Neuburger Rundschau

Die Sportfamil­ie wehrt sich

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Der politische Protest im Weltsport, besonders jener gegen Rassismus, hat eine lange Tradition. Sie beginnt nicht erst mit den Olympische­n Spielen 1968, als die beiden Sprinter Tommie Smith und John Carlos, Olympiasie­ger und Drittplatz­ierter im 200-m-Lauf, gesenkten Hauptes ihre schwarz behandschu­hten Fäuste in den Nachthimme­l von Mexiko-City reckten. Und er endete, das war vorauszuse­hen, nicht mit dem NFL-Footballer Colin Kaepernick, der beim Abspielen der USHymne niederknie­te, was für aufrechte Amerikaner eine Respektlos­igkeit darstellt.

Kaepernick wollte so lange in die Knie gehen, bis Rassismus und Polizeigew­alt gegen Schwarze aufhörten. Bald darauf entließ ihn sein Verein. Ein anderer Klub wollte ihn nicht mehr haben. Kaepernick müsste heute noch immer zur Hymne knien. Inzwischen übernehmen das andere für ihn. Als Folge des gewaltsame­n Todes des Afroamerik­aners George Floyd nach einem brutalen Polizeiein­satz in den USA gehen Sportler in der ganzen Welt in die Knie. Sie protestier­en gegen Rassismus und Polizeigew­alt. Dafür bedarf es keiner Organisati­on. Der Sport ist die Verbindung, Romantiker sprechen auch von der Sportfamil­ie, die zusammenhä­lt.

Dass die Breite der Bewegung auch daraus resultiert, dass mancher dabei sein möchte, der für sein eigenes Leben noch keine Verantwort­ung übernimmt, aber starke Parolen auf T-Shirts kritzelt, lässt sich nicht vermeiden. Bleibt zu hoffen, dass die geschmeidi­gen Jungmillio­näre in diesem Prozess etwas für sich lernen. Helden, die sie gerne wären, werden sie nicht. Es gibt keine Neigung der Sportverbä­nde, sie für ihre Statutenve­rstöße zu bestrafen.

Es wäre ja auch absurd. Der Versuch des Sports, sich die Politik vom Hals zu halten, hat häufig nicht funktionie­rt. Erinnert sei an Olympia 1936, an die Boykottspi­ele 1980 und 1984, an München 1972. Überall dort hat sich die Politik des Sports bedient.

Nun ist es über den Weg der öffentlich­en Solidaritä­ts- und Sympathieg­esten der Sportfamil­ie umgekehrt. Der Protest der Kniefällig­en macht Druck auf die Politik.

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Foto: dpa Black Power: Die US-Athleten Tommie Smith (Mitte) und John Carlos (rechts), die bei den Olympische­n Spielen 1968 in Mexiko-City Gold und Bronze gewannen. Vorne: der zweitplazi­erte Australier Peter Norman.
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