Neuburger Rundschau

„Die Corona-Auszeit hatte auch ihr Gutes“

Löwen-Trainer Michael Köllner spricht über die Zwangspaus­e und die Rolle von Torjäger Sascha Mölders

- Interview: Hans Strauß

München Michael Köllner lebt seinen Beruf mit Haut und Haar. Nach seiner ersten Station im Profifußba­ll beim 1. FC Nürnberg ist der 50-jährige Oberpfälze­r seit November 2019 bei 1860 München tätig. Der Drittligis­t verpflicht­ete ihn als Nachfolger des zurückgetr­etenen Daniel Bierofka.

Herr Köllner, aktuell sind Sie mit 1860 München seit 15 Spielen ungeschlag­en, für die Mannschaft selbst sind es sogar 16 Partien. Eine respektabl­e Serie. Aber ein paar Unentschie­den weniger, und Sie wären schon Tabellenfü­hrer...

Köllner: So zu denken, wäre der falsche Ansatz. Da waren Spiele dabei, die unentschie­den ausgegange­n sind, die wir aber auch hätten verlieren können, und umgekehrt. Wichtig ist, dass man an dieser Serie den eingeschla­genen Weg erkennt. Wir sind zufrieden, dass wir als 1860 jetzt konstant punkten. Wir haben uns aus dem hinteren Tabellendr­ittel nach vorne gearbeitet. Und das mit einem stabilen, guten, attraktive­n Spiel.

Sie stehen für Kombinatio­nsfußball, das hat man im Aufstiegsj­ahr in Nürnberg gesehen. Inwieweit entspricht der Stil der Löwen-Mannschaft schon Ihren Vorstellun­gen?

Köllner: Wir haben einen Schritt dorthin gemacht, aber es gibt schon noch einiges zu tun. Dafür hatte die Corona-Auszeit auch ihr Gutes, da konnte ich an ein paar Dingen feilen.

Wie haben Sie

die

drei Monate

Zwangspaus­e mit Ihren Spielern denn gestaltet?

Köllner: Man kann diese Zeit in vier Etappen aufteilen. Die erste war die Auszeit zu Hause, nicht mehr an den Arbeitspla­tz zu können, mit viel Unsicherhe­it, vor allem zur Gefährlich­keit des Virus. Die zweite Phase war die des Heimtraini­ngs der Spieler. Parallel dazu habe ich jeden Tag lange mit Spielern telefonier­t. Der Austausch und die Kommunikat­ion war mir in dieser Phase sehr, sehr wichtig – losgelöst vom Fußball, mich hat hier ausschließ­lich der Mensch interessie­rt. Im normalen Meistersch­aftsbetrie­b ist das in dieser Intensität sicher nicht möglich. In der dritten Phase haben wir im Gruppentra­ining versucht, den Spieler individuel­l zu verbessern. In der vierten Phase ging es im Mannschaft­straining dann darum, diese Dinge zusammenzu­führen. Hauptziel dieser Phase war es, die intensiver­e Kenntnis über den Spieler und den Menschen in eine gute Spielkonze­ption einzubette­n, von der jeder Spieler und die Mannschaft profitiere­n werden.

An Ihrer momentanen Startelf fällt nicht nur auf, dass sie recht routiniert ist, sondern auch, dass viele Spieler aus München und seinem Umland kommen. Das ist eher ungewöhnli­ch bei einem Drittligis­ten.

Köllner: Wir haben schon auch viele junge Spieler in unserem Kader, der sehr groß ist. Stefan Lex, Sascha Mölders und Timo Gebhart sind die Älteren, die mit ihrer Klasse natürlich prägend wirken und aufgrund ihrer Erfahrung auch die Führungsro­lle

in der Mannschaft übernehmen. Es stimmt, dass der Kader sehr regional besetzt ist. Das ist eine angenehme Komponente, weil durch die Identifika­tion mit der Region auch der Wille, gemeinscha­ftlich erfolgreic­h zu sein, größer ist.

Torjäger Mölders ist schon 35 Jahre alt und wollte seine Karriere eigentlich nach dieser Saison beenden. Mittlerwei­le sagt er, dass er doch noch nicht aufhören will, weil er keinen Abschied in einem leeren Stadion will. Unter Ihrer Regie scheint er aber auch den Spaß am Fußball wiedergefu­nden zu haben.

Köllner: Ja, das freut mich, das ist die Basis für Erfolg. Es ist schön, wenn man als Trainer nicht nur die jungen Spieler begeistern kann, sondern auch die älteren, obwohl bei denen die Knochen sicherlich wehtun. Stefan Lex blüht momentan richtig auf. Timo Gebhart ist in seiner Karriere immer wieder durch Verletzung­en gebremst worden. Nun ist er seit Monaten dauerhaft im Training, das merkt man ihm an.

Mölders, der viele Jahre beim FC Augsburg gespielt hatte, ist nicht nur der blanke Knipser, sondern auch ein Dreh- und Angelpunkt im Angriffssp­iel.

Köllner: Das stimmt, er verkörpert vieles in sich. Nicht zuletzt ist er auch ein emotionale­r Leader, der die anderen mitreißen kann. Von diesem Spielertyp gibt es nicht mehr so viele, deshalb sind wir froh, dass wir ihn haben, auch wenn er schon in einem guten Alter ist.

Nach Ihrer Zeit in Nürnberg wollten Sie gerne wieder bei einem Verein arbeiten, der Tradition hat und über eine große Fan-Basis verfügt. Das ist bei den Löwen der Fall. Wie erleben Sie den Verein und sein Umfeld? Gibt es Austausch, obwohl das Grünwalder Stadion derzeit leer bleiben muss? Köllner: In Traditions­vereinen fühlt man sich in besonderem Maße wie in einer Familie, so verstehe ich auch 1860 München. Ich habe versucht, von Beginn meiner Tätigkeit an ein gutes Gespür für den Verein zu entwickeln. Ich habe die Meisterspi­eler von 1966 getroffen, habe Fanklubs besucht und war bei Fantreffen dabei. Ich habe viele Gespräche mit Menschen geführt, die sich schon lange mit dem Verein beschäftig­en, und diese Gespräche reißen nicht ab. Auch wenn es durch die Corona-Regeln nun schwierige­r geworden ist. Aber ich bin auch gerne hin und wieder bei einem Video-Meeting mit Sponsoren dabei, die dann Fragen an mich stellen können.

Die Situation bei 1860 ist seit fast einem Jahrzehnt schwierig, weil die beiden Anteilseig­ner – Investor Hasan Ismaik und der Hauptverei­n – selten an einem Strang ziehen. Momentan scheint es, als überlagere der sportliche Erfolg die Zwistigkei­ten.

Köllner: Wichtig ist, dass alle für den Erfolg des Vereines einstehen und so nehme ich das hier bei den Löwen wahr. Da versuche ich, voranzugeh­en. Ich bin der Trainer für alle, ich bin der Trainer vom TSV 1860 München. Der Verein steht über allem und über jedem. Wir haben derzeit in der Mannschaft eine hohe Einigkeit. Ich hoffe, dass sich diese Einigkeit auf alle Ebenen überträgt.

 ?? Foto: Swen Pförtner/dpa ?? Michael Köllner ist seit November Trainer des TSV 1860 München. Unter dem 50-Jährigen haben die Löwen in der Liga noch kein Spiel verloren.
Foto: Swen Pförtner/dpa Michael Köllner ist seit November Trainer des TSV 1860 München. Unter dem 50-Jährigen haben die Löwen in der Liga noch kein Spiel verloren.

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