Schmerzlich vermisst
Die Knochen sind eingerostet nach drei Monaten ohne Sport. Während sich die Fans des Kraftsports im heimischen Wohnzimmer mit Liegestütz und Co. fit halten konnten, war das für Reha-Sportler schwieriger
Neuburg Das Unkrautzupfen war schon weit weniger beschwerlich für Ingeborg Döring. Vor Corona zum Beispiel. Denn bis vor drei Monaten ging die 85-Jährige regelmäßig zu ihrer „Gymnastik“, wie sie den Präventionskurs gerne nennt. Im Neuburger Fitnessstudio „NoLimit“besuchte sie immer donnerstags den Rücken-Kurs, um ihrer beginnenden Osteoporose entgegenzuwirken. Doch dann kam Corona und alles war zu. Kein Rücken-Kurs, kein Schwätzchen davor und danach, kaum Bewegung. „Meine Enkel haben mich animiert, zu Hause ein paar Übungen zu machen“, erzählt sie. Aber das sei nicht dasselbe, wie unter fachlicher Aufsicht. Die drei Monate haben ihr und ihrem Körper nicht gutgetan, wie sie sagt: „Die Schmerzen sind wiedergekommen.“
Umso mehr freut sie sich, dass am kommenden Montag, 8. Juni, auch Fitnessstudios wieder öffnen dürfen. Endlich – als einer der letzten Unternehmensbereiche. „Ich hätte gute Lust gehabt, einen Bus mit meinen Patienten voll zu machen und zu Herrn Söder nach München zu fahren“, berichtet Cornelia Reiter. Sie betreibt das „Rücken College“in der Neuburger Rosenstraße. In dem Reha-Studio geht es nicht um Muskelpumpen und Maximalgewicht, sondern um das Gesundwerden und die Gesunderhaltung. Die meisten Kunden sind aus medizinischen Gründen dort und wurden vom Arzt geschickt. „Deswegen kann man uns doch nicht mit normalen Fitnessstudios vergleichen“, findet Reiter. Sie fühlte sich abgehängt von der Politik: „Es wäre wichtig gewesen, nicht alle in einen Topf zu werfen. Wir hätten viel früher an der Reihe sein müssen zur Wiedereröffnung.“
Online-Kurse, wie sie viele Fitnessstudios angeboten haben, sind im Reha-Bereich schwierig. „Die meisten unserer Teilnehmer, die Gernation 60 plus, sind nicht so fit im Umgang mit PC und Laptop“, erzählt Andrea Beßle von der RehaSportgemeinschaft. Und außerdem müsse gerade im Rehabereich viel korrigiert und verbessert werden, was über den Computer nicht möglich sei. Als es vor gut zwei Wochen erlaubt wurde, Kurse im Freien anzubieten, hat Beßle nach diesem Strohhalm gegriffen. Aber erlaubt waren nur Kurse unter freiem Himmel und maximal vier Teilnehmer. Das Wetter machte aber oft einen
Strich durch die Rechnung, sodass ihr Fazit lautet: nicht wirklich befriedigend. Seit zwölf Jahren halten sie und ihre Kollegen im ganzen Landkreis Präventions- und Rehakurse ab, die von der Krankenkasse bezahlt werden. Bei ihnen geht es also nicht rein um den Spaß an Sport und Bewegung, sondern um Muskelkräftigung
und Beweglichkeit zur Gesundung oder Gesunderhaltung. Die Kurse wurden von den Teilnehmern im wahrsten Sinne des Wortes schmerzlich vermisst.
Wenn am Montag alle wieder kommen dürfen, gelten strenge Hygieneauflagen. Die Umkleideräume und Duschen sind gesperrt, auch Saunen und Solarien dürfen nicht benutzt werden. Während des Trainings muss kein Mundschutz getragen werden, aber beim Kommen und Gehen, wie Gregor Krebs, Inhaber des Neuburger Fitnessstudios „NoLimit“erklärt. Geräte und Matten müssen noch mehr desinfiziert werden als sonst und die Abstände unter den Trainierenden eingehalten werden. „Alles machbar“, sagt Krebs und auch bei seinem Kollegen vom „Moofit“in Karlshuld, Hans-Peter Dittenhauser, überwiegt die Freude über die baldige Wiedereröffnung: „Ich hab mir die Auflagen schlimmer vorgestellt.“Zum Beispiel, dass die Zahl der Teilnehmer weiterhin beschränkt sein würde oder dass gar verpflichtend mit Maske trainiert werden müsse.
Etwas anders als gewohnt wird auch das Training im Gladiator Fight Club ablaufen, wenn sich ab Montag die Pforten in der Neuburger Schrannenstraße wieder öffnen. Es wird ein „Phantomtraining“, sagt Inhaber Egzon Gashi lachend, denn Boxkämpfe dürfen wegen der Hygienemaßnahmen nicht stattfinden. Die Sportler werden sich deshalb auf Schatten- und Fitnessboxen beschränken müssen. Das Training mit Hanteln, mit dem Sandsack und im neuen Gerätebereich sind erlaubt – auch wenn Gashi dort wegen der Abstandsregeln jedes zweite Gerät sperren muss. In den Kursräumen ist markiert, wo die Trainierenden stehen dürfen. „Schon Wahnsinn das alles“, sagt er kopfschüttelnd, „aber was willst du machen?!“
Man darf Reha-Studios nicht mit normalen Fitnessstudios vergleichen.