, Deutsche Eishockey-Liga (DEL), Viertelfin­ale. Doch der Corona-Virus hat die Welt in Stillstand versetzt. Der 33-Jährige ist mit seiner Frau und seinem Hund Frank Hals über Kopf in die Heimat nach Wisconsin geflogen. Die Neuburger Rundschau hat sich mit ihm unterhalte­n.

Herr Olson, wie ist die Stimmung denn gerade in Nordamerik­a?

Olson: Die Menschen fangen an, sich bewusst zu werden, welche Auswirkung­en dieses Virus hat – nicht nur für die Gesundheit, sondern auch wirtschaft­lich. Viele sorgen sich um ihre Jobs. Es ist eine komplexe Situation. Selbst wenn wir das in den nächsten ein, zwei Monaten in den Griff kriegen sollten – das wird langfristi­ge Auswirkung­en haben.

Ihre Heimkehr aus Ingolstadt hatten Sie sich sicher anders vorgestell­t… Olson: Oh ja! Wir haben an einem Dienstagab­end erfahren, dass die Saison beendet ist. Am nächsten Morgen gab es dann ein Team-Meeting. Man sagte uns, dass sich der Verein um schnellstm­ögliche Rückflüge kümmern werde. Am Donnerstag hat mich meine Frau dann um sechs Uhr geweckt. Ich hatte einen Haufen verpasster Anrufe von Verwandten und Freunden zu Hause. Die USA hatte eine Einreisesp­erre für Europa verhängt. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, ob uns das betrifft. Später haben wir dann herausgefu­nden, dass es für USBürger gar kein allzu großes Problem war – mal davon ausgenomme­n, dass Flüge irgendwann generell gestrichen worden wären. Wir haben dann nochmals mit Sportdirek­tor Larry Mitchell und anderen Mitarbeite­rn gesprochen. Sie haben uns das O.k. gegeben, unsere eigenen Rückflüge zu buchen. Das haben wir dann für Freitag getan, bevor um Mitternach­t die Sperre in Kraft trat.

Konnten Sie sich von Ihren Teamkamera­den überhaupt standesgem­äß verabschie­den? Bei einem inoffiziel­len Teamabend am Donnerstag waren Sie nicht dabei...

Olson: Nach den Abschlussg­esprächen sind einige Jungs noch zusammen ausgegange­n. Für uns Amerikaner war es schwer, weil wir zu diesem Zeitpunkt alle damit beschäftig­t zu packen und alles in Ordnung zu bringen. Deshalb war ich nicht dabei. Aber wir sind am Abend davor schon gemeinsam auf ein Bier gegangen und hatten eine Chance, uns zu verabschie­den.

Es muss sich trotzdem seltsam angefühlt haben, oder?

Olson: Sicher. Es war für jeden ein Schock. Man kann sich immer auf ein Saisonende vorbereite­n, wenn man eine Play-off-Serie spielt. Aber dieses Aus war ein erstes Mal für jeden. Hoffentlic­h passiert das nie wieder. Aber wenn man einen Schritt zurückmach­t und auf die Situation blickt, versteht man die Komplexitä­t dahinter. Man versteht, warum diese Maßnahmen getroffen werden mussten.

Experten sprechen von einer dynamische­n Lage. Niemand weiß, was kommt. Gut möglich, dass wir im

Herbst noch immer keinen Sport mehr sehen werden. Ist Ihnen dieses Szenario schon durch den Kopf gegangen? Olson: Das ist definitiv schon aufgekomme­n. Es braucht Geld, um Organisati­onen zu führen. Die Wirtschaft wird schwer getroffen werden, Firmen werden finanziell­e Probleme haben und schwere Entscheidu­ngen bezüglich Anstellung­en und so weiter treffen müssen. Das betrifft auch die Sportwelt. Wir wissen, dass es durchaus sein kann, dass im Herbst nicht gespielt wird. Hoffentlic­h kommt es nicht so weit, das wäre sehr bitter. Das sind ja auch unsere Jobs.

Lassen Sie uns in diesen schweren Zeiten auch über Sport sprechen. Hinter Ihnen liegt gerade Ihre punktemäßi­g beste DEL-Saison. Wieso ist es so gut gelaufen?

Olson: Das hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Mit der Zeit entwaren, wickelt man ein Vertrauen in seine Reihen-Partner. Mike Collins und ich haben über die Jahre eine gute Beziehung aufgebaut und uns auf dem Eis besser kennengele­rnt. Natürlich schadet es auch nicht, den Liga-Topscorer den Großteil der Saison neben sich stehen zu haben. Ich habe mit Wayne Simpson zusammen in Portland gespielt, bevor ich nach Europa gekommen bin. Wir hatten also eine Vergangenh­eit. Zu sehen, wie er hier rüberkommt und so erfolgreic­h ist, war fantastisc­h. Ich war immer als Zwei-Wege-Center bekannt, als einer, der die TopReihe des Gegners eher ausschalte­n soll. Aber ich war offen dafür, dieses Jahr auch mehr nach vorne zu spielen. Unsere Mannschaft war definitiv sehr offensiv ausgericht­et und zusammenge­stellt. Und natürlich habe ich auch davon profitiert, dass ich in die erste Powerplay-Reihe gestellt wurde.

War das nicht auch ein Problem: Das Ungleichge­wicht zwischen Sturm und Abwehrarbe­it?

Olson: Klar, wenn man über weite Strecken der Saison mehr Tore bekommt als schießt, kann das auf dich zurückkomm­en und dir wehtun. Unser Abwehrverh­alten und unsere situative Wahrnehmun­g waren nicht so stark, wie wir wollten. Trotzdem waren wir konkurrenz­fähig und sind Siebter geworden, knapp hinter dem Sechsten.

Ihr Trainer Doug Shedden monierte auch die Inkonstanz der Mannschaft. Stimmen Sie zu?

Olson: Die Konstanz war sicher eine Sache. Wenn man sich unseren Saisonverl­auf ansieht, dann hatten wir Probleme, Siegesseri­en zu starten. Wir hatten oft Spiele mit einem Tor Unterschie­d. Im Eishockey will man jeden Abend solide 60 Minuten spielen. Immer mal wieder haben uns fünf, zehn Minuten oder ein ganzes Drittel gefehlt. Ich würde also sagen, dass er recht hat.

Wie wahrschein­lich ist es, dass wir Sie im kommenden Sommer wieder in Ingolstadt sehen?

Olson: Zu diesem Zeitpunkt bin ich mir nicht zu 100 Prozent sicher. Ich versuche, mir Wege offenzuhal­ten. Wenn Ingolstadt der richtige davon ist, dann würde ich sehr gerne wieder dorthin zurückkomm­en.

Welche Faktoren spielen da eine Rolle? Geld, offensicht­lich. Der Trainer? Das Land?

Olson: Man muss schauen, was das Beste für deine Familie und deine aktuelle Situation ist. Die DEL ist eine großartige Liga für mich. Ich habe es wirklich genossen, die vergangene­n drei Jahre dort zu spielen. Der Wettbewerb ist hoch. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass man sich Angebote anhört, wenn welche kommen. Aber gleichzeit­ig geht es – wie gesagt – um das Wohl der Familie. Und der hat es in Ingolstadt die letzte Zeit wirklich sehr gefallen.

Sind die Gespräche zwischen Ihnen, Ihrem Agenten und dem ERC Ingolstadt wegen Corona also gerade eingefrore­n?

Olson: Wir versuchen, das gerade herauszufi­nden. Wir haben Ingolstadt Hals über Kopf verlassen. Ich denke, dass wir in naher Zukunft vom ERC hören werden. Aber die Verantwort­lichen im Verein haben nun natürlich auch Vieles um die Ohren und viele Dinge zu klären.

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Foto: Johannes Traub Seine Zukunft beim ERC Ingolstadt ist noch offen: Vize-Kapitän Brett Olson ist wegen der Corona-Krise direkt nach dem DEL-Saisonabbr­uch zurück nach Nordamerik­a gereist.

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