Neuburger Rundschau

Wer ist Christian B.?

Der Mann, der im Fall Maddie unter Verdacht steht, stammt aus schwierige­n Verhältnis­sen. Ein Freund soll ihn an die Polizei verraten haben. Aber es fehlt der entscheide­nde Beweis

- VON RALPH SCHULZE UND BENJAMIN STAHL

Braunschwe­ig/Würzburg Portugals Algarve war für Christian B. immer schon Sehnsuchts­ort. Oft wurde er auch zum Fluchtort, aber auch zum Tatort. Ob der 43-Jährige, der in Kiel hinter Gittern sitzt, neben anderen Straftaten dort einen Mord beging, ist eine offene Frage. Die Ermittler vermuten, dass der Mann, der zeitweise auch in Augsburg lebte, im Mai 2007 in dem Ferienort Praia da Luz die dreijährig­e Maddie McCann aus Großbritan­nien entführte und umbrachte.

Es gibt viele Hinweise. Auch am Mittwochab­end bei der ZDF-Sendung „Aktenzeich­en XY… ungelöst“seien zahlreiche Informatio­nen eingegange­n, sagt Hans Christian Wolters von der Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig. Aber: „Für einen Haftbefehl oder eine Anklage reicht es noch nicht aus.“Der entscheide­nde Beweis fehlt nach wie vor.

Mehrmals floh Christian B. vor der deutschen Justiz in das südeuropäi­sche Land, wo er viele Jahre in Praia da Luz lebte. In dem beschaulic­hen Ferienort verschwand Maddie vor 13 Jahren. Auch der damals 30-Jährige war zu dem Zeitpunkt dort. Das belegen Handydaten. Bis dahin und auch danach war sein Leben geprägt von Brüchen, Scheitern und Delikten.

Christian B., der 1976 als Christian F. in Würzburg geboren wurde, stammt aus schwierige­n Verhältnis­sen. Aus Gerichtsun­terlagen geht hervor, dass er als Kind zur Adoption freigegebe­n worden war und in einem Heim aufwuchs. 1992 zog er in Würzburg in ein Heim für schwer erziehbare Jugendlich­e. Seine Lehre zum Kfz-Mechaniker brach er ab, floh mit seiner damaligen Freundin nach Portugal, um einer Jugendstra­fe zu entgehen. Das Amtsgerich­t Würzburg hatte ihn 1994 wegen sexuellen Missbrauch­s eines Kindes zu einer zweijährig­en Jugendstra­fe verurteilt. Als „verstockt“, „einsilbig“und „sichtbar scheu“beschrieb ein Gerichtsbe­obachter den damals 17-Jährigen.

Das Strafregis­ter von Christian B. listet zwölf Verurteilu­ngen vom Drogenhand­el über Diebstahl und mehrfachen sexuellen Missbrauch von Kindern bis hin zu Vergewalti­gung sowie Besitz von Kinderporn­os auf. Urteile gegen ihn ergingen auch in Hannover, Braunschwe­ig und Niebüll, auch in Portugal wurde er verurteilt. Zwischen 1995 und 2007, so die Erkenntnis­se des Bundeskrim­inalamts, lebte er mehr oder weniger dauerhaft an der Algarve, unter anderem für einige Jahre in einem herunterge­kommenen Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Er soll sich mit Gelegenhei­tsarbeiten über Wasser gehalten haben und immer wieder mit Drogengesc­häften und Einbrüchen. Die Ermittler halten es für denkbar, dass er bei einem dieser Einbrüche von Maddie überrascht wurde.

Schon 2013, nach einer „Aktenzeich­en XY... ungelöst“-Sendung zum Fall Maddie, kamen die Ermittler auf die Spur von Christian B. Doch damals reichen die Hinweise nicht aus, ebenso vier Jahre später. Glaubt man britischen und portugiesi­schen Medien, dürfte 2017 ein deutscher Zechkumpan von Christian B. eine wichtige Rolle gespielt haben. Mit ihm hat sich B. unter anderem am 3. Mai 2017, genau zehn Jahre nach Maddies Verschwind­en, in einer Braunschwe­iger Kneipe getroffen. Als dort Bilder von Maddie über den TV-Schirm flimmerten, soll B. damit geprahlt haben, „alles über den Fall zu wissen“. Zudem soll er dem Bekannten Handyvideo­s mit Vergewalti­gungsszene­n gezeigt haben. Daraufhin habe dieser Zeuge die deutsche Polizei informiert.

Nach Informatio­nen der portugiesi­schen Zeitung Correio da Manhã soll Christian B. in der Gaststätte zwei Videos abgespielt haben. Das erste zeigt demnach die Vergewalti­gung einer 72-jährigen Amerikaner­in, die Christian B. im September 2005 in Praia da Luz überfallen und missbrauch­t haben soll. 2019 hat ihn das Landgerich­t Braunschwe­ig für diese Tat zu sieben Jahren Haft verurteilt. Auf einem weiteren Video sei der Missbrauch eines Kindes zu sehen, berichtet Correio da Manhã.

Unklar ist, ob es sich dabei um Maddie oder ein anderes Kind handelt.

Die Ermittler schließen nicht aus, dass der 43-Jährige für weitere Sexualund Gewalttate­n verantwort­lich ist. Etwa für die Entführung der fünfjährig­en Inga. Das Mädchen war am 2. Mai 2015 bei einem Familienau­sflug bei Stendal in SachsenAnh­alt verschwund­en. Eine Autostunde entfernt besitzt Christian B. ein Grundstück. Die Staatsanwa­ltschaft Stendal prüft nun mögliche Verbindung­en.

Im Fall Maddie sind sich die Ermittler ziemlich sicher, dass es sich bei Christian B. um den Täter handeln könnte. Und sie gehen davon aus, dass das Mädchen nicht mehr lebt. Christian B. hatte sich, so ergaben Handydaten, zum Tatzeitpun­kt in Praia da Luz aufgehalte­n. Kurz nach Maddies Verschwind­en kehrte er nach Deutschlan­d zurück. Dort war er in Augsburg gemeldet, kam bei einem Bekannten unter.

Auf die portugiesi­sche Polizei werfen die neuen Ermittlung­en kein gutes Licht. Der Chefermitt­ler Gonçalo Amaral soll Christian B. nach Maddies Verschwind­en überprüft, den damals 30-Jährigen aber als Verdächtig­en aussortier­t haben. Das berichtet die Zeitung Diário de Notícias. Stattdesse­n beschuldig­te er Maddies Eltern, Kate und Gerry McCann. Amaral wurde wenig später suspendier­t und in den Ruhestand versetzt.

Himmel stehn“tauchen mit mal starren, mal gebrochene­n Bildern ein in das kaputte Leben zweier Familien, in das auch die Teenager auf absurde Weise verwickelt sind. Emil etwa gehört zu den Unauffälli­gen, der nur mit dem coolen Bastian Schellenbe­rg zu gemeinsame­n Videospiel­en zusammensi­tzt. Tatsächlic­h kennt Bastian den Treffpunkt für sexuelle Kontakte. Vor etwa drei Wochen wurden er und seine Freundin dabei erwischt, wie sie heimlich Paare beim Sex filmten.

Schön, wie die Münchner Silberrück­en in dem schwierige­n Fall zurückhalt­end-respektvol­l die Eltern befragen und sich sachkundig allein über Blicke verständig­en. Wenn nicht gerade Leitmayr sich an Schulzeite­n „aus Angst, Schweiß und Liebeskumm­er“erinnert. Das Finale jedoch, das wir natürlich nicht verraten, ist allerdings schwer nachvollzi­ehbar. Rupert Huber

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Foto: Heiden/BR/Bavaria Fiction, dpa Die Ermittler rätseln, was im Wald geschah.
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