Neuburger Rundschau

Das große Zerren und Ziehen

Verhandlun­gen zwischen Union und SPD dauern länger als vermutet. Die Liste der Streitpunk­te ist lang: Von der Kaufprämie für Autos mit Verbrennun­gsmotor über den Schuldensc­hnitt für Kommunen bis zum Kinderbonu­s

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die schwarz-rote Koalition ringt seit Dienstagna­chmittag verbissen um den Inhalt des großen Corona-Konjunktur­pakets. Nur eine erste Entscheidu­ng fiel im Kanzleramt schnell und einstimmig: Bis 23 Uhr wird beraten, dann unterbroch­en. Am Mittwoch ab 10 Uhr geht es in die zweite Runde.

Rund 60 Punkte stehen auf der Tagesordnu­ng der Zusammenku­nft der Partei- und Fraktionsc­hefs von CDU, CSU und SPD bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Mit von der Partie ist Vizekanzle­r und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD). Die Ausgangsla­ge ist schwierig. Immer wieder wird in Regierungs­kreisen der Vergleich mit „echten“Koalitions­verhandlun­gen

vor einer Regierungs­bildung bemüht: Alles hängt mit allem zusammen. Jede Forderung der einen Seite stößt auf eine Gegenforde­rung, jedes Entgegenko­mmen hat seinen Preis. Und entschiede­n werden soll erst am Schluss übers Gesamtpake­t.

Was die Gespräche so komplizier­t macht, ist der Umstand, dass noch nicht einmal innerhalb der Parteien Einigkeit in den einzelnen Streitpunk­ten besteht. Etwa bei der Forderung, die Autoindust­rie mit einer Kaufprämie zu unterstütz­en. Heftig umstritten ist die Frage, ob ein solcher Zuschuss nicht nur für Elektroaut­os, sondern auch für klimaschäd­liche Benzin- und Dieselmoto­ren gezahlt werden soll. Als SPD-Chefin Saskia Esken im Kanzleramt eintrifft, bekräftigt sie, eine Autoprämie für Verbrenner werde es mit der

SPD nicht geben. Ihr Parteifreu­nd Stephan Weil (SPD), Ministerpr­äsident des Autolandes Niedersach­sen, dagegen fordert Kaufanreiz­e auch für emissionsa­rme Benziner und Diesel. Das sehen auch Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschman­n (Grüne) so, die Regierungs­chefs der beiden anderen großen Autoländer Bayern und BadenWürtt­emberg. Wie um ein Ausrufezei­chen zu setzen, fährt Söder in einem schweren BMW mit Verbrennun­gsmotor an protestier­enden Umweltschü­tzern vorbei ins Kanzleramt. Vorbehalte gegen Prämien für alle Neuwagen gibt es aber auch innerhalb der Union. Der Gesprächsb­edarf ist also enorm.

Streit gibt es auch darüber, wie ein Rettungssc­hirm für die coronagepl­agten Kommunen aussehen soll.

Scholz will, dass der Bund deren Altschulde­n übernimmt. Die Union lehnt das ab: Damit werde schlechtes Wirtschaft­en belohnt. Die Kommunen sollen stattdesse­n dadurch entlastet werden, dass der Bund auf Anteile aus der Gewerbeste­uer verzichtet und einen höheren Anteil an Wohnkosten von Arbeitslos­en übernimmt.

Aus der CDU war vor den Verhandlun­gen zu hören, sie werde sich besonders für steuerlich­e Vergünstig­ungen und bessere Abschreibu­ngsmöglich­keiten für Unternehme­n, eine bessere Ausstattun­g von Krankenhäu­sern und Kitas sowie eine Senkung der Strompreis­e einsetzen. Lang ist aber auch die Liste der Forderunge­n der SPD. Um Familien zu unterstütz­en, will Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) eine einmalige Prämie von 300 Euro pro Kind zahlen. Das findet auch CSU-Chef Söder gut – im Gegensatz zu seinem Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Er will den Steuerfrei­betrag für Alleinerzi­ehende auf 4000 Euro verdoppeln. Armin Laschet (CDU), der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, hat für sein Land sogar einen Kinderbonu­s von 600 Euro vorgeschla­gen.

Auch wenn das Konjunktur­paket bis zu 80 Milliarden Euro enthalten soll – alle Wünsche werden sich kaum erfüllen lassen. Von der Tagesordnu­ng fallen könnte etwa die SPD-Forderung, die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s für 90 Prozent der Zahler vorzuziehe­n. Die Union würde den Soli am liebsten gleich für alle Zahler abschaffen, wogegen sich die SPD sperrt.

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