Neuburger Rundschau

Treue Seele auf drei Beinen

Ein Verein aus dem Illertal setzt sich für Hunde ein. Er sucht Familien für Tiere. Viele der Hunde, die sie vermitteln, kommen aus Osteuropa und sind vom Leben sichtbar gezeichnet. Wie nachhaltig das Engagement ist

- VON CHRISTOF PAULUS

Kirchberg Wer nicht genau hinschaut, sieht bloß zwei Kullerauge­n, die einen neugierig ansehen. Kräftige Beine und eine Schnauze, die nur darauf wartet, ihre Umwelt zu erschnüffe­ln. Und zwei Ohren, die aufmerksam alles wahrnehmen, was um sie herum geschieht. Kurz: Wer nicht genau hinschaut, sieht in Raya eine Hündin, die so zu sein scheint, wie ihre Artgenossi­nnen auch. Doch etwas ist merkwürdig: Raya fehlt etwas. Sie hat nur drei Beine.

Raya lebt in einem Tierheim in Bulgarien. Dort hatte sie einen Autounfall, das ist noch gar nicht so lange her, sie wurde angefahren und verwundet. Weil die Wunde nicht verheilte, musste man ihr das linke Vorderbein amputieren. Seitdem hat Raya eine Behinderun­g. Jetzt suchen Ehrenamtle­r nach einer Familie für sie in Deutschlan­d.

Davon erzählen kann Elfriede Mangold. Die 70-Jährige ist Vorsitzend­e eines Vereins, der sich nicht um Menschen kümmern möchte, die ein Haustier suchen, sondern um Tiere, denen ein Zuhause fehlt. Kurz: Der Verein sucht für Tiere, nicht für Menschen. So steht es auf der Website der Tierhilfe Kirchberg, beheimatet in einer kleinen Gemeinde am württember­gischen Ufer der Iller, auf halbem Weg zwischen Memmingen und Illertisse­n. Warum Hunde in Not geraten, kann viele Gründe haben. Manche wurden ausgesetzt, andere mussten ihre bisherige Familie verlassen. In einigen Fällen starben die Herrchen oder Frauchen der Hunde, diese sind teils selbst schon nicht mehr die Jüngsten. Auch kommt es vor, dass Hunde mit einer Behinderun­g, die im Ausland leben, dort nicht angemessen versorgt werden. Mangold hofft, dass sie in Deutschlan­d eine Zukunft haben.

Zwölf Jahre besteht die Tierhilfe nun, immer wieder erreichen Mangold Hilferufe aus Rumänien oder Bulgarien. Manchen Tieren geht es so wie Raya: Sie hatten einen Unfall und fortan eine Behinderun­g. 27 solcher Tiere haben Mangold und ihre Vereinskol­legen inzwischen in ein neues Zuhause vermittelt. Bedenkt man, dass der Verein seit 2008 besteht, zeigt sich schnell: Häufig bleibt die Suche ohne Erfolg. Manche hätten Vorbehalte den Tieren gegenüber, sagt Mangold. Sie wollten stattdesse­n jüngere Hunde. Vor einer Behinderun­g schreckten sie zurück, da sie befürchtet­en, dass diese mit größeren Anstrengun­gen und Ausgaben verbunden sein könnten. Doch das Gegenteil sei der Fall.

„Diese Tiere sind unglaublic­h dankbar“, erzählt sie. Sie gingen auf Menschen zu, seien oft Mischlings­und von ihrer Behinderun­g abgesehen deshalb meist sogar gesünder als reinrassig­e Hunde. In den Tierheimen oder anderen Einrichtun­gen, in denen sie sich aktuell aufhalten, nehmen andere Tiere im Zusammenle­ben mit ihnen keine Rücksicht. „Sie bauen schnell wieder ihre

Muskulatur auf“, sagt Mangold. „So können sie mit den anderen problemlos mithalten.“Deshalb kämen Raya und andere Dreibeiner für „alle möglichen Personen“infrage, wie Mangold sagt. Sie würden in eine Familie passen genauso wie in Einzelhaus­halte. Und weil sie aufgrund ihhunde rer Einschränk­ung weniger agil sind, falle es auch älteren Menschen leichter, sich um die Hunde zu kümmern.

Der Deutsche Tierschutz­bund möchte das Anliegen des Vereins nicht kommentier­en, da dieser kein Mitglied im Verband ist. Er teilt jedoch mit, dass er grundsätzl­ich „den regelmäßig­en, massenhaft­en Import von Auslandsti­eren“ablehnt. Das helfe nur kurzfristi­g, wichtiger sei die Hilfe im Ausland, etwa durch den Bau von Tierschutz­zentren oder Lobbyarbei­t bei Politikern. Von diesem Grundsatz gebe es allerdings Ausnahmen – etwa, wenn ein Tier aus medizinisc­hen Gründen nicht im Ausland bleiben könne oder dort nicht überleben würde. Mangolds Schilderun­gen zufolge treffen diese Kriterien auch auf die von der Tierhilfe importiert­en Hunde zu.

Die Vermittlun­g erfolge gegen eine Spende in Höhe von 280 Euro, erklärt Mangold. Transport und Vermittlun­g müssen aus rechtliche­n Gründen als gewerblich­es Handeln betrachtet werden, der Verein sei allerdings gemeinnütz­ig. Nicht jeder Interessen­t bekomme einen Hund: Wenn die Vermittler der Tierhilfe merkten, dass die Lebensumst­ände der Menschen nicht zu einem Hund im Haushalt passen, gäben sie das Tier nicht ab. Viele der Hunde, die die Tierhilfe vermittelt, sind noch in Tierheimen im Ausland. Höchstens zehn Hunde leben bei Mangold im Haus, auch andere Vereinsmit­glieder nehmen Tiere bei sich auf. Ein eigenes Tierheim gibt es nicht, auch wenn Mangold dies anstrebt.

Der Kontakt ins Ausland besteht über ehrenamtli­che Tierfreund­e, die dort unter anderem in Tierheimen Ausschau halten nach Hunden, die Hilfe brauchen. Diese berichtete­n Mangold zudem von dramatisch­en Zuständen etwa in rumänische­n Tierheimen. Dort lebten teils 800 Tiere, die Einrichtun­gen seien überfüllt. Es mangele an Futter und Heizungen. Wenn zu viele Hunde im Heim seien, brächten die Mitarbeite­r die Tiere dort regelmäßig um. Für Raya hofft Mangold deshalb, noch einen Platz in Deutschlan­d zu finden. Sie sei „eine treue Seele von Hund“, berichtete­n ihr die Ehrenamtle­r aus Bulgarien. Allerdings mache ihr noch zu schaffen, dass sie seit kurzer Zeit ein Bein weniger hat. Ihr fehle derzeit die Kraft. „Ich hoffe, dass wir sie nach Deutschlan­d bekommen“, sagt Mangold.

 ?? Fotos: Tierhilfe Kirchberg ?? Raya hatte in Bulgarien einen Unfall, die Wunde verheilte so schlecht, dass ihr linkes Vorderbein amputiert werden musste. Jetzt wartet sie in Bulgarien auf ein neues Zuhause in Deutschlan­d.
Fotos: Tierhilfe Kirchberg Raya hatte in Bulgarien einen Unfall, die Wunde verheilte so schlecht, dass ihr linkes Vorderbein amputiert werden musste. Jetzt wartet sie in Bulgarien auf ein neues Zuhause in Deutschlan­d.
 ??  ?? Auch Mina hat nur noch drei Beine, kommt mit ihrer Behinderun­g aber gut zurecht. Sie hat bereits ein neues Zuhause gefunden.
Auch Mina hat nur noch drei Beine, kommt mit ihrer Behinderun­g aber gut zurecht. Sie hat bereits ein neues Zuhause gefunden.
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Mischlings­hündin Pucky sucht noch eine neue Familie.

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