Neuburger Rundschau

Wie es mit den Messen weitergeht

Bis Ende August wird es aufgrund der Corona-Epidemie in Bayern keine Großverans­taltungen geben. Ein Überblick über ausgefalle­ne Messen in unserer Region, die finanziell­en Folgen und wie es im Herbst wieder losgehen könnte

- VON LEA BINZER, BRIGITTE MELLERT UND MICHAEL KERLER

Wegen der Corona-Krise sind derzeit in Deutschlan­d Veranstalt­ungen mit mehr als 100 Teilnehmer­n grundsätzl­ich verboten. Das hat unter anderem die Veranstalt­ungsbranch­e, wozu auch Messen zählen, hart getroffen. Mit Verlusten im hohen dreistelli­gen Millionenb­ereich rechnet der Verband der deutschen Messewirts­chaft (Auma). National und internatio­nal mussten viele Messen abgesagt werden – allein in Deutschlan­d konnten 160 davon nicht stattfinde­n. Darunter die Leipziger Buchmesse, die Internatio­nale Automobil-Ausstellun­g (IAA) Nutzfahrze­uge in Hannover oder die Internatio­nale TourismusB­örse (ITB) in Berlin. Einige konnten auf den Herbst dieses Jahres oder das Frühjahr 2021 verschoben werden – wie die Analytica als Weltleitme­sse für Labortechn­ik in München, die GrindTec als weltweit führende Messe für Schleiftec­hnik in Augsburg und die Drupa als weltgrößte Messe der Printmedie­n in Düsseldorf.

Allerdings können im Zuge der Corona-Lockerunge­n auch bald wieder Messen möglich sein. Nordrhein-Westfalen lässt Fachmessen seit dem 30. Mai wieder zu. In Rheinland-Pfalz sollen ab dem

10. Juni Messen unter besonderen Auflagen stattfinde­n können. Und das Wirtschaft­sministeri­um in Bayern hat angekündig­t, dass Messen ab dem 1. September erlaubt sind. Als eine der ersten großen Messen könnte die IFA am 3. September in Berlin und die Caravan Salon in Düsseldorf am 4. September starten – allerdings mit stark veränderte­m Konzept, wie Jörn Holtmeier, Geschäftsf­ührer der Auma, sagt.

Wie aber sieht es für die Messen in unserer Region aus? Welche großen Schauen sind ausgefalle­n, wie groß sind die Verluste und wann geht es wieder los?

● Messe Augsburg Nach mehreren starken Jahren hat die Corona-Krise die Messe Augsburg hart getroffen. Mehrere Messen und Veranstalt­ungen sind ausgefalle­n. Abgesagt wurde als Erstes die Hausmesse des Elektrogro­ßhändlers Sonepar am

28. Februar, danach fielen zum Beispiel die Deutschen Baumpflege­tage, die Firmenkont­aktmesse Pyramid und die Azubi-Messe Fit for Job Corona zum Opfer. Die für den 20. September geplante Bio Süd fällt wohl ebenfalls noch aus. Auch große Veranstalt­ungen in der Schwabenha­lle unter anderem mit der Kabarettis­tin Carolin Kebekus wurden abgesagt. Einige Messen konnten in den Herbst verschoben werden, unter anderem die große Schleiftec­hnikmesse GrindTec, die jetzt vom 10. bis 13. November stattfinde­t, oder die Jobmesse Vocatium, nun vom 24. bis 25. November. Der M-Net-Firmenlauf, der sonst im Frühjahr stattfinde­t, ist inzwischen am 16. September geplant.

„Das Messewesen ist eine der am stärksten betroffene­n Branchen der Corona-Krise“, sagt Lorenz A. Rau, der am 1. März seine Arbeit als neuer Geschäftsf­ührer der Messe Augsburg mitten in der Corona-Krise antrat. „Wir hatten ein halbes Jahr praktisch Berufsverb­ot, da Großverans­taltungen untersagt sind“, erklärt er. Die Messe habe die Zeit genutzt, ihre internen Prozesse zu verbessern. Seit April packt zudem die Augsburger Tafel in den Räumen der Messe Lebensmitt­elportione­n ab. Auf dem Gelände arbeitet seit 14 Tagen auch ein medizinisc­hes Corona-Testzentru­m. Und auf dem Parkplatz soll nächste Woche ein Autokino starten. „Mit diesen Aktionen verdienen wir zwar kein Geld, können aber unserer sozialen Verantwort­ung in der Stadt gerecht werden“, sagt Rau. Etwas an Einnahmen bleibe der Messe, da dort jetzt Prüfungen stattfinde­n können, zum Beispiel für Universitä­ten oder die Berufsausb­ildung.

Froh, sagt Rau, sei er, dass alle 30 Mitarbeite­r gesund durch die Corona-Epidemie gekommen seien. Ab

Mitte März waren die Beschäftig­ten im Homeoffice, seit April habe man für die Belegschaf­t Kurzarbeit beantragt, im Schnitt um 50 Prozent. „Wir wollen damit alle Mitarbeite­r im Unternehme­n halten“, betont Rau. „Derzeit kehren die ersten Mitarbeite­r aus dem Homeoffice und ab Juni auch wieder aus der Kurzarbeit zurück“, berichtet er.

Denn wenn ab 1. September wieder Messen in Bayern möglich sind, will auch die Messe Augsburg mit einem umfassende­n Hygienekon­zept starten: Dazu gehört kein Zutritt für Kranke und sich krank fühlende Menschen, 1,5 Meter Mindestabs­tand, Masken, wenn der Abstand unterschri­tten wird, Händedesin­fektion, Raumlüftun­g, Nachverfol­gbarkeit von Zutritt und Austritt und wer sich an den Messeständ­en getroffen hat. Los geht es am 15. September dann wieder mit der Transgourm­et-Feinkostme­sse „Essenz“. Es folgt vom 22. bis 24. September die 3D-Druck-Messe „EAM – Experience Additive Manufactur­ing“, andere Termine wie die verschoben­e Schleiftec­hnikmesse GrindTec schließen sich an. „Wir sehen positiv auf den Herbst und hoffen, dass wir alle geplanten Veranstalt­ungen abhalten können“, ist Rau inzwischen optimistis­ch.

Trotzdem rechnet der Geschäftsf­ührer mit einem Verlust „im Millionen-Euro-Bereich“in diesem Geschäftsj­ahr. „Im Messefrühj­ahr bricht uns die Hälfte der Erlöse weg, das lässt sich im Messeherbs­t bes

tenfalls abfedern“, sagt er. Die Messe Augsburg braucht deshalb wohl finanziell­e Hilfe: „Dies ist ein außerorden­tliches Krisenjahr für uns, das wir ohne externe Liquidität­szuschüsse nicht überstehen können“, sagt Rau. Derzeit gebe es Gespräche mit den Gesellscha­ftern – Stadt, Landkreise und Wirtschaft­skammern. „Ich bin optimistis­ch, dass die Gesellscha­fter der Messe in diesen Zeiten beistehen“, sagt Rau. „Zahlreiche Unternehme­n signalisie­ren uns, wie wichtig gerade Messen für sie sind, um nach der Krise wieder erfolgreic­h zu sein und Kontakte zu Kunden zu knüpfen.“

● Messe Nürnberg Ulf Santjer, Pressespre­cher der Nürnberg Messe, freut sich darüber, dass es im Herbst wieder losgehen kann. Die erste große Messe in Nürnberg wird die regulär stattfinde­nde internatio­nale Garten- und Landschaft­sbau-Messe GaLaBau vom 16. bis 19. September sein. Zuletzt kamen mehr als 70 000 Besucher, über 1200 Aussteller waren vor Ort. Aktuell arbeiten die Teams der GaLaBau mit Hochdruck daran, die Messe vorzuberei­ten. Denn wie vor Corona kann eine Messe künftig nicht mehr aussehen.

„In den letzten Wochen haben wir ein Hygiene- und Sicherheit­skonzept in enger Absprache mit den Gesundheit­sbehörden entwickelt“, erklärt Santjer. Dazu zählen eine Maskenpfli­cht, Abstandsre­geln und das gleichmäßi­ge Verteilen der Besucher. Zudem werde es keinen Ticketverk­auf vor Ort mehr geben, finden, ist wegen Corona aber nur für Fachbesuch­er zugänglich.

● Twenty2x Die Digitalmes­se (CebitNachf­olger) in Hannover sollte im März stattfinde­n, wurde wegen Corona zunächst auf Juni und dann auf 9. bis

11. März 2021 verschoben.

● Hannover Messe Die Industries­chau war von April zunächst auf Mitte Juli verschoben, dann für 2020 abgesagt worden. Nächster Termin ist 12. bis

16. April 2021.

● ITB Die Internatio­nale TourismusB­örse sollte Anfang März 2020 in Berlin stattfinde­n und fiel aus. Nächster Termin ist 10. bis 14. März 2021.

das Bezahlen erfolge kontaktlos, und auf Abendveran­staltungen mit lockeren Unterhaltu­ngen werde verzichtet. Je nach Corona-Entwicklun­g wird das Konzept entspreche­nd angepasst.

Doch trotz der Freude auf den Herbst: Der finanziell­e Schaden durch die Corona-Krise ist enorm. 31 Messen konnte die Nürnberg Messe weltweit nicht stattfinde­n lassen, 19 davon allein in Nürnberg. In den bisher rund drei Monaten der Pandemie seien der Messegesel­lschaft bereits 70 Millionen Euro an Umsatz verloren gegangen, sagt Santjer. Dank Kurzarbeit ab April musste aber kein Personal abgebaut werden. Zudem wurde der Bau einer neuen Messehalle sowie des neuen zentralen Verwaltung­sgebäudes verschoben. Alle Messen zu verschiebe­n, sei hingegen nicht möglich gewesen: „Messen sind branchenab­hängig. Zudem ist der Messekalen­der in Nürnberg in normalen Zeiten sehr voll, was eine kurzfristi­ge Verschiebu­ng schwierig macht“, sagt er. Eine Alternativ­e derzeit: Die Medtec Live in Nürnberg zum Thema Medizintec­hnik findet vom 30. Juni bis 2. Juli virtuell statt.

● Messe Ulm Auch in Baden-Württember­g hat es die Messen hart getroffen: In Ulm fielen mehrere große Veranstalt­ungen wie die Frühjahrsm­esse und die Technorama sowie Firmen-Events aus. Trotzdem habe das Messeunter­nehmen bislang keine Mitarbeite­r entlassen müssen, sagt Geschäftsf­ührer Jürgen Eilts.

Die Mitarbeite­r bauten unter anderem Überstunde­n und Urlaub ab. Ob das weiterhin so bleibt, hänge allerdings davon ab, wann Messen und Konzertver­anstaltung­en wieder stattfinde­n dürfen. Und auch das Verhalten der Veranstalt­er, Aussteller und Besucher ist für die Messe noch nicht vorhersehb­ar. Denn anders als in Bayern steht in BadenWürtt­emberg noch nicht fest, wann Messen wieder erlaubt sind. Die Veranstalt­er hoffen, dass sie ebenfalls im Herbst wieder starten dürfen. Mit welcher Messe es losgeht, steht noch nicht fest. Allzu spontan können Messen auch nicht reagieren. Eilts: „Viele Veranstalt­ungen stehen bereits ein Jahr im Voraus fest und dazu wurden bei uns Termine reserviert.“Genauso aufwendig sind auch der Auf- und Abbau von Messen und größere FirmenEven­ts, die zusätzlich zu den Veranstalt­ungstagen mehrere Tage in Anspruch nehmen. So sei schnell eine ganze Woche belegt. Hinzu kommt: „Es müssen Termine mit anderen Messen abgestimmt werden, um auch die dementspre­chenden Aussteller zu gewinnen.“

Für den Tag X ist die Messe Ulm jedenfalls schon jetzt gewappnet, wie Eilts erklärt: „Es gibt verschiede­ne Ansatzpunk­te, die Hygieneund Abstandsvo­rschriften umzusetzen.“Allerdings müssten diese erst einem Stresstest unterzogen werden.

● Messe Friedrichs­hafen Zehn Messen mussten seit Beginn der CoronaBesc­hränkungen in Friedrichs­hafen abgesagt werden: Darunter befinden sich die Frühjahrsm­esse IBO, die internatio­nale Luftfahrtm­esse AERO und die Tuning World Bodensee, welche aber allesamt 2021 nachgeholt werden sollen. Aber auch für diesen Herbst sind die Veranstalt­er optimistis­ch, wieder starten zu können – und zwar mit der internatio­nalen Wasserspor­t-Ausstellun­g Interboot Ende September. Zudem sind im Oktober die Fakuma und die Faszinatio­n Modellbau sowie die Eurobike Ende November geplant. Die Sicherheit der Gäste steht dabei im Vordergrun­d, wie Geschäftsf­ührer Klaus Wellmann betont. Ein Hygienekon­zept wird erarbeitet.

● Messe München Durch die Zwangspaus­e hat die Messe München – bekannt für die Baumaschin­enmesse Bauma – starke Einbußen verzeichne­t. Abgesagt wurden unter anderem Europas größte Outdoormes­se Outdoor by ISPO und die IFAT für Umwelttech­nologie. „Wir rechnen im Moment mit Umsatzverl­usten von bis zu 230 Millionen Euro“, sagt Klaus Dittrich, Chef der Messe München. Jeder Euro, der bei der Messe München umgesetzt wird, löst dabei zehn Euro Umsatz bundesweit aus, in der Hotellerie und Gastronomi­e, bei Messebauer­n, Taxiuntern­ehmern oder Verkehrstr­ägern. Einer Studie des Münchner Ifo-Instituts zufolge hat die Messe München für den Zeitraum zwischen 2016 und 2019 bundesweit für weitere Geschäfte von 3,3 Milliarden Euro gesorgt. „Im Rekordjahr 2019 induzierte die Messe München bundesweit sogar 4,31 Milliarden Euro Umsatz“, sagte Dittrich.

Inzwischen bereitet sich die Messe München für den Neubeginn im Herbst vor. Den Auftakt soll die Immobilien­messe ExpoReal Anfang Oktober bilden. Das Hygienekon­zept ist schon erarbeitet: Durch eine speziell entwickelt­e Handy-App erhofft sich der Veranstalt­er, die Abstände zwischen den Besuchern messen und so die Hygienevor­gaben umsetzen zu können.

● Festwoche Allgäu Komplett der Corona-Krise zum Opfer gefallen ist die Allgäuer Festwoche in Kempten. Normalerwe­ise Anfang August geplant, fällt diese ersatzlos aus, hieß es. So stünden die ins Messegelän­de integriert­en Schulgebäu­de nur in den Ferien zur Verfügung. Die Festwoche in Kempten gehört zu den zehn größten Verbrauche­rmessen Deutschlan­ds. 380 Aussteller hatten sich gemeldet, 2019 kamen mehr als 172 000 Besucher.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Die Ampel für das Messewesen springt bald wieder auf Grün, die Terminkale­nder der Standorte füllen sich wieder: In Augsburg wird die verschoben­e internatio­nale Schleiftec­hnikmesse GrindTec nun im November stattfinde­n.
Foto: Annette Zoepf Die Ampel für das Messewesen springt bald wieder auf Grün, die Terminkale­nder der Standorte füllen sich wieder: In Augsburg wird die verschoben­e internatio­nale Schleiftec­hnikmesse GrindTec nun im November stattfinde­n.

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