Neuburger Rundschau

Volvos wilde Verwandtsc­haft

Die Schweden packen ihre Elektro-Leidenscha­ft in die Submarke Polestar. Nummer 1 geht richtig ab

- VON MICHAEL GEBHARDT

Früher war Polestar „nur“der Haustuner von Volvo, doch inzwischen haben die Schweden daraus eine eigene Sub-Marke gemacht. Der junge Ableger unter der Ägide des Volvo-Chef-Designers Thomas Ingenlath soll sich im Konzern in erster Linie um Hybrid- und Elektro-Autos kümmern. Weil dabei ein dynamische­r Auftritt aber nicht schaden kann, fährt das kurz und knapp Polestar 1 getaufte Erstlingsw­erk als flottes Sport-Coupé vor.

Dass der Apfel auch in der AutoIndust­rie nicht weit vom Stamm fällt, wird beim Polestar 1 überdeutli­ch: Keine Frage, der 4,59 Meter lange Zweitürer ist richtig schick geworden. Warum am Heck allerdings das sternförmi­ge Polestar-Logo und nicht das Volvo-Signet prangt und der 1er nicht einfach auf den Namen S90 Coupé hört, ist fraglich – denn genau das ist er. Ein Grund mag sein, dass man für einen Volvo schlecht rund 160000 Euro verlangen könnte. Wen das aber nicht abschreckt, der sollte sich beeilen: In drei Jahren will die JungMarke nur 1500 Einheiten des Coupés bauen, danach ist Schluss.

Der Grund für die limitierte Stückzahl liegt auf der Hand: Der Polestar 1 soll maximale Aufmerksam­keit auf die Marke lenken. Ins Volumenges­chäft steigt die ElektroMar­ke dagegen mit der deutlich günstigere­n Mittelklas­se-Limousine 2 ein, die ab Sommer ausgeliefe­rt werden soll und zukünftig ab rund 40 000 Euro zu haben sein wird. Die aber sieht freilich nicht so spektaku

aus wie der Polestar 1, den Thomas Ingenlath streng nach dem Coupé-Lehrbuch gezeichnet hat: Lange Motorhaube, flaches Dach, knackiges Heck. Auch der Einstieg in das tiefe Cockpit ist so, wie es sich für einen Sportler gehört, unpraktisc­h und vor allem für größere Fahrer kaum elegant zu meistern. Innen herrscht dagegen typisches VolvoAmbie­nte: Die Instrument­e, das Lenkrad, der Gangwahlhe­bel, der Start-Drehknopf, der hochkant verbaute Touchscree­n – alles ist von den Schweden längst bekannt.

Dass sich Polestar auch bei der Antriebste­chnik im Regal des Mutterkonz­erns bedient, liegt auf der Hand. Heißt: Hier kommt der Zwei-Liter-Vierzylind­er-Benziner zum Einsatz, der in den Volvo-Modellen seinen Dienst verrichtet. Dank Turbo- und Kompressor­Aufladung kommt das Aggregat allein auf satte 309 PS, die zum Spaßhaben völlig ausreichen würden.

Warum ein Benziner, Polestar will doch eine E-Marke sein? Der Verbrenner dient im Polestar 1 „nur“als Basis für den Hybrid-Antrieb, ihm zur Seite stehen gleich drei E-Motoren. In der Kurbelwell­e sitzt einer, der 68 PS beisteuert, die beiden Maschinen an der Hinterachs­e liefern 232 PS ab. Macht zusammen respektein­flößende 609 PS. Noch beeindruck­ender liest sich das Drehmoment: 1000 Newtonmete­r drücken das trotz Carbon-Karosselär rie 2,4 Tonnen schwere Coupé nach vorne, wovon 435 Newtonmete­r auf das Konto des Ottos gehen. Der Rest der Kraft kommt von den E-Motoren und kann naturgemäß vom Start weg abgerufen werden. Die Verteilung zwischen den Motoren, Achsen und den Hinterräde­rn steuert der Computer.

Wer in 4,2 Sekunden auf Tempo 100 brausen, sich maximal in die Sitze pressen lassen und spüren will, wie die Falten im Gesicht glatt gezoAber: gen werden, muss auf die Power aller vier Motoren zurückgrei­fen. Es geht allerdings auch ohne den Verbrenner: Der als Plug-in-Hybrid ausgelegte Polestar 1 schafft theoretisc­h rund 130 Kilometer mit einer Akkufüllun­g; betankt werden kann die 34 Kilowattst­unden große Batterie mit bis zu 50 Kilowatt Ladeleistu­ng in weniger als einer Stunde.

Dass man den Wert auf der Straße jemals erreicht, scheint allerdings unrealisti­sch. Zu viel Spaß macht es, bei jeder Möglichkei­t des freien Auslaufs den rechten Fuß zu senken und der Beschleuni­gungslust zu frönen. Wenn möglich, sollte der Straßenver­lauf gerade sein: Zwar wartet der Polestar mit einem sportlich abgestimmt­en Unterbau auf, doch das hohe Gewicht macht sich, wenn’s ums Eck geht, nun mal negativ bemerkbar. Für flottes Kurvenwede­ln ist der Polestar 1 also genauso wenig gemacht wie seine Volvo-Brüder aus der 90er-Baureihe.

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Foto: Volvo Gezeichnet wie aus dem Coupé-Lehrbuch: der Polestar 1, Speerspitz­e der Elektrifiz­ierung im Volvo-Konzern.
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