Vorfreude, aber auch viel Skepsis
Am Mittwoch wird von der Politik entschieden, ob die Fußball-Bundesliga bald wieder beginnen darf. Die Neuburger Rundschau hat sich bei Sportlern in der Region nach deren Meinung umgehört. Diese gehen durchaus kritisch mit der Situation um
Neuburg Wenn sich am Mittwoch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten zu einer weiteren Video-Konferenz trifft, steht im Zuge der LockerungsMaßnahmen unter anderem auch die Wiederaufnahme der FußballBundesliga und 2. Liga auf der Tagesordnung. Die Neuburger Rundschau hat sich bei Sportlern in der Region umgehört.
● Luis Bauer (1. Vorsitzender FC Ehekirchen): „Ich bin in dieser Frage sehr gespalten. Falls ich jetzt eine Entscheidung treffen müsste, würde ich mich gegen eine Fortsetzung der Bundesliga aussprechen. In meinen Augen wird einfach ein falsches Signal an die Menschen gesendet. Getreu dem Motto: Wenn die Fußballer wieder spielen, dann ist doch alles nicht so schlimm! Der TV-Journalist und Experte Rangha Yogeshwar hat kürzlich gesagt, dass wir uns in der Corona-Krise in der zweiten Phase befinden, in der die Bevölkerung angesichts der sinkenden Zahlen alles etwas lockerer nehmen. Und darin liegt die große Gefahr. Man kann es den Leuten doch kaum vermitteln, dass sie selbst mit Einschränkungen im Alltag leben müssen, während im Fußball, wo zudem sehr viel Geld fließt, eine Ausnahme gemacht wird.“
● Udo Kotzur (1. Vorsitzender TSV Neuburg): „Nachdem ich ja selbst Sportler bin, kann ich mich nicht gegen eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs aussprechen. Dennoch herrscht bei mir schon eine gewisse Skepsis vor. Man fragt sich natürlich, warum das im Profifußball möglich ist, in anderen Sportarten wie Handball und Basketball oder auch weiteren Freizeitsport nicht. Dass es im Fußball, der sicherlich eine Sonderrolle einnimmt, um viel Geld geht, ist freilich kein Geheimnis. Aber auch der ’normalen’ Bevölkerung zu erklären, warum sie mit Schutzmasken und dem nötigen Abstand herumlaufen muss, während in der Bundesliga das Ganze offenbar nicht so wichtig ist, stelle ich mir schon sehr schwierig und problematisch vor. Wie gesagt, ich bin grundsätzlich nicht dagegen, habe aber schon gewisse Vorbehalte.“
● Lukas Gesche (Neuburger Basketballer): „Ich fände es gut, wenn die Bundesliga wieder anfängt. Für viele Menschen würde es eine Ablenkung vom Alltag bedeuten, wenn sie wieder Fußball schauen können. Generell ist es für den Sport wichtig, dass es bald weitergeht. Ich freue vor allem, dass die BasketballBundesliga den Spielbetrieb wieder aufnehmen will. Derzeit schaue ich im Internet alte Spiele aus der Vergangenheit an. Da wäre es schon spannender, aktuelle Spiele zu verfolgen, bei denen das Ergebnis noch nicht bekannt ist (lacht). Die Sonderrolle, die der Profisport einnimmt, stört mich überhaupt nicht. Ein Vergleich zum Amateur- und Breitensport darf nicht gezogen werden, da dort ganz andere Voraussetzungen herrschen. Im Profibereich werden die Mittel vorhanden sein, regelmäßig Tests durchzuführen, was im Breitensport schlicht unmöglich ist.“
● Christoph Reiter (Volleyballer des TSV Neuburg): „Ich bin kein großer Fußballfan und schaue ohnehin keine Bundesliga, weswegen ich in dieser Frage relativ leidenschaftslos bin. Außerdem fehlt mir das Hintergrundwissen, weswegen die Liga fortgesetzt werden soll. Ich gehe jedenfalls von Gedankengängen der Verantwortlichen aus, die das rechtfertigen. Schließlich gibt es sicherlich nicht nur sportliche, sondern auch wirtschaftliche Gründe. Es geht nicht nur um elf Fußballer, sondern um viele Arbeitsplätze und Existenzen. Daher gehöre ich nicht zu den Neidern, die fragen, warum der Fußball weitergehen soll und andere Sportarten nicht. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage nach den
Corona-Tests. Es müsste gewährleistet sein, dass durch die Tests der Profis keine in anderen Branchen fehlen. Es sollten lieber Risikoberufsgruppen - und patienten getestet werden. Wenn die Verantwortlichen aber sagen, dass es keine Auswirkungen gibt, finde ich eine Wiederaufnahme der Fußball-Bundesliga nicht schlimm.“
● Günther Behr (Fußball-Spielleiter): „In der jetzigen Phase stehe ich einer Wiederaufnahme der Bundesliga sehr skeptisch gegenüber. In meinen Augen kommt dieser deutlich zu früh. Man hat ja zuletzt am Beispiel des 1. FC Köln, bei dem sich drei Personen infiziert haben, gesehen, wie gefährlich das Ganze ist. Nicht umsonst wurden ja in Frankreich, Belgien oder Holland die Top-Ligen vorzeitig beendet. Dass der Fußball in unserer Gesellschaft eine Sonderstellung einnimmt, ist unbestritten. Die normale Bevölkerung wird aufgerufen, auf Abstand zu gehen und nur mit Masken zum Einkaufen zu gehen, während es im Fußball immer Zweikämpfe und Körperkontakt geben wird. Ich denke schon, dass der Gesundheitsaspekt in diesem Fall etwas mit Füßen getreten wird. Darüber hinaus ist auch die Signalwirkung für den Amateur- und Jugend-Bereich nicht die beste. Viele werden sich fragen, warum die Profis spielen dürfen, der Rest aber nicht. Klar gibt es dort anmich dere Gegebenheiten beziehungsweise Test-Kapazitäten. Aber auch das unterstreicht ja letztlich wieder diese Sonderstellung, die in für mich nicht in Ordnung ist.“
● Andreas Eubel (Fußball-Abteilungsleiter BSV Neuburg): „Ehrlich gesagt bin ich etwas im Zwiespalt. Natürlich hat der Fußball in der Bevölkerung eine gewisse Bedeutung und Relevanz. Allerdings muss man auch ganz deutlich sagen, dass er – auch wenn es sich um Profisport handelt – in meinen Augen nur ein „Hobby“ist, der immer dem Gemeinwohl der Menschen hinten anzustehen hat. Sprich: Bevor die Spieler der Vereine alle zwei Tage auf Corona getestet werden, muss gewährleistet sein, dass dies auch für die breite Bevölkerung möglich ist. Und zum jetzigen Zeitpunkt muss man das leider verneinen. Wenn ein ’normaler’ Mensch heute Symptome aufweist, wird er noch lange nicht getestet, sondern muss sicherheitshalber daheim in Quarantäne bleiben. Und das ist einfach nicht richtig. Ein weiteres Problem sehe ich zudem in Sachen Fernsehen. Es muss eine Lösung gefunden werden, dass die Begegnungen nicht auf Sky oder DAZN, sondern im öffentlichrechtlichen TV laufen. Ansonsten hat man wieder größere MenschenAnsammlungen, die man ja unter allen Umständen verhindern will.“
● Moritz Bartoschek (Spielertrainer
SC Ried): „Ich würde es klasse finden, wenn in der Bundesliga wieder gespielt werden würde. Ein solches ’Zuckerl’ hätte mit Sicherheit auch einen positiven Einfluss auf die Motivation der Menschen, sich auch künftig an die vorgegebenen Regeln zu halten. Dass der Fußball eine gewisse Sonderstellung einnimmt, lässt sich nicht wegdiskutieren. Fakt ist jedoch, dass hier jeweils 22 gesunde Spieler aufeinandertreffen, wodurch die Gefahr einer Ansteckung sehr gering ist. Idealerweise sollten alle Mannschaften – wie es beispielsweise RB Leipzig macht – während der verbleibenden Spielzeit gemeinsam in eine Art Quarantäne gehen. Bei den Summen, die heutzutage verdient werden, sollte das für einige Wochen durchaus möglich sein. Wichtig wäre es auch, dass die Partien im Free-TV übertragen werden. Ansonsten würden sich wohl wieder Fans in größeren Gruppen treffen, was man ja unbedingt vermeiden möchte.“
● Max Seitle (Fußballer SV Karlshuld): „Das Ganze ist ein schwieriges und komplexes Thema. Zum einen würde ich es mir für die Gesellschaft wünschen, dass wieder Fußball in den oberen Ligen gespielt hat. Gerade in der jetzigen schwierigen Zeit wäre es für Millionen Menschen eine willkommene Abwechslung. Zum anderen halte ich es aber für äußerst schwer, den Leuten zu verkaufen, warum zwar die Fußballer wieder ran dürfen, dafür aber andere Berufszweige weiterhin mit e teilweise enormen Einschränkungen leben müssen. Auch das Thema Test-Kapazitäten darf man nicht außer Acht lassen. Wenn beispielsweise in Altenheimen oder Krankenhäuser nicht regelmäßig getestet werden kann, im Fußball aber schon, ist das nicht plausibel. Ein weiteres Problem ist sicherlich: Was passiert, wenn sich ein oder mehrere Spieler während der Fortsetzung der Saison anstecken? Dann müssten ja die ganze Mannschaft sowie der Gegner in Quarantäne. In diesem Fall würde sich die Spielzeit fast bis uns Unendliche ziehen. Ich bin wirklich gespannt, wie das alles umgesetzt werden soll.“
● Sebastian Rutkowski (Fußballer des FC Ehekirchen): „Ich bin dafür, dass die Bundesliga wieder startet. Die Fans können wieder Fußball schauen, freuen sich auf die Wochenenden und finden eine Ablenkung vom Alltag. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Spiele ohne Zuschauer stattfinden. Bei einem Abbruch der Saison wäre es darüber hinaus eine schwierige Entscheidung, wie die Spielzeit gewertet wird. Daher wäre es gut, wenn die ersten drei Ligen wieder starten. Im Profibereich sind außerdem die finanziellen Mittel vorhanden, die Spieler abzuschotten und regelmäßig zu testen. Wichtig fände ich es, dass die Partien im Free TV übertragen werden. Dann bleiben Fußballanhänger eher zu Hause und schauen die Spiele nicht gemeinsam in größeren Gruppen an.“
● Niko Schröttle (Fußballer VfR Neuburg): „Ich als Fußballer würde mich natürlich über Bundesligaspiele freuen, kann die Gegenstimmen aber zu 100 Prozent verstehen. Wenn man bedenkt, dass Lokale geschlossen bleiben müssen oder Friseure nur unter strikten Auflagen wieder öffnen durften, erscheint eine Wiederaufnahme des Profifußballs fraglich. Mindestens 50 Leute würden in ein Stadion kommen und die Spieler gegeneinander mit Körperkontakt antreten. Das wäre äußerst widersprüchlich zu anderen Berufen und Feldern, wo ein Mindestabstand und Maskenpflicht vorgeschrieben sind. Die Saisonabbrüche in Belgien, Holland und Frankreich oder der Eishockey-Saison in Deutschland erhöhen den Druck auf die Bundesliga. Wenn sie wirklich weitergeführt werden sollte, würde sie sich meiner Meinung nach noch mehr von der Basis entfernen, als es jetzt bereits der Fall ist.“