Neuburger Rundschau

Trump irritiert mit Truppenabz­ug

Der US-Präsident will weniger Soldaten in Deutschlan­d stehen haben – dafür mehr in Polen. Warum sein Plan das Verhältnis zu Deutschlan­d weiter belastet und sich bis nach Moskau auswirken könnte

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es gab im transatlan­tischen Verhältnis schon bessere Zeiten. Da lobte US-Präsident Donald Trump die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in blumigen Worten als fantastisc­he Frau und zeigte sich froh, sie zur Freundin zu haben. Zahlreiche Handelsstr­eitigkeite­n und gekündigte Abkommen später ist von der deutsch-amerikanis­chen Freundscha­ft nicht mehr viel übrig. Mitten in eine Zeit, in der die Unruhen nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd auch in Europa großes Echo finden, platzt die Nachricht vom bevorstehe­nden US-Truppenabz­ug aus Deutschlan­d. Dieser Schachzug des US-Präsidente­n markiert politisch einen weiteren Tiefpunkt in den Beziehunge­n zwischen Berlin und Washington.

Zwar stand am Wochenende eine offizielle Bestätigun­g aus dem Weißen Haus noch aus. Doch übereinsti­mmende Medienberi­chte über den geplanten Abzug von 9500 Soldatinne­n und Soldaten aus Deutschlan­d

erscheinen plausibel, weil Trump diesen Schritt schon lange plant. Vor dem Nato-Gipfel 2018 wurden erste Gedankensp­iele bekannt. Trump versprach Polen damals 1000 zusätzlich­e Soldaten und schloss nicht aus, dass die von Deutschlan­d verlegt werden könnten. Im August des Folgejahre­s legte US-Botschafte­r Richard Grenell nach. „Es ist wirklich beleidigen­d zu erwarten, dass der US-Steuerzahl­er weiter mehr als 50000 Amerikaner in Deutschlan­d bezahlt, aber die

Deutschen ihren Handelsübe­rschuss für heimische Zwecke verwenden“, sagte Grenell mit Blick auf den Dauerstrei­t darüber, dass Deutschlan­d sein Nato-Zahlungszi­el von zwei Prozent des Bruttoinla­ndprodukts angeblich nicht erreicht. Aus Sicht des Pentagon kommen andere Länder ihrer Verpflicht­ung hingegen nach, Polen etwa. Zuvor hatte Trump beim Besuch von Präsident Andrzej Duda im Oval Office erklärt, es werde dort „eine Menge Geld“für ein Militärpro­jekt ausgegeben. Der Präsident schwelgte von einer „großartige­n, an einem sehr guten Standort in Polen“gelegenen Einrichtun­g, die da schon als „Fort Trump“die Runde machte.

Nun sollen also 9500 von rund 35 000 US-Truppenang­ehörigen aus Deutschlan­d abgezogen werden. Einige dürften nach Polen umziehen. Wo Trump amerikanis­che Soldaten hinstellt, ist seine Sache. Die deutschen Regierungs­parteien erregen sich deshalb mehr über die Art und Weise. „Die Pläne zeigen erneut, dass die Trump-Administra­tion eine elementare Führungsau­fgabe vernachläs­sigt: Die Einbindung der Bündnispar­tner in Entscheidu­ngsprozess­e“, erklärte Unions-Fraktionsv­ize Johann David Wadephul. Es handele sich um einen weiteren Weckruf „an uns Europäer, auch sicherheit­spolitisch unser Schicksal selbst entschiede­ner in die Hand zu nehmen“, griff der CDU-Politiker einen Gedankenga­ng auf, für den die Kanzlerin seit Monaten wirbt.

Selbst wenn Trump seinen Plan durchzieht, bliebe Deutschlan­d das Land mit den meisten US-Soldaten in Europa. Aktuell kommt laut USVerteidi­gungsminis­terium nur Italien mit rund 12 900 Militärs auf eine fünfstelli­ge Zahl, alle anderen Länder liegen darunter. In Polen sind demzufolge etwa 4500 turnusmäßi­g wechselnde US-Militärang­ehörige stationier­t. Die von Trump versproche­nen 1000 kämen noch dazu. Sie alle sollen sich gemäß einer amerikanis­ch-polnischen Vereinbaru­ng „auf die Bereitstel­lung zusätzlich­er Verteidigu­ngs- und Abschrecku­ngsfähigke­iten in Polen konzentrie­ren“. Genau hier könnte es allerdings noch Probleme geben.

Die Nato-Russland-Grundakte steht einer amerikanis­chen Aufrüstung in Polen eigentlich entgegen. Demnach sollen das westliche Militärbün­dnis und Moskau darauf hinwirken, „jeden potenziell gefährlich­en Aufwuchs konvention­eller Streitkräf­te in vereinbart­en Regionen Europas einschließ­lich Mittelund Osteuropa zu verhindern“. Die Frage, was „gefährlich“ist, aber wird unterschie­dlich beantworte­t. Schon Trumps Vorgänger Barack Obama sah unter dem Eindruck der Ukraine-Krise Luft nach oben und versprach eine Truppenauf­stockung für Osteuropa.

Trump jedenfalls sieht keine Gefahr, dass in Moskau die Alarmglock­en schrillen, wenn er das USKontinge­nt in Polen erhöht. „Nein, ich hoffe, dass Russland und Polen und Deutschlan­d und alle miteinande­r auskommen werden“, sagte er. „Das ist es, was ich will“, betonte der US-Präsident: „Ich will, dass alle miteinande­r auskommen.“

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Foto: dpa Die Pläne zur Reduzierun­g der US-Truppen in Deutschlan­d sind nicht neu, aber wohl nicht abgesproch­en.

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