Neuburger Rundschau

Lufthansa stürzt aus dem Dax ab

Die Corona-Krise wirbelt auch die erste deutsche Aktienliga durcheinan­der: Gründungsm­itglied Lufthansa muss Platz machen für die Deutsche Wohnen. Für die Fluggesell­schaft ist das aber nur ein Nebenschau­platz

- WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Frankfurt am Main Rettungspa­ket, Schrumpfku­rs – und nun auch noch der Absturz aus dem Dax: Die Corona-Krise trifft die Lufthansa mit voller Wucht. Nach 32 Jahren verliert die Airline ihren Platz im Leitindex der Börse. Vom 22. Juni an findet sich das Gründungsm­itglied des Deutschen Aktieninde­x im MDax der mittelgroß­en Werte wieder. Nutznießer der Lufthansa-Misere ist der Berliner Immobilien­konzern Deutsche Wohnen, der sich schon seit geraumer Zeit Hoffnungen auf eine Aufnahme in den Kreis der 30 Dax-Konzerne macht.

Die Bundeshaup­tstadt bekommt mit dem Aufstieg der Deutschen Wohnen 14 Jahre nach der Schering-Übernahme durch Bayer wieder einen Vertreter in der ersten deutschen Börsenliga. Nach der Entscheidu­ng der Deutschen Börse vom späten Donnerstag­abend lagen am Freitag die Aktien beider Konzerne zunächst im Plus. Der Frankfurte­r Marktbetre­iber überprüft regelmäßig die Zusammense­tzung seiner Aktienindi­zes. Maßgeblich für die Zugehörigk­eit zum Kreis der 30 Dax-Konzerne sind der Börsenumsa­tz (Handelsvol­umen) und der Börsenwert (Marktkapit­alisierung) eines Unternehme­ns. Der Kurs der Lufthansa-Aktie war im Sog der Corona-Krise eingebroch­en. Zudem war der Streubesit­z, also der Anteil der frei handelbare­n Aktien, nach dem Einstieg des Münchner Unternehme­rs Heinz Hermann Thiele als Großaktion­är gesunken. Der Milliardär hatte sich im März über seine Investment­gesellscha­ft KB Holding mit Aktien der Airline eingedeckt. Nach jüngsten Angaben beträgt Thieles Anteil an der Deutschen Lufthansa AG zehn Prozent. Analysten hatten daher mit dem Wechsel im Dax bereits gerechnet. Wie erwartet ersetzt das Werbeunter­nehmen Ströer die Deutsche Pfandbrief­bank im MDax, die in den SDax absteigt. Dort ersetzen der UV-Experte Dr. Hönle und Atoss Software den Halbleiter­hersteller Elmos Semiconduc­tor und den Finanzvert­rieb MLP.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr war bei der Vorlage der Zahlen für das erste Quartal am Mittwoch gefragt worden, ob ein Dax-Abstieg die Finanzieru­ngsfähigke­it der Lufthansa beeinträch­tigen würde. Die Frage Dax oder MDax sei nicht so relevant, antwortete der Manager. „Schade ist es aber trotzdem.“

Die Deutsche Wohnen SE kommt als zweiter Immobilien­konzern in den Dax. „Wir freuen uns sehr über den Aufstieg in den Leitindex des deutschen Aktienmark­tes. Dies belegt unsere erfolgreic­he Entwicklun­g in den vergangene­n Jahren“, sagte Vorstandsc­hef Michael Zahn.

Der größte deutsche Vermieter, die Bochumer Vonovia, ist seit fünf Jahren im Leitindex notiert.

Die Deutsche Wohnen – Deutschlan­ds zweitgrößt­er privater Vermieter mit bundesweit 160000 Wohnungen – will für künftiges Wachstum die boomenden Metropolre­gionen im Blick behalten. Der Sprung in den Dax bedeute auch große Verantwort­ung, sagte Zahn bei der Hauptversa­mmlung des Immobilien­konzerns am Freitag: „Wir übernehmen Verantwort­ung für Mitarbeite­r, Mieter und selbstvers­tändlich unsere Aktionäre.“Angesichts steigender Mieten steht die Deutsche Wohnen vor allem in Berlin in der Kritik. Mietervert­reter fürchten, dass der Druck auf Mieter mit dem Dax-Aufstieg zunehmen wird. Wichtig sind Index-Änderungen vor allem für Fonds, die Indizes exakt nachbilden (ETF). Dort muss dann entspreche­nd umgeschich­tet werden, was in der Regel Einfluss auf die Aktienkurs­e hat.

Die Zugehörigk­eit zum Dax ist aber auch eine Frage von Prestige: Gerade für internatio­nale Investoren ist das wichtigste deutsche Börsenbaro­meter das Aushängesc­hild der deutschen Wirtschaft. Nächster regulärer Überprüfun­gstermin für die Zusammense­tzung der Aktienindi­zes

der Deutschen Börse ist der 3. September. Mit ihrem Dax-Abstieg ist die Deutsche Lufthansa AG in namhafter Gesellscha­ft: Im September 2019 musste das IndustrieU­rgestein Thyssenkru­pp den TopBörseni­ndex verlassen, ein Jahr zuvor erwischte es die Commerzban­k, die ausgerechn­et dem Zahlungsab­wickler Wirecard Platz machen musste. Auch Thyssen und die Commerzban­k gehörten zum Kreis der 15 Gesellscha­ften, die seit dem Start des Dax am 1. Juli 1988 ohne Unterbrech­ung gelistet waren.

Die Lufthansa war in der CoronaKris­e schwer unter Druck geraten, weil seit Monaten kaum noch Flugverkeh­r möglich ist. In dem Konzern mit insgesamt etwa 138 000 Beschäftig­ten stehen deswegen tausende Jobs auf der Kippe. Die Bundesregi­erung hat ein Hilfspaket geschnürt, das verschiede­ne Hilfen und Eigenkapit­almaßnahme­n in einer Gesamthöhe von neun Milliarden Euro vorsieht. Im Gegenzug soll der staatliche Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s 20 Prozent der Aktien übernehmen. Zudem ist vorgesehen, dass der Bund zwei Posten im 20-köpfigen Aufsichtsr­at besetzt. Die Aktionäre werden am 25. Juni um Zustimmung zu dem Rettungspa­ket gebeten. Jörn Bender, dpa

 ?? Fotos: dpa ?? Nach 32 Jahren verliert die Lufthansa ihren Platz in den 30 größten börsennoti­erten Unternehme­n in Deutschlan­d und wird künftig im MDax, also in der „zweiten Liga“notiert. Die Deutsche Wohnen ist nun der zweite Immobilien­konzern im Dax.
Fotos: dpa Nach 32 Jahren verliert die Lufthansa ihren Platz in den 30 größten börsennoti­erten Unternehme­n in Deutschlan­d und wird künftig im MDax, also in der „zweiten Liga“notiert. Die Deutsche Wohnen ist nun der zweite Immobilien­konzern im Dax.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany