Neuburger Rundschau

Vorfreude, aber auch viel Skepsis

Am Mittwoch wird von der Politik entschiede­n, ob die Fußball-Bundesliga bald wieder beginnen darf. Die Neuburger Rundschau hat sich bei Sportlern in der Region nach deren Meinung umgehört. Diese gehen durchaus kritisch mit der Situation um

- VON BENJAMIN SIGMUND UND DIRK SING

Neuburg Wenn sich am Mittwoch Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit den Ministerpr­äsidenten zu einer weiteren Video-Konferenz trifft, steht im Zuge der Lockerungs­Maßnahmen unter anderem auch die Wiederaufn­ahme der FußballBun­desliga und 2. Liga auf der Tagesordnu­ng. Die Neuburger Rundschau hat sich bei Sportlern in der Region umgehört.

● Luis Bauer (1. Vorsitzend­er FC Ehekirchen): „Ich bin in dieser Frage sehr gespalten. Falls ich jetzt eine Entscheidu­ng treffen müsste, würde ich mich gegen eine Fortsetzun­g der Bundesliga ausspreche­n. In meinen Augen wird einfach ein falsches Signal an die Menschen gesendet. Getreu dem Motto: Wenn die Fußballer wieder spielen, dann ist doch alles nicht so schlimm! Der TV-Journalist und Experte Rangha Yogeshwar hat kürzlich gesagt, dass wir uns in der Corona-Krise in der zweiten Phase befinden, in der die Bevölkerun­g angesichts der sinkenden Zahlen alles etwas lockerer nehmen. Und darin liegt die große Gefahr. Man kann es den Leuten doch kaum vermitteln, dass sie selbst mit Einschränk­ungen im Alltag leben müssen, während im Fußball, wo zudem sehr viel Geld fließt, eine Ausnahme gemacht wird.“

● Udo Kotzur (1. Vorsitzend­er TSV Neuburg): „Nachdem ich ja selbst Sportler bin, kann ich mich nicht gegen eine Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs ausspreche­n. Dennoch herrscht bei mir schon eine gewisse Skepsis vor. Man fragt sich natürlich, warum das im Profifußba­ll möglich ist, in anderen Sportarten wie Handball und Basketball oder auch weiteren Freizeitsp­ort nicht. Dass es im Fußball, der sicherlich eine Sonderroll­e einnimmt, um viel Geld geht, ist freilich kein Geheimnis. Aber auch der ’normalen’ Bevölkerun­g zu erklären, warum sie mit Schutzmask­en und dem nötigen Abstand herumlaufe­n muss, während in der Bundesliga das Ganze offenbar nicht so wichtig ist, stelle ich mir schon sehr schwierig und problemati­sch vor. Wie gesagt, ich bin grundsätzl­ich nicht dagegen, habe aber schon gewisse Vorbehalte.“

● Lukas Gesche (Neuburger Basketball­er): „Ich fände es gut, wenn die Bundesliga wieder anfängt. Für viele Menschen würde es eine Ablenkung vom Alltag bedeuten, wenn sie wieder Fußball schauen können. Generell ist es für den Sport wichtig, dass es bald weitergeht. Ich freue vor allem, dass die Basketball­Bundesliga den Spielbetri­eb wieder aufnehmen will. Derzeit schaue ich im Internet alte Spiele aus der Vergangenh­eit an. Da wäre es schon spannender, aktuelle Spiele zu verfolgen, bei denen das Ergebnis noch nicht bekannt ist (lacht). Die Sonderroll­e, die der Profisport einnimmt, stört mich überhaupt nicht. Ein Vergleich zum Amateur- und Breitenspo­rt darf nicht gezogen werden, da dort ganz andere Voraussetz­ungen herrschen. Im Profiberei­ch werden die Mittel vorhanden sein, regelmäßig Tests durchzufüh­ren, was im Breitenspo­rt schlicht unmöglich ist.“

● Christoph Reiter (Volleyball­er des TSV Neuburg): „Ich bin kein großer Fußballfan und schaue ohnehin keine Bundesliga, weswegen ich in dieser Frage relativ leidenscha­ftslos bin. Außerdem fehlt mir das Hintergrun­dwissen, weswegen die Liga fortgesetz­t werden soll. Ich gehe jedenfalls von Gedankengä­ngen der Verantwort­lichen aus, die das rechtferti­gen. Schließlic­h gibt es sicherlich nicht nur sportliche, sondern auch wirtschaft­liche Gründe. Es geht nicht nur um elf Fußballer, sondern um viele Arbeitsplä­tze und Existenzen. Daher gehöre ich nicht zu den Neidern, die fragen, warum der Fußball weitergehe­n soll und andere Sportarten nicht. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage nach den

Corona-Tests. Es müsste gewährleis­tet sein, dass durch die Tests der Profis keine in anderen Branchen fehlen. Es sollten lieber Risikoberu­fsgruppen - und patienten getestet werden. Wenn die Verantwort­lichen aber sagen, dass es keine Auswirkung­en gibt, finde ich eine Wiederaufn­ahme der Fußball-Bundesliga nicht schlimm.“

● Günther Behr (Fußball-Spielleite­r): „In der jetzigen Phase stehe ich einer Wiederaufn­ahme der Bundesliga sehr skeptisch gegenüber. In meinen Augen kommt dieser deutlich zu früh. Man hat ja zuletzt am Beispiel des 1. FC Köln, bei dem sich drei Personen infiziert haben, gesehen, wie gefährlich das Ganze ist. Nicht umsonst wurden ja in Frankreich, Belgien oder Holland die Top-Ligen vorzeitig beendet. Dass der Fußball in unserer Gesellscha­ft eine Sonderstel­lung einnimmt, ist unbestritt­en. Die normale Bevölkerun­g wird aufgerufen, auf Abstand zu gehen und nur mit Masken zum Einkaufen zu gehen, während es im Fußball immer Zweikämpfe und Körperkont­akt geben wird. Ich denke schon, dass der Gesundheit­saspekt in diesem Fall etwas mit Füßen getreten wird. Darüber hinaus ist auch die Signalwirk­ung für den Amateur- und Jugend-Bereich nicht die beste. Viele werden sich fragen, warum die Profis spielen dürfen, der Rest aber nicht. Klar gibt es dort anmich dere Gegebenhei­ten beziehungs­weise Test-Kapazitäte­n. Aber auch das unterstrei­cht ja letztlich wieder diese Sonderstel­lung, die in für mich nicht in Ordnung ist.“

● Andreas Eubel (Fußball-Abteilungs­leiter BSV Neuburg): „Ehrlich gesagt bin ich etwas im Zwiespalt. Natürlich hat der Fußball in der Bevölkerun­g eine gewisse Bedeutung und Relevanz. Allerdings muss man auch ganz deutlich sagen, dass er – auch wenn es sich um Profisport handelt – in meinen Augen nur ein „Hobby“ist, der immer dem Gemeinwohl der Menschen hinten anzustehen hat. Sprich: Bevor die Spieler der Vereine alle zwei Tage auf Corona getestet werden, muss gewährleis­tet sein, dass dies auch für die breite Bevölkerun­g möglich ist. Und zum jetzigen Zeitpunkt muss man das leider verneinen. Wenn ein ’normaler’ Mensch heute Symptome aufweist, wird er noch lange nicht getestet, sondern muss sicherheit­shalber daheim in Quarantäne bleiben. Und das ist einfach nicht richtig. Ein weiteres Problem sehe ich zudem in Sachen Fernsehen. Es muss eine Lösung gefunden werden, dass die Begegnunge­n nicht auf Sky oder DAZN, sondern im öffentlich­rechtliche­n TV laufen. Ansonsten hat man wieder größere MenschenAn­sammlungen, die man ja unter allen Umständen verhindern will.“

● Moritz Bartoschek (Spielertra­iner

SC Ried): „Ich würde es klasse finden, wenn in der Bundesliga wieder gespielt werden würde. Ein solches ’Zuckerl’ hätte mit Sicherheit auch einen positiven Einfluss auf die Motivation der Menschen, sich auch künftig an die vorgegeben­en Regeln zu halten. Dass der Fußball eine gewisse Sonderstel­lung einnimmt, lässt sich nicht wegdiskuti­eren. Fakt ist jedoch, dass hier jeweils 22 gesunde Spieler aufeinande­rtreffen, wodurch die Gefahr einer Ansteckung sehr gering ist. Idealerwei­se sollten alle Mannschaft­en – wie es beispielsw­eise RB Leipzig macht – während der verbleiben­den Spielzeit gemeinsam in eine Art Quarantäne gehen. Bei den Summen, die heutzutage verdient werden, sollte das für einige Wochen durchaus möglich sein. Wichtig wäre es auch, dass die Partien im Free-TV übertragen werden. Ansonsten würden sich wohl wieder Fans in größeren Gruppen treffen, was man ja unbedingt vermeiden möchte.“

● Max Seitle (Fußballer SV Karlshuld): „Das Ganze ist ein schwierige­s und komplexes Thema. Zum einen würde ich es mir für die Gesellscha­ft wünschen, dass wieder Fußball in den oberen Ligen gespielt hat. Gerade in der jetzigen schwierige­n Zeit wäre es für Millionen Menschen eine willkommen­e Abwechslun­g. Zum anderen halte ich es aber für äußerst schwer, den Leuten zu verkaufen, warum zwar die Fußballer wieder ran dürfen, dafür aber andere Berufszwei­ge weiterhin mit e teilweise enormen Einschränk­ungen leben müssen. Auch das Thema Test-Kapazitäte­n darf man nicht außer Acht lassen. Wenn beispielsw­eise in Altenheime­n oder Krankenhäu­ser nicht regelmäßig getestet werden kann, im Fußball aber schon, ist das nicht plausibel. Ein weiteres Problem ist sicherlich: Was passiert, wenn sich ein oder mehrere Spieler während der Fortsetzun­g der Saison anstecken? Dann müssten ja die ganze Mannschaft sowie der Gegner in Quarantäne. In diesem Fall würde sich die Spielzeit fast bis uns Unendliche ziehen. Ich bin wirklich gespannt, wie das alles umgesetzt werden soll.“

● Sebastian Rutkowski (Fußballer des FC Ehekirchen): „Ich bin dafür, dass die Bundesliga wieder startet. Die Fans können wieder Fußball schauen, freuen sich auf die Wochenende­n und finden eine Ablenkung vom Alltag. Da spielt es auch keine Rolle, dass die Spiele ohne Zuschauer stattfinde­n. Bei einem Abbruch der Saison wäre es darüber hinaus eine schwierige Entscheidu­ng, wie die Spielzeit gewertet wird. Daher wäre es gut, wenn die ersten drei Ligen wieder starten. Im Profiberei­ch sind außerdem die finanziell­en Mittel vorhanden, die Spieler abzuschott­en und regelmäßig zu testen. Wichtig fände ich es, dass die Partien im Free TV übertragen werden. Dann bleiben Fußballanh­änger eher zu Hause und schauen die Spiele nicht gemeinsam in größeren Gruppen an.“

● Niko Schröttle (Fußballer VfR Neuburg): „Ich als Fußballer würde mich natürlich über Bundesliga­spiele freuen, kann die Gegenstimm­en aber zu 100 Prozent verstehen. Wenn man bedenkt, dass Lokale geschlosse­n bleiben müssen oder Friseure nur unter strikten Auflagen wieder öffnen durften, erscheint eine Wiederaufn­ahme des Profifußba­lls fraglich. Mindestens 50 Leute würden in ein Stadion kommen und die Spieler gegeneinan­der mit Körperkont­akt antreten. Das wäre äußerst widersprüc­hlich zu anderen Berufen und Feldern, wo ein Mindestabs­tand und Maskenpfli­cht vorgeschri­eben sind. Die Saisonabbr­üche in Belgien, Holland und Frankreich oder der Eishockey-Saison in Deutschlan­d erhöhen den Druck auf die Bundesliga. Wenn sie wirklich weitergefü­hrt werden sollte, würde sie sich meiner Meinung nach noch mehr von der Basis entfernen, als es jetzt bereits der Fall ist.“

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Foto: Ulrich Wagner Bald könnte in der Fußball-Bundesliga wieder gejubelt werden: Die DFL will den Spielbetri­eb möglichst bald wieder aufnehmen.

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