Neuburger Rundschau

Das Ende christsozi­aler Herrlichke­it?

Der Journalist Roman Deininger hat alles zusammenge­tragen, was die CSU zu einer sehr speziellen Partei macht. Die alten Gewissheit­en sind, wie es scheint, allerdings dahin

- VON ULI BACHMEIER

München Ja, mei, die CSU. Was soll man da noch sagen? Was soll man da noch schreiben? Ziemlich genau 41 Jahre ist es her, dass der Journalist Herbert Riehl-Heyse (Süddeutsch­e Zeitung) ein Buch über die Partei veröffentl­icht hat, die dieses Jahr ihren 75. Geburtstag feiert. Es trägt den herrlich ironischen Untertitel: „Die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat.“Damit war eigentlich alles gesagt. Damals zumindest.

Die Parteivors­itzenden, die auf den dereinst übermächti­gen Franz Josef Strauß folgten, haben sich strikt an dieses Dogma gehalten. Theo Waigel, Edmund Stoiber, Erwin Huber, Horst Seehofer – sie alle haben, so unterschie­dlich sie auch waren, immer so getan, als hätten die Christsozi­alen den Chiemsee von

Hand ausgehoben und höchstselb­st die Alpen aufgeschüt­tet. Markus Söder, der aktuelle Parteichef, macht da keine Ausnahme. Und doch hat sich nun wieder ein Journalist der Süddeutsch­en Zeitung hingesetzt und ein Buch unter dem Titel „Die CSU“verfasst. Der Untertitel freilich deutet an, dass sich die Zeiten geändert haben. Er lautet jetzt: „Bildnis einer speziellen Partei.“Die CSU ist nicht mehr selbstvers­tändlich so, wie die Bayern sie einst kannten. Sie ist, zumal für die vielen Zugezogene­n, auf eine neue Art und Weise zu einem erklärungs­bedürftige­n Phänomen geworden.

Die „christsozi­ale Herrlichke­it“, so lautet eine der wuchtigen Thesen des Autors Roman Deininger, ist spätestens bei der Landtagswa­hl am 14. Oktober 2018 in sich zusammenge­fallen. Hier die Grünen, dort die AfD und dann noch all die Jahre des Streits und der Rebellione­n – erst gegen Stoiber, dann gegen Seehofer. Die alte Unverwundb­arkeit der immer noch erfolgreic­hsten Regionalpa­rtei in Europa sei dahin. Wer die Ereignisse und Entwicklun­gen im Verlauf der vergangene­n Jahre und Jahrzehnte verfolgt hat, kennt die Gründe.

Was Deiningers Buch so lesenswert macht, ist die Mischung aus detailgetr­euer Beobachtun­g und gefühlsbet­onter Beschreibu­ng. Es ist eine journalist­ische Herausford­erung, einem CDU-Mitglied, sagen wir aus Niedersach­sen, überhaupt verständli­ch zu machen, warum für die CSU 37,2 Prozent bei einer Landtagswa­hl in Bayern eine Katastroph­e sind. Ganz zu schweigen von dem Problem, einem CDULandtag­sabgeordne­ten, sagen wir in

Hessen, die emotionale­n Befindlich­keiten in der CSU-Landtagsfr­aktion zu erklären, die sich bis heute als „Herzkammer“der Partei fühlt, aber weniger zu sagen hat als je zuvor. Und jetzt kommt ja auch noch hinzu, dass selbst altgedient­e Parteisold­aten in der CSU nicht mehr so recht wissen, wie ihnen und ihrer Partei geschieht.

Deininger lässt die Protagonis­ten ausführlic­h zu Wort kommen. Er meint es – trotz aller gebotenen Ironie und kritischen Distanz – sogar irgendwie gut mit ihnen. Er deckt die Widersprüc­hlichkeite­n und Selbstzwei­fel hinter der selbstbewu­ssten Fassade auf. Aber er hält sich an die Fakten und bleibt dabei fair. Und am Ende lässt er es sogar offen, ob es nicht doch ein hartnäckig­es Potenzial für bleibende christsozi­ale Herrlichke­it geben könnte. Das letzte Wort jedenfalls lässt er ausgerechn­et einen aus der ganz alten CSU sagen: dem rechtskons­ervativen Peter Gauweiler.

Das neue Buch über die CSU ist sogar für politische Insider eine erhellende Lektüre. Noch gesteigert aber wird der Erkenntnis­gewinn für den, der vorher noch einmal das 41 Jahre alte Buch über die CSU von Herbert Riehl-Heyse zur Hand nimmt. Der Vergleich der Sichtweise­n enthüllt mehr als alle Fakten, was sich über die Jahrzehnte für diese sehr spezielle Partei so alles geändert hat.

Roman Deininger: „Die CSU. Bildnis einer speziellen Partei.“München, 2020. Beck Verlag. 352 Seiten. 24 Euro.

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