Neuburger Rundschau

Betrug bei Soforthilf­en: Tricks, Strafen und Schaden

Die Finanzhilf­en ließen auch Betrüger kreativ werden mit Fake-Seiten, Phishing-Mails und falschen Angaben. Zum Stand der Ermittlung­en

- WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Berlin Schnell und unbürokrat­isch – so sollten die Hilfsgelde­r in der Corona-Krise ausgezahlt werden. Dabei haben auch einige die Hand aufgehalte­n, denen die Hilfen nicht zustehen. In allen Bundesländ­ern ermitteln die Behörden wegen Betrugs. Eine Umfrage bei Landeskrim­inalämtern, Staatsanwa­ltschaften und Landesmini­sterien zeigt: Die Aufarbeitu­ng hat erst begonnen.

● Wie groß ist der Schaden? Täglich kommen neue Verfahren hinzu, zur Schadenshö­he können Polizei und Justiz in vielen Fällen daher noch keine endgültige­n Angaben machen. Die Ermittlung­sverfahren dauern zudem häufig mehrere Monate. Die Oberstaats­anwaltscha­ft in Berlin berichtete bis Ende Mai von Vermögenss­icherungsm­aßnahmen zwischen 3,5 und 4 Millionen Euro, in Bayern betrug der vermutete Schaden zu dem Zeitpunkt 900 000 Euro. In Niedersach­sen schätzte die Polizei den Schaden auf etwa 300000 Euro. In Nordrhein-Westfalen gehen die Ermittler davon aus, dass allein durch den Betrug mittels sogenannte­r Fake-Seiten in elf Fällen ein Schaden von über 227 000 Euro verursacht wurde.

● Wie viele Betrugsfäl­le gibt es bundesweit? Die Zahl der bestätigte­n Betrugsfäl­le kann derzeit weder auf Landes- noch auf Bundeseben­e verlässlic­h benannt werden, weil die

vielerorts noch laufen. Das sind zunächst Verdachtsf­älle und keine bestätigte­n Fälle. Nach Angaben der Behörden gab es Ende Mai bundesweit mindestens 2200 Betrugsver­dachtsfäll­e. Die Zahl ist nur bedingt aussagekrä­ftig. Darin sind etwa keine Fälle aus Nordrhein-Westfalen enthalten, da das Landeskrim­inalamt bisher keine Zahlen vorgelegt hat. In NRW hatten sich laut einem Sprecher der Zentral- und Ansprechst­elle Cybercrime beispielsw­eise aus etwa 900 im Zusammenha­ng mit Fake-Seiten bis kurz vor Ende der Auswertung rund elf tatsächlic­he Betrugsfäl­le ergeben. Die Zahl der Verdachtsf­älle variiert stark von Land zu Land: In Berlin liefen Ende Mai rund 500 Ermittlung­sverfahren, „täglich kommen etwa 40 neue Verfahren hinzu“, hieß es von der Oberstaats­anwaltscha­ft. Aus Hamburg wurden Ende Mai über 80 Verdachtsf­älle gemeldet. Bild am Sonntag meldete am Wochenende, dass die Zahl der Subvention­sbetrugsfä­lErmittlun­gen le bundesweit sogar bei mehr als 3000 liege.

● Wie läuft der Betrug ab? Die Behörden berichten von vielen Maschen. Die Betrüger machen etwa falsche Angaben zu ihrer Situation oder setzen die ausgezahlt­en Gelder nicht sachgerech­t ein. Einige Unternehme­n, für die Gelder beantragt werden, existieren gar nicht oder sind bereits lange insolvent, andere beantragen die Hilfen mehrfach. Manch einer beantragte Hilfen für eine fremde Firma und gab die eigeEinzel­anzeigen nen Kontodaten an. Andere versuchen, mit den Daten anderer Menschen an die Hilfen zu kommen – via Internet- oder Telefonbet­rug oder auch über Trickdiebs­tahl an der Haustür. Häufiger wurde versucht, mithilfe sogenannte­r Fake-Seiten, die meist offizielle Onlineauft­ritte imitieren, an Daten zu gelangen. Die Seiten werden häufig im Ausland gehostet. Bundesweit waren den Behörden Ende Mai nach dpa-Recherchen mindestens 18 solcher Fake-Seiten in über der Hälfte aller Bundesländ­er bekannt. Nicht immer wurden auch Daten über sie abgegriffe­n – und auch wenn Daten abgegriffe­n wurden, ist in vielen Fällen kein Geld ausgezahlt worden. Auch mithilfe von gefälschte­n E-Mails – sogenannte­n Phishing-Mails – versuchten Betrüger, Daten abzugreife­n.

● Wie fliegt der Betrug auf? Der Betrug fällt auf ganz unterschie­dliche Weisen auf: Oft stellen die Bewilligun­gsbehörden – häufig Förderbank­en auf Landeseben­e – Unstimmigk­eiten im Antrag fest. Teilweise melden auch die Banken, bei denen die Antragstel­ler ihr Konto haben, dass ihr Kunde keinen Anspruch auf die Gelder hat – etwa weil er schon lange insolvent ist. Andernorts haben sich Leute bei den Behörden gemeldet, weil sie vermuteten, Nachbarn hätten die Hilfen zu Unrecht erhalten.

● Welche Strafen drohen? Das variiert von Fall zu Fall. Mögliche strafrecht­liche Vergehen sind Geldwäsche, Subvention­sbetrug, Fälschung beweiserhe­blicher Daten und/oder Ausspähen von Daten. Je nachdem drohen Geld- und unter Umständen auch Freiheitss­trafen – in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren, heißt es etwa aus Hessen.

● Können die Verantwort­lichen gefasst werden? In vielen Fällen sind die Verdächtig­en bekannt, die mit dem Antrag auch ihre Identität preisgegeb­en haben. In anderen Fällen laufen die Ermittlung­en gegen unbekannt.

● Wie wird versucht, den Betrug zu verhindern? Nach Bekanntwer­den der ersten Fälle wurde vielfach nachgebess­ert: Bei der Antragstel­lung werden teilweise spezielle Prüfteams eingesetzt, vielerorts sind Prüfverfah­ren oder die stichprobe­nartigen Überprüfun­gen ausgebaut worden. Gleichzeit­ig haben Polizei und Bewilligun­gsstellen falsche Internetse­iten publik gemacht und zum Beispiel in den sozialen Medien vor den Tricks gewarnt, Fake-Seiten wurden abgeschalt­et, ausgezahlt­e Hilfen wurden häufig sichergest­ellt. Außerdem kann die Finanzverw­altung im kommenden Jahr prüfen, ob die Soforthilf­en korrekt angegeben und rechtmäßig beantragt wurden. Anne Pollmann, dpa

 ?? Foto: Martin Gerten, dpa ?? Schnell und unbürokrat­isch sollten die Corona-Soforthilf­en an die Empfänger kommen, um die schlimmste­n Folgen der Krise abzufedern. Doch das nutzten auch Betrüger aus – es laufen zahlreiche Ermittlung­sverfahren.
Foto: Martin Gerten, dpa Schnell und unbürokrat­isch sollten die Corona-Soforthilf­en an die Empfänger kommen, um die schlimmste­n Folgen der Krise abzufedern. Doch das nutzten auch Betrüger aus – es laufen zahlreiche Ermittlung­sverfahren.

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