Profifußball für Pappnasen
Entgeisterte Ränge
In diesen Tagen Zutritt zu einem Bundesligastadion zu bekommen – keine leichte Sache. Wegen der Sicherheitsvorkehrungen infolge der Corona-Pandemie erhalten maximal 300 Personen Einlass. In München etwa waren die Ehrenpräsidenten Beckenbauer und Hoeneß Teil der gerade mal acht Mann starken Delegation des FC Bayern. Nur in Mönchengladbach waren auf den Rängen 12 993 Gesichter zu sehen – allerdings handelte es sich hier um Pappfiguren, auf denen Fotos von Fans zu sehen waren. Sogar einen Auswärtsblock mit Fotos prominenter Fans wie den SPD-Politikern Kevin Kühnert und Karl Lauterbach gibt es. Während die Idee den Gladbachern bei der Niederlage gegen Leverkusen nichts genützt hat, gelang dem FC Augsburg beim FC Schalke der erste Sieg seit dem 20. Spieltag. Von Schalker Pappnasen wollen wir hier aber nicht sprechen. Alles dazu finden Sie im
Mönchengladbach Fragen speziell zu Kai Havertz scheinen Peter Bosz körperliche Qualen zu bereiten. Auf sein größtes fußballerisches Juwel angesprochen, verzieht der Trainer von Bayer Leverkusen dann fast immer das Gesicht; aus den Mundwinkeln presst er sich Aussagen heraus, die nicht so recht zu den Auftritten des vielleicht größten deutschen Talents passen wollen. „Ein bisschen besser als gegen Bremen“, sei Havertz’ Auftritt bei Borussia Mönchengladbach gewesen, knurrte Bosz nach dem 3:1 im Topspiel. Dabei ist Havertz passend zum SaisonEndspurt in Top-Form. Besser gesagt: Havertz hat sie konserviert.
Denn bereits vor der CoronaPause zeigte die Formkurve des 20-Jährigen nach überschaubarer Hinserie deutlich nach oben. Acht seiner zehn Saisontore schoss Havertz
in der Rückserie, allein in den vergangenen fünf Partien traf er fünfmal. Besonders dominant ist sein Auftreten für den Werksklub in der sterilen Geisterspiel-Atmosphäre seit dem Bundesliga-Neustart. Mit je zwei Doppelpacks zum 4:1 in Bremen und zum beeindruckenden
Sieg am Samstag gegen ein ungleich stärkeres Team war Havertz jeweils Matchwinner und hievte sein Team in die Champions-League-Ränge.
„Das war ein echtes Topspiel. Wir haben verdient gewonnen. Wir hatten seit der ersten Minute das Spiel im Griff“, sagte Havertz zutreffend, aber zurückhaltend, speziell zu seiner Leistung gefragt. Der 20-Jährige profitiert auch davon, durch die Verletzung von Kevin Volland derzeit im Angriff aufzulaufen. Erstmals überhaupt traf Havertz an zwei Spieltagen nacheinander doppelt. Wahrscheinlich folgt nach der Saison der nächste Schritt für das Riesentalent – unabhängig davon, ob es Bayer in die Champions League schafft oder nicht.
„Klar ist, dass im Moment viel spekuliert wird. Ist ja auch ganz normal“, sagte Havertz zu den Gerüchten.
Als Abnehmer gelten der FC Bayern, der FC Barcelona oder der FC Liverpool. „Die Spiele für Leverkusen stehen jetzt für mich im Vordergrund und ich versuche, mich darauf zu konzentrieren. Am Ende der Saison werden wir dann eine Lösung finden“, sagte Havertz, für den eine Ablöse von knapp 100 Millionen Euro im Raum steht.
Zurückhaltend äußert sich nicht nur Havertz, sondern auch Bosz, der es nicht mag, Spieler hervorzuheben, mögen sie auch noch so gut sein. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Klasse-Mannschaftsleistung heute war. Kai war einer davon, das war top. Da waren aber 13 andere, die so gut gespielt haben wie Kai“, befand Bosz streng.
Tore 0:1 Havertz (7.), 1:1 Thuram (52.), 1:2 Havertz (58./Foulelfmeter), 1:3 S. Bender