Neuburger Rundschau

Das Geld muss unter die Leute

Deutschlan­d und die Europäisch­e Union setzen Billionen Euro gegen das Coronaviru­s ein. Jetzt sind die Bürger gefragt

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Die Zahlen sind gigantisch und es lohnt sich, sie zur Verdeutlic­hung mit allen Nullen aufzuschre­iben. Die Regierung hat gerade 130 Milliarden Euro (130 000 000 000) für ein Konjunktur­paket mobilisier­t, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern. Schon vorher sind Hilfspaket­e geschnürt worden, die sich auf ein Volumen von etwa 1,25 Billionen Euro (1 250 000 000 000) belaufen. Die Europäisch­e Union hat zum ersten Hilfspaket von 750 Milliarden Euro ein weiteres in Höhe von 600 Milliarden Euro gestellt. Die vielen Nullen sollen Leben und Existenzgr­undlagen schützen, Schäden am Binnenmark­t beheben und für einen nachhaltig­en Aufschwung und Wohlstand sorgen. Ob das gelingt, steht noch in den Sternen.

Geld ist genug da. Deutschlan­d ging es in den letzten Jahren wirtschaft­lich gut. Die Staatsvers­chuldung sank in Relation zum Bruttoinla­ndsprodukt auf unter 60 Prozent. Sie steigt jetzt wieder, könnte am Jahresende bei 85 Prozent liegen, ist aber noch weit von den 180 Prozent entfernt, die beispielsw­eise bei Griechenla­nd in den Büchern stehen. Deutschlan­d ist deshalb kreditwürd­ig und kann sich an den Märkten problemlos Geld besorgen.

Für den Euroraum insgesamt gilt, dass jeden Tag frische Banknoten nachgedruc­kt werden. EZBChefin Christine Lagarde erhöhte das Volumen für den Ankauf von Staatsschu­lden von 750 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro. Die Französin lockert parallel die Haushaltsd­isziplin. Das Geld sollen nämlich auch die Länder bekommen, die bisher wegen ihres schlechten Ratings von Anleihekäu­fen ausgeschlo­ssen waren. Das wiederum bestärkt die Kritiker, die in der EZBPolitik eine verbotene Staatsfina­nzierung sehen. Doch Lagarde hat wie auch die Regierung und die EUKommissi­on keine andere Wahl. Sie müssen es hinbekomme­n, „mit begrenzten Mitteln eine potenziell unbegrenzt­e Zahl von Wünschen und Forderunge­n zu befriedige­n, und das stets unter Berücksich­tigung von Unsicherhe­it“, wie es Deutsche-Bank-Chefökonom Stefan Schneider treffend formuliert­e.

Diese Unsicherhe­it gilt es auszuhalte­n. Niemand weiß, wohin die Schuldenpo­litik von Berlin und Brüssel führt. Nicht auszuschli­eßen ist, dass es zu einer Deflation kommt, einem spürbaren und dauerhafte­n Rückgang des Preisnivea­us, der zu einer weiteren Abwärtsspi­rale führen würde. Die Staaten haben es zudem vermieden, ihre Geldflüsse mit einem Stoppschil­d zu versehen. Doch was ist, wenn notleidend­e Länder wie Italien tatsächlic­h mehr Milliarden brauchen? Darüber mag heute noch niemand nachdenken.

Damit die Rechnung aufgeht und die nachfolgen­den Generation­en nicht vor einem gigantisch­en Schuldenbe­rg stehen, müssen Restaurant­s, Kaufhäuser, Messebetre­iber, muss die Wirtschaft insgesamt schnell wieder in die Gänge kommen. Ideen und Modelle sind genug auf dem Markt, sie müssen jetzt genutzt werden.

Die natürliche Reaktion im Angesicht einer Gefahr wie der Corona-Pandemie ist, abzutauche­n und das Ende abzuwarten. Es erfordert Mut, das Gegenteil und damit das Richtige zu tun: Sinnvoll und nachhaltig zu konsumiere­n, was der Geldbeutel hergibt. Nach dem ersten Corona-Schock setzt sich in Deutschlan­d der dafür nötige Optimismus hoffentlic­h durch. Laut aktuellem Trendbarom­eter des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa sind die Wirtschaft­serwartung­en der Deutschen weniger pessimisti­sch als zu Beginn der CoronaKris­e. Mehr Geld ausgeben wollen sie einer Civey-Umfrage zufolge aber trotzdem nicht. Das wäre jedoch ein Fehler.

Politik und Währungshü­ter haben geliefert. Jetzt sind die Konsumente­n an der Reihe.

Die Wirtschaft muss wieder in die Gänge kommen

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