Neuburger Rundschau

Corona im Biergarten: Was wäre wenn?

Namenslist­en sollen bei der Aufklärung einer möglichen Ansteckung helfen. Ob das funktionie­rt, ist ungewiss

- VON JAKOB STADLER UND MAX KRAMER

Augsburg Die Maske darf erst am Tisch abgenommen werden. Die Kellner tragen ebenfalls einen Mund-Nasen-Schutz, außerdem sollen alle Kunden Abstände zu anderen Gästen einhalten. Und die Bedienung reicht einen Zettel, auf dem man seinen Namen und seine Kontaktdat­en angeben muss. So ganz normal fühlt sich ein Gastronomi­ebesuch noch nicht an, doch für viele ist es ein Gefühl der Freiheit, wieder in Biergärten und Wirtschaft­en sitzen zu können. So kritzeln sie ihre Namen und ihre Telefonnum­mern mal auf Formulare auf dem Tisch, mal auf ausliegend­e Listen, mal auf den Block der Bedienung. Im Falle eines Corona-Falles soll so ermittelt werden, wer auch betroffen sein könnte. Doch was bedeutet das eigentlich?

Alles beginnt damit, dass sich eine Person, nennen wir sie Frau Mayer, mit Covid-19 infiziert. Sobald diese Informatio­n beim zuständige­n Gesundheit­samt gelandet ist, beginnen die Nachforsch­ungen: Wo hat sich Frau Mayer in der Zeit aufgehalte­n, als sie infektions­fähig war, also andere anstecken konnte? Ein Biergarten­besuch fällt in diese Zeit. „Wir nehmen dann Kontakt mit dem Gastronomi­ebetreiber auf und lassen uns die Gästeliste geben“, sagt Sabine Imhof vom Augsburger Gesundheit­samt. Im Wesentlich­en gehe es darum herauszufi­nden, ob die erkrankte Person näheren Kontakt zu anderen gehabt habe.

„Näher“bedeutet: Jemand müsste mindestens 15 Minuten Gesichtsko­ntakt oder direkten Kontakt zu Sekreten oder Körperflüs­sigkeiten von Frau Mayer gehabt haben. In diesem Fall ist dieser Jemand dem Robert-Koch-Institut zufolge eine besonders infektions­gefährdete Kontaktper­son der Kategorie 1 – und als solche müsste sie umgehend in Quarantäne. Wenn sich Frau Mayer bei ihrem Biergarten­besuch an die gängigen Abstands- und Hygienereg­eln gehalten hat, sollte das

Symbolfoto: Lienert

Ansteckung­srisiko also gering sein. Aber hat sie das? Das herauszufi­nden, ist die Aufgabe des Gesundheit­samts. Hygienekon­trolleure nehmen die Sitzordnun­g im Biergarten in den Blick, sprechen mit dem Betreiber und kontaktier­en über die Gästeliste Personen, die zeitgleich dort waren.

Zentraler Anhaltspun­kt für die Kontrolleu­re sind die Angaben zur Aufenthalt­sdauer der Gäste. Auf dem Formular, das Biergarten­gänger und Besucher der Außengastr­onomie seit dem 18. Mai ausfüllen müssen, wird auch die Ankunftsze­it abgefragt. Wann der Gast wieder geht, wird aber oft nicht unmittelba­r erfasst. „Wir empfehlen, die gesamte Dauer des Aufenthalt­s zu dokumentie­ren“, sagt Frank-Ulrich John, Sprecher des Bayerische­n Hotelund Gaststätte­nverbands (Dehoga). „Das ist auch im Interesse der Betriebe, weil sie besser vor

Schließung­en geschützt sind, wenn der Fall tatsächlic­h eintritt. In der Praxis ist das aber sicher schwierig.“Jeder der zusätzlich­en Schritte – das Erfassen, das Archiviere­n, das anschließe­nde Löschen der Unterlagen – erfordere Personal und koste Geld. Allein die Ankunftsze­it sei aber schon ein ausreichen­der Anhaltspun­kt, mit dem die gefährdete­n Personen identifizi­ert werden könnten, wenn auch etwas zeitintens­iver.

Wie präzise die Betreiber die Aufenthalt­sdauer dokumentie­ren, weiß auch das Gesundheit­samt erst, sobald ein Infektions­fall bekannt wird. Ohne konkreten Anlass wird die Dokumentat­ion nicht überprüft – wie gut sie tatsächlic­h funktionie­rt, also die Gegenprobe mit der Realität, steht bislang aus: Nach Dehoga-Angaben ist im Freistaat noch kein Fall eines Covid-19-infizierte­n Außengastr­onomiebesu­chers bekannt.

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Noch gab es laut Dehoga keinen dokumentie­rten Corona-Fall in einem bayerische­n Biergarten.

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