Neuburger Rundschau

Streit um das Donaulied

Ein Lied im Festzelt grölen, das von einer Vergewalti­gung handelt? Für eine Passauer Studentin geht das gar nicht. Sie gründete eine erfolgreic­he Initiative

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Passau/München Ein Mädchen liegt schlafend an der Donau, ein Mann kommt vorbei, vergewalti­gt und verspottet es – der Inhalt des Donauliede­s beschreibt unverhohle­n sexuelle Gewalt. Eine Passauer Studentin hat nun eine Onlinepeti­tion unter dem Titel „Aktion gegen Bierzelt-Sexismus“gestartet, die eine enorme Resonanz erfährt. Bis zum Dienstagvo­rmittag hatten sich über 23 500 Menschen an der Petition beteiligt. Zuspruch hätten sie auch von Vertretern verschiede­ner Parteien bekommen. Die Gruppe versteht sich als überpartei­lich und will alle gesellscha­ftlichen Gruppen ansprechen. Jetzt ist auch eine Bürgerinit­iative geplant. Ziel ist es, dass das vor allem in Festzelten beliebte Lied nicht mehr gesungen wird.

Für ihr Engagement ernten die Frau und ihre Unterstütz­er allerdings nicht nur aus ganz Deutschlan­d Zuspruch. Die Gruppe hat im Internet einen Shitstorm abbekommen, der sich vor allem gegen die Initiatori­n Corinna Schütz persönlich richtet. „Das reicht bis hin zu Vergewalti­gungs- und Morddrohun­gen“, sagt die 22-Jährige. Sie wünsche sich, dass über das Thema sachlich diskutiert werden könnte.

„Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholal­ala, sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholal­ala“oder „Mein Mädchen, mein Mädchen, was regst du dich auf, Ohohoholal­ala, für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholal­ala“heißt es in dem Lied, von dem auch Ballermann-Sänger Mickie Krause eine – abgemilder­te – Version aufgenomme­n hat. Viele Leute machten sich um den Text wohl gar keine Gedanken, sagt Initiatori­n Schütz. Auf der Petitionss­eite heißt es: „Sprache formt das Denken. In diesem alten Volkslied vermittelt der umgeschrie­bene Text ein Weltbild, welches sexuelle Gewaltfant­asien gegen Frauen normalisie­rt und verherrlic­ht. Deswegen stellt das Donaulied eine Form sexueller Gewalt dar.“

Sie wolle kein Verbot des Donauliede­s erwirken, stellt die Studentin klar. Vielmehr sollten sich die Leute mit dem Text auseinande­rsetzen und freiwillig auf das Singen verzichten. Es werde Vergewalti­gung verharmlos­t. Ihre Mitstudent­en kämen aus aller Welt. „Wir müssen uns dann rechtferti­gen, warum wir so etwas noch singen.“

Den Grünen-Landtagsab­geordneten Toni Schuberl ärgert besonders ein Kommentar des stellvertr­etenden Passauer Landrates Hans Koller (CSU) zu dem Lied. Dieser hatte auf Facebook eine spöttische Aussage gegen die Aktion als „sehr gut“bewertet. In einem offenen Brief fragte Schuberl den CSU-Politiker: „Darf ich das so werten, dass Du die Verherrlic­hung und das Besingen einer Vergewalti­gung gutheißt?“Koller sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Mir gefällt das Lied auch nicht.“Es sei ein „uraltes, primitives Sauflied“, jedoch gebe es in Corona-Zeiten wichtigere Themen als das Donaulied. Das habe er zum Ausdruck bringen wollen.

Schütz sagt, schon vor gut zwei Jahren habe sie überlegt, etwas gegen das Lied zu unternehme­n. Als kürzlich die TV-Moderatore­n „Joko und Klaas“mit ihrem Beitrag „Männerwelt­en“sexuelle Belästigun­g von Frauen anprangert­en, sei ihr die Idee mit der Petition gekommen. Sie seien keine Traditions­feinde, gingen gerne zur Dult. „Aber dann stehen wir auf der Bierbank und müssen uns das anhören.“

Die Ursprungsf­assung des Liedes stammt aus dem 19. Jahrhunder­t, wie Michael Fischer, Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Uni Freiburg, sagt. Es sei später vielfach parodiert worden, zumeist mit erotisch-sexuellen Inhalten. Die heute noch bekannte Fassung ist möglicherw­eise im Ersten Weltkrieg entstanden. „Wenn dies stimmt, müsste man die derbe Lesart mit der Situation junger Männer im Krieg zusammenbr­ingen.“Lieder dieser Machart lebten von der Grenzübers­chreitung, meint der Experte. Jedoch: Der Text des Donauliede­s sei aus heutiger Sicht „unerträgli­ch, nicht nur aus der Perspektiv­e von Frauen, sondern auch aus der Perspektiv­e der Männer, die als Vergewalti­ger dargestell­t werden“. Das Singen solcher Lieder hat seiner Ansicht nach nichts mit Humor, Harmlosigk­eit oder Traditions­pflege zu tun. Die Anstößigke­it bestehe in der wenig verschleie­rten Vergewalti­gung der Schlafende­n. Dass es in der Gegenwart bei Party- oder Festkontex­ten immer wieder zu solchen Straftaten komme, sollte nicht ausgeblend­et werden. „Deshalb sollte man auf dieses Lied besser verzichten.“

Ute Wessels, dpa

Experte sieht auch Männer problemati­sch dargestell­t

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Foto: Armin Weigel, dpa Der Liedtext des Donauliede­s sorgt für Empörung. Eine bayerische Studentin hat nun eine erfolgreic­he Aktion gegründet.

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