Facebooks Fassade bröckelt
Konzern-Chef Mark Zuckerberg steht massiv in der Kritik – erstmals auch aus den eigenen Reihen. Auslöser sind umstrittene Äußerungen von Donald Trump. Wie nahe stehen sich beide?
Menlo Park Zwei Männer haben in den USA jüngst ungeahnte Grenzen aufgezeigt bekommen. Da ist Donald Trump, der sich in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter umstritten zu den Protesten äußerte, die der Tod von George Floyd im ganzen Land entfachte. Der USPräsident schrieb: „When the looting starts, the shooting starts.“Diese Ankündigung, auf Plünderungen würden Schüsse folgen, verstand Twitter als Gewaltverherrlichung und ließ zum ersten Mal überhaupt einen Beitrag des Präsidenten hinter einem Warnhinweis verschwinden. Twitter-Chef Jack Dorsey erhielt für seinen Schritt breite Zustimmung – und brachte damit Mark Zuckerberg, Chef von Facebook, in Zugzwang. Doch der weigert sich, es dem Rivalen gleichzutun. Was nun ebenfalls zu einem Novum führte: Facebook-Mitarbeiter stellen sich erstmals öffentlich gegen ihren Chef – und das auf breiter Front. Facebooks Fassade bröckelt.
Der Proteststurm aus den eigenen Reihen begann mit einer Brise. „Ich bin ein Angestellter von Facebook und stehe fest gegen Marks Entscheidung, nichts gegen Trumps Posts zu unternehmen, obwohl sie klar Gewalt anstacheln“, schrieb Entwickler Jason Stirman. Er fügte hinzu: „Ich bin bei Facebook nicht alleine. Es gibt keine neutrale Position
zu Rassismus.“Dass Stirman damit tatsächlich nicht alleine stand, zeigten die folgenden Tage. Immer mehr Mitarbeiter wagten sich aus der Deckung. Die kleine Rebellion fand ihren vorläufigen Höhepunkt zu Wochenbeginn, als FacebookMitarbeiter, dem Technikportal The Verge zufolge waren es einige hundert, aus dem Homeoffice heraus ihren Dienst verweigerten.
Facebook-intern sind Gegenstimmen zu Zuckerbergs Kurs nicht unüblich, schreibt Steven Levy, der jüngst ein Buch über Facebook veröffentlicht hat, in einem Beitrag für das Online-Magazin Wired. „Damit aber an die Öffentlichkeit zu gehen, ist ein Verstoß gegen das Omertàähnliche Gesetz, nach dem Zuckerberg nicht öffentlich kritisiert werden darf“, erklärt der renommierte Journalist. „Omertà“bezeichnet die Schweigepflicht von Mitgliedern der Mafia gegenüber Außenstehenden. Die Zeit des Schweigens ist für
Facebook-Mitarbeiter jetzt vorbei. Mehrere haben ihres Chefs wegen inzwischen gekündigt, dies entsprechend kommuniziert – und viel Zuspruch erfahren.
Und Zuckerberg? Hält an seinem Kurs fest, obwohl inzwischen auch die ersten Werbepartner die Zusammenarbeit mit Facebook beendet haben. Er schrieb auf der Plattform, die er 2004 gegründet hatte und bis heute kontrolliert, die „spaltende und aufwieglerische Rhetorik“von Trumps Beitrag widerstrebe ihm. Jedoch: „Meine Verantwortung ist es, nicht nur persönlich zu reagieren, sondern als Chef einer Institution, die sich der Redefreiheit verschrieben hat.“In einer Videokonferenz stellte sich der Konzern-Chef am Dienstag den Fragen seiner Angestellten. Dabei habe er unter anderem erklärt, dass die Androhung von Gewalt durch Regierungen von den Facebook-Regeln gedeckt sei, wie die New York Times unter Berufung auf einen Mitschnitt der Unterhaltung berichtete. In der Videokonferenz sei die Frage aufgekommen, warum so viele kluge Köpfe bei Facebook ein Auge zudrückten, um Trump nicht zu verärgern. An Zuckerbergs Lesart, Facebook sei der letzte Leuchtturm der Meinungsfreiheit, gibt es jedenfalls Zweifel.
Schon länger wird über eine politische Befangenheit der Unternehmensführung von Facebook spekuliert. Chef-Lobbyist des Konzerns ist Joe Kaplan, ein Konservativer. Er arbeitet seit fast zehn Jahren im Büro in der Hauptstadt Washington, war zuvor für Ex-Präsident George Bush tätig und gilt als enger Freund des umstrittenen Verfassungsrichters Brett Kavanaugh. Haben die Republikaner über Kaplan einen direkten Draht zu Zuckerberg und damit zu einem der mächtigsten Kommunikationsinstrumente überhaupt? Fest steht: Erst am Freitag telefonierten Trump und Zuckerberg, wie Facebook und das Weiße Haus bestätigten. „Produktiv“sei es gewesen, das Gespräch. Näheres ist nicht bekannt. Nach Ansicht von Steven Levy könnte ein weiterer Grund für Zuckerbergs Kurs viel einfacher sein. „Zuckerberg ist bekannt für seine Sturheit“, schreibt Levy bei Wired. „Und so führt er auch sein Unternehmen.“Da er mit seinen Firmenanteilen eine Stimmenmehrheit hat, könne er den Konzern nach Gutdünken kontrollieren.