Das Geld muss unter die Leute
Deutschland und die Europäische Union setzen Billionen Euro gegen das Coronavirus ein. Jetzt sind die Bürger gefragt
Die Zahlen sind gigantisch und es lohnt sich, sie zur Verdeutlichung mit allen Nullen aufzuschreiben. Die Regierung hat gerade 130 Milliarden Euro (130 000 000 000) für ein Konjunkturpaket mobilisiert, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern. Schon vorher sind Hilfspakete geschnürt worden, die sich auf ein Volumen von etwa 1,25 Billionen Euro (1 250 000 000 000) belaufen. Die Europäische Union hat zum ersten Hilfspaket von 750 Milliarden Euro ein weiteres in Höhe von 600 Milliarden Euro gestellt. Die vielen Nullen sollen Leben und Existenzgrundlagen schützen, Schäden am Binnenmarkt beheben und für einen nachhaltigen Aufschwung und Wohlstand sorgen. Ob das gelingt, steht noch in den Sternen.
Geld ist genug da. Deutschland ging es in den letzten Jahren wirtschaftlich gut. Die Staatsverschuldung sank in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf unter 60 Prozent. Sie steigt jetzt wieder, könnte am Jahresende bei 85 Prozent liegen, ist aber noch weit von den 180 Prozent entfernt, die beispielsweise bei Griechenland in den Büchern stehen. Deutschland ist deshalb kreditwürdig und kann sich an den Märkten problemlos Geld besorgen.
Für den Euroraum insgesamt gilt, dass jeden Tag frische Banknoten nachgedruckt werden. EZBChefin Christine Lagarde erhöhte das Volumen für den Ankauf von Staatsschulden von 750 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro. Die Französin lockert parallel die Haushaltsdisziplin. Das Geld sollen nämlich auch die Länder bekommen, die bisher wegen ihres schlechten Ratings von Anleihekäufen ausgeschlossen waren. Das wiederum bestärkt die Kritiker, die in der EZBPolitik eine verbotene Staatsfinanzierung sehen. Doch Lagarde hat wie auch die Regierung und die EUKommission keine andere Wahl. Sie müssen es hinbekommen, „mit begrenzten Mitteln eine potenziell unbegrenzte Zahl von Wünschen und Forderungen zu befriedigen, und das stets unter Berücksichtigung von Unsicherheit“, wie es Deutsche-Bank-Chefökonom Stefan Schneider treffend formulierte.
Diese Unsicherheit gilt es auszuhalten. Niemand weiß, wohin die Schuldenpolitik von Berlin und Brüssel führt. Nicht auszuschließen ist, dass es zu einer Deflation kommt, einem spürbaren und dauerhaften Rückgang des Preisniveaus, der zu einer weiteren Abwärtsspirale führen würde. Die Staaten haben es zudem vermieden, ihre Geldflüsse mit einem Stoppschild zu versehen. Doch was ist, wenn notleidende Länder wie Italien tatsächlich mehr Milliarden brauchen? Darüber mag heute noch niemand nachdenken.
Damit die Rechnung aufgeht und die nachfolgenden Generationen nicht vor einem gigantischen Schuldenberg stehen, müssen Restaurants, Kaufhäuser, Messebetreiber, muss die Wirtschaft insgesamt schnell wieder in die Gänge kommen. Ideen und Modelle sind genug auf dem Markt, sie müssen jetzt genutzt werden.
Die natürliche Reaktion im Angesicht einer Gefahr wie der Corona-Pandemie ist, abzutauchen und das Ende abzuwarten. Es erfordert Mut, das Gegenteil und damit das Richtige zu tun: Sinnvoll und nachhaltig zu konsumieren, was der Geldbeutel hergibt. Nach dem ersten Corona-Schock setzt sich in Deutschland der dafür nötige Optimismus hoffentlich durch. Laut aktuellem Trendbarometer des Meinungsforschungsinstituts Forsa sind die Wirtschaftserwartungen der Deutschen weniger pessimistisch als zu Beginn der CoronaKrise. Mehr Geld ausgeben wollen sie einer Civey-Umfrage zufolge aber trotzdem nicht. Das wäre jedoch ein Fehler.
Politik und Währungshüter haben geliefert. Jetzt sind die Konsumenten an der Reihe.
Die Wirtschaft muss wieder in die Gänge kommen