Er war Bürgermeister mit „Leib und Seele“
Seit 1994 war Leonhard Kandler Bürgermeister der Gemeinde Baar. Sein Herz schlägt weiterhin für die Belange des Orts – doch zeitgleich zieht es ihn auch in ferne Länder, sobald das wieder möglich ist
Sie waren zum Teil Jahrzehnte im Amt und haben ihre Gemeinden geprägt. Zum 1. Mai haben gleich zehn von 16 Bürgermeistern im Aichacher Land aufgehört. In einer Serie verabschieden wir die langjährigen Bürgermeister und erkundigen uns, wie ihre Nachfolger die ersten Tage im Amt erlebt haben.
Baar Viele Amtshandlungen des ehemaligen Baarer Bürgermeisters Leonhard Kandler begannen in seiner 26-jährigen Amtszeit an einem eher ungewöhnlichen Ort – nämlich in seiner Backstube. Dort verbrachte Kandler die Morgenstunden und die Vormittage, bevor er sich mittags in das Gewand des Rathauschefs warf, Grundstücksverhandlungen tätigte, Sitzungen besuchte und versuchte, die Anfragen der Bürger zu lösen, die sie ihm in seiner Backstube zutrugen.
In der Backstube steht der 70-Jährige schon seit einiger Zeit nicht mehr. Doch zum „Hartl“, wie die Baarer ihren Bürgermeister nannten, der seit der Unabhängigkeit des Ortes im Jahr 1994 die Geschicke der Kommune führte, kommen die Baarer noch immer. Nur ein Detail hat sich geändert, denn nun agiert er als privater Tippgeber – schließlich ist seit dem 1. Mai dieses Jahres Kandlers Nachfolger, Roman Pekis, im Amt, womit auch eine Ära der Ortsgeschichte endete.
Nach den ersten zwei Jahren als Bürgermeister (1994 bis 1996) sollten vier weitere Legislaturperioden folgen. Die letzte Amtsperiode, die im Jahr 2014 begann, war für Kandler auch die „Vorbereitung auf den Ausstieg“, wie er erklärt. Dass er Platz machen wollte für Jüngere, war dem 70-Jährigen sechs Jahre lang klar. Dass Roman Pekis, der jüngste der drei Bewerber um seine Nachfolge, seine Stelle einnehmen würde, war damals noch nicht absehbar, freut den Ex-Bürgermeister aber umso mehr. „Er wird ein guter Motor werden“, ist sich Kandler sicher. Denn neben all den Dingen, die man als Bürgermeister lernen müsse, sei das etwas, was einem kein Seminar lehre.
Kandler selbst wird die Ehrenauszeichnung als „Altbürgermeister“erhalten. Das beschlossen die Räte im nichtöffentlichen Teil der ersten Sitzung unter der Regie von Pekis Anfang Mai. An der öffentlichen Sitzung nahm Kandler als Gast teil und unterstrich damit auch seine Passion für die Kommunalpolitik: „Ich war Bürgermeister mit Leib und Seele.“Er gebe zwar die Verauch antwortung ab, mitnichten aber das Interesse an der Politik.
Blickt er auf seine Jahre im Amt zurück, kann Kandler von Höhen und von Tiefen berichten, von Projekten, die gut funktioniert haben, und anderen, für die er sich noch heute einen anderen Ausgang gewünscht hätte. „Das Projekt der Dorferneuerung ist tief in meiner Seele verankert“, verrät der 70-Jährige und ergänzt, dass er sicherlich zu den Ersten gehören würde, wenn das Thema eine zweite Chance bekäme. Auch ein Hochwasserschutzprogramm für die Kleine Paar warte in einem Ordner auf die Umsetzung, berichtet Kandler. Über den aktuellen Stand von Grundstücksverkäufen und Tauschgeschäften habe er seinen Nachfolger natürlich informiert, erklärt Kandler und bot ihm
hier seine Hilfe an: „Wenn er mich braucht, verhandle ich auch selber weiter.“Präsent ist nach wie vor die Erinnerung an ein Highlight seiner Amtszeit, das ihn ebenso überraschend traf wie der Wahlsieg im Jahr 1996. Unmittelbar nach dem Wahlsieg wurde er mit der Hiobsbotschaft überrascht, dass die Kläranlage
neu gebaut werden müsste. Mit dem Blick eines Praktikers ging Kandler ans Werk, sorgte für die Sanierung der Anlage und einen Nutzungsvertrag mit der Brauerei. So konnte er nicht nur den kostenintensiven Neubau abwenden, sondern auch dafür sorgen, dass die Brauerei bei der Abwasserentsorgung finanziell mit einstieg.
Ohne große Diskussionen konnte Kandler hingegen einen seiner großen Wünsche für den Ort erfüllen – nämlich den Traum von einer eigenen
Musikkapelle im Ort. Zudem bewirkte das Vertrauen der Bürger, dass er die Idee, alles hinzuwerfen, stets wieder verwarf. Jetzt hofft er auf ein baldiges Ende der Reiseeinschränkungen, schließlich will er nach Israel reisen und auch Südafrika, Südamerika und Kanada wären für Kandler interessante Ziele. Bis es so weit ist, wird es dem Opa von 13 Enkeln und einem Urenkel sicherlich nicht langweilig, denn die Jüngsten sieht er täglich.
Höhen und Tiefen in den vergangenen Jahren Leonhard Kandler konnte einen seiner größten Wünsche erfüllen: eine Musikkapelle für Baar