Neuburger Rundschau

Der Bully im Weißen Haus

Es ist nichts Neues, dass Donald Trump ein schlechter US-Präsident ist. Diese Krisen zeigen aber: Er ist eine Gefahr für die nationale Sicherheit – und die der Welt

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Theodore Roosevelt, US-Präsident ab 1901, prägte den Begriff der „bully pulpit“. Er meinte damit jene einzigarti­ge Plattform, die das präsidiale Amt bietet, daheim und in der Welt. Roosevelt, der für Verbrauche­rrechte oder Nationalpa­rks kämpfte und gegen Monopole, meinte das Wort „bully“durchaus positiv: als charmante Chance, seine Anliegen voranzutre­iben.

Der Begriff hat sich gehalten, auch Präsident Donald Trump nutzt die bully pulpit, aber in ganz anderer Weise: Trump ist nur noch ein bully. Natürlich ist dies keine „News“, die vergangene­n Jahren waren eine Abfolge unerhörter Verfehlung­en, die jede andere Präsidents­chaft erschütter­t hätten – aber unter Trump allmählich normal wurden. Dennoch markieren diese Tage eine Zäsur. Dass der

Mann im Weißen Haus in aberwitzig­er Weise ungeeignet ist für das (höchste) Amt, tritt in den aktuellen Krisen so scharf zutage wie vielleicht noch nie.

Natürlich hat Trump nicht Corona verursacht, natürlich hat nicht nur seine Regierung bei der VirusAbweh­r schwere Fehler begangen. Natürlich ist der Präsident nicht verantwort­lich für den Tod eines Schwarzen durch Polizeigew­alt, natürlich reichen die Probleme des US-Justizwese­ns weiter zurück. So viele Menschen wie nirgendwo auf dem Planeten sitzen dort hinter Gittern und so ungerecht wie dort geht es selten zu. Viele Schwarze fürchten die amerikanis­che Polizei völlig zu Recht – und dass das System so ist, wie es ist, hat durchaus mit der Ursünde der Sklaverei zu tun, der so lange geschürten Angst vor dem angeblich bösen und wütenden „schwarzen Mann“.

Barack Obama hat es ins Weiße Haus geschafft, aber nicht geschafft, diese Wunden zu heilen – er hat es auch nicht ernsthaft versucht, unter anderem, weil ihm sonst vorgehalte­n worden wäre, bloß ein schwarzer Präsident zu sein. Es ist nicht weniger als ein ewiger Teufelskre­is, und die Wunden Amerikas, sie reichen tiefer. Hin zu einer Republikan­ischen Partei, die sich Trump unterworfe­n hat. Zu Demokraten, die sich selbst zerfleisch­en. Sie sind ablesbar in einem tief gespaltene­n politische­n System und in Medien, die ihre jeweilige parteiisch­e Sicht als wahr verkaufen.

Und doch trägt Präsident Trump große Schuld, weil er diese Wunden nicht zu heilen sucht, sondern sie weiter aufreißt. Er tut dies aus Frust, da ihm der Wirtschaft­saufschwun­g wegbricht. Aber auch, weil er in seiner bizarren Karriere stets nur ein Mittel kannte: immer härter zurückzusc­hlagen.

Bringt es etwas, sich darüber aufzuregen? Man kann auf die Wahl im November hoffen. Aber es ist keineswegs klar, dass diese eine Wende bringen wird. Trump hat sich gebrüstet, er könne auf offener Straße jemanden erschießen, und es werde ihn keine Unterstütz­ung kosten. 1968, als ähnlich schwere Unruhen Amerika erschütter­ten, stützte die „schweigend­e Mehrheit“eher Richard Nixon ein, dessen Version von Recht und Ordnung sich ebenfalls aus Vorurteile­n gegen Schwarze speiste.

Trumps Herausford­erer Joe Biden ist ein schwacher Kandidat, der alt und müde wirkt: Dies sind gerade Attribute, auf die sich Trump zum Johlen seiner Anhänger bestens einschieße­n kann.

Also blickt man verzweifel­t auf ein einst so optimistis­ches Land, das sein Lachen verlernt zu haben scheint. Die Wahrheit lautet: Ob wir bald wieder an den amerikanis­chen Traum glauben können, weiß niemand. Wie schnell sich die Vereinigte­n Staaten von Trump erholen werden? Unklar. Klar ist aber: Ausgerechn­et dieser Mann, der die nationale Sicherheit sichern soll, ist gerade eine Gefahr für die Sicherheit – für die nationale in den USA, aber auch die der Welt.

Trumps Machtbasis bröckelt nicht unbedingt

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