Neuburger Rundschau

Zehntausen­de demonstrie­ren gegen Rassismus

Auch in Bayern gehen Menschen auf die Straße – nicht immer mit ausreichen­d Abstand

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Es ist eine schaurige Sammlung, die in den vergangene­n Tagen auf Twitter zusammenge­tragen wurde: Farbige Deutsche berichten unter dem Hashtag #schwarzesD­eutschland von den Dingen, die ihnen tagtäglich in ihrem Heimatland widerfahre­n. Da geht es um Pöbeleien auf offener Straße, um Türsteher, die keine Schwarzen in den Club lassen, oder um Wohnungssu­chen, die meist nach dem ersten Treffen beendet sind – weil der Besitzer nur an weiße Menschen vermieten will.

Die Einträge auf Twitter sind nach dem gewaltsame­n Tod des Afroamerik­aners George Floyd entstanden, der vor zwei Wochen im US-amerikanis­chen Minneapoli­s Opfer von Polizeigew­alt wurde. Sie sollen zeigen, dass Rassismus nicht nur ein amerikanis­ches Problem ist, sondern überall vorkommt, auch in Deutschlan­d.

Die Protestwel­le, die seit Floyds Tod über die USA hinwegroll­t, ist nun auch hierzuland­e angekommen – sowohl im Internet und auf der Straße. Mehrere Fußballsta­rs setzten bei Bundesliga-Partien ein Zeichen, auch Prominente wie ExTennis-Star Boris Becker zeigten sich solidarisc­h mit den Protesten. Und während in den Vereinigte­n Staaten wieder unzählige Menschen demonstrie­rten, protestier­ten am Samstag in Deutschlan­d ebenfalls zehntausen­de Menschen gegen Rassismus. Allein in Augsburg kamen 3000 Demonstran­ten zusammen, in München waren es 25 000, in Berlin etwa 15 000. In Augsburg trugen die Teilnehmer wie an vielen anderen Orten Schwarz zum stillen Protest, gemeinsam gedachten sie 8:46 Minuten lang schweigend dem getöteten Floyd – so lange hatte ein Polizist dem Afroamerik­aner die Luft abgedrückt. Viele der Protestier­enden knieten nieder oder reckten die Faust in die Luft. Von der Polizei gab es Lob für die Augsburger Demonstran­ten.

„Es war absolut friedlich“, sagte ein Polizeispr­echer.

Vielerorts kamen allerdings deutlich mehr Teilnehmer als erwartet. In München waren nur 200 Personen angemeldet, das Versammlun­gsgelände musste erweitert werden. Auch in Augsburg musste die Demonstrat­ion kurzfristi­g an einen größeren Ort verlegt werden. In Berlin kam es nach den Demonstrat­ionen laut Polizei zu einzelnen Auseinande­rsetzungen zwischen Protestier­enden und Polizisten. 93 Menschen wurden festgenomm­en, 28 Polizeibea­mte leicht verletzt.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn äußerte angesichts der oft großen Menschenma­ssen an manchen Orten Sorge über die Demonstrat­ionen. „Der Kampf gegen Rassismus braucht unser gemeinsame­s Engagement“, schrieb der CDUPolitik­er auf Twitter. „Doch dicht gedrängte Menschenme­ngen mitten in der Pandemie besorgen mich.“Auch bei wichtigen Anliegen gelte: „Abstand halten, Alltagsmas­ke tragen, aufeinande­r achtgeben“.

Der Bundesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, forderte mehr Vorsicht und Respekt bei Demonstrat­ionen wie am Samstag. Die Bereitscha­ft, sich an Abstandsre­geln zu halten, sei „so gut wie nicht erkennbar“gewesen, sagte Wendt in einem Interview. „Die meisten Teilnehmen­den hielten sich nicht an Abstandsre­geln.“

»Kommentar Tagelang ging es vor allem um die USA. Die Demonstrat­ionen zeigen jedoch: Auch in Deutschlan­d gibt es strukturel­len Rassismus. »Politik

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