Neuburger Rundschau

„Kann nicht sein, dass eine Branche diktiert“

Wie SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sein Nein zu einer Verbrenner-Kaufprämie begründet und warum er das Verhältnis zu den Gewerkscha­ften nicht gestört sieht

- Interview: Bernhard Junginger

Herr Walter-Borjans, die IG Metall tobt, weil die SPD eine Autokaufpr­ämie auch für Verbrenner im Konjunktur­paket der Bundesregi­erung verhindert hat. Von einer industriep­olitischen Geisterfah­rt ist die Rede, die Arbeitsplä­tze gefährde. Hat die SPD ihr Herz für die Beschäftig­ten der Autoindust­rie verloren?

Walter-Borjans: Ganz im Gegenteil. Uns hat der Gedanke geleitet, dass die Autoindust­rie samt der Zulieferer eine Schlüsselb­ranche für Deutschlan­d ist. Wir wollen, dass die Autoindust­rie noch stärker auf die Arbeitspla­tzsicherun­g der Zukunft setzt. Da haben die Konzerne viel vernachläs­sigt, etwa was die Entwicklun­g von klimafreun­dlichen Elektroaut­os betrifft. Die Autolobby überspannt den Bogen.

Was haben die Autobauer Ihrer Meinung nach falsch gemacht? Walter-Borjans: Die Konzerne wollen die Sorgen der Beschäftig­ten für ihre Zwecke nutzen. Es geht ja nicht um das „Ob“staatliche­r Hilfe. Es kann aber nicht sein, dass eine Branche dem Staat diktiert, auf welche Weise die Förderung zu erfolgen hat. Was wäre, wenn die Lufthansa dem Staat sagen würde, macht für uns alle Tickets 20 Prozent billiger, aber haltet Euch aus allem anderen heraus? Auch die Hersteller von Waschmasch­inen kommen nicht daher und verlangen staatliche Rabatte. Eine Prämie für die herkömmlic­hen Produkte wäre ökologisch falsch und ökonomisch unwirksam.

Sie stört offenbar auch der Ton der Autolobby …

Walter-Borjans: Die Politik ist nicht Empfänger von Branchenor­dern. Die Autokonzer­ne fordern im Ergebnis, dass der Steuerzahl­er als Ausfallbür­ge bei Boni für Bosse und Dividenden für Aktionäre herhalten soll.

Ist die enge Verbindung zwischen SPD und IG Metall jetzt Geschichte? Walter-Borjans: Nein, überhaupt nicht. Wir tauschen uns eng mit allen Gewerkscha­ften aus – auch und gerade jetzt mit der IG Metall. Sie alle wissen, dass wir im Konjunktur­paket

sehr viel für die gesamte Wirtschaft getan haben. Auch die Autobranch­e profitiert massiv von der Förderung von Forschung und Entwicklun­g, da werden Milliarden investiert. Die degressive Abschreibu­ng entlastet die Unternehme­n enorm. Das sagt auch die IG Metall. Und mit der Mehrwertst­euersenkun­g wird die Konjunktur insgesamt angekurbel­t.

Die IG Metall lobt nun ausgerechn­et CSU-Chef Markus Söder, der für die Mehrwertst­euersenkun­g und damit eine verkappte Autoprämie gesorgt. Wie sehr schmerzt Sie das? Walter-Borjans: Mit dieser skurrilen Interpreta­tion kann ich leben. Die Mehrwertst­euersenkun­g war auch unser Wunsch. Und es gehört nun einmal zum politische­n Fingerhake­ln, dass man mit Sympathie für den Gegner droht.

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Foto: dpa SPD-Chef Walter-Borjans zeigt sich genervt von den Autobossen.

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