Neuburger Rundschau

Mehr Aufwand für weniger Steuer

Um die Kauflaune der Deutschen anzuheizen, soll für sechs Monate die Mehrwertst­euer sinken. Doch was so einfach klingt, hat für den Einzelhand­el durchaus seine Tücken. Was auf die Verbrauche­r zukommt

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Berlin/Köln Die geplante temporäre Absenkung der Mehrwertst­euer stellt den Einzelhand­el vor große Herausford­erungen. „Wir haben es mit einem vergleichs­weise hohen Aufwand zu tun“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­d, Stefan Genth. Die Umstellung würde einen hohen zweistelli­gen Millionenb­etrag kosten. Kassensyst­eme müssten angepasst, Preisschil­der ersetzt und Werbung neu gestaltet werden.

Rechtlich sei jedoch auch ein „Rechnungsr­abatt“möglich: Dabei würden die Preise der einzelnen Artikel – in einem durchschni­ttlichen Supermarkt sind das rund 15 000, in großflächi­gen sogar 40 000 – wie bisher am Regal ausgeschil­dert und die Vergünstig­ung erst an der Kasse berechnet. „Man kann den Gesamtprei­s an der Kasse entspreche­nd reduzieren. Das ist juristisch und verbrauche­rrechtlich möglich“, sagte Genth. Allerdings müsse sich zeigen, ob es bei den Kunden dafür Akzeptanz geben oder ob eine mangelnde Preistrans­parenz bemängelt werde.

Um die durch die Corona-Pandemie schwer angeschlag­ene Konjunktur wieder anzukurbel­n, hatte die Bundesregi­erung beschlosse­n, den Mehrwertst­euersatz von 19 auf 16 Prozent zu senken. Der reduzierte Mehrwertst­euersatz von sieben Prozent, der etwa für lebensnotw­endige Güter gilt, soll auf fünf Prozent fallen. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Allerdings ist diese Regelung ab Juli auf sechs Monate befristet. Für die Händler bedeutet das allerdings, dass in sechs Monaten erneut alle Preise neu berechnet und ausgezeich­net werden müssten. Hinzu kommt Genth zufolge, dass eine Wiedererhö­hung der Preise schwerer an die Kunden vermittelb­ar sei. „Es wäre fatal, wenn am 1. Januar drei Prozent aufgeschla­gen werden müssen und der Handel auf einem Teil der Kosten sitzen bleibt.“

Die Steuerbera­terin und Umsatzsteu­erexpertin der Beratung Baker Tilly, Marion Fetzer, sagt: „Das kommt sehr kurzfristi­g, es sind nur noch gut drei Wochen, um sich umzustelle­n.“Daher sei die Umstellung sowohl für große Unternehme­n als auch für kleinere Händler eine Herausford­erung.

Bei den Handelsket­ten war zunächst noch unklar, wie man sich auf die Umstellung in wenigen Wochen vorbereite­n wollte. „Wir haben jetzt eine Menge Arbeit damit. Aber wir werden uns dieser Aufgabe stellen – und werden das auch an die Kunden weitergebe­n“, sagte ein Sprecher der Supermarkt­kette Rewe. Auch Edeka und Ketten wie Aldi, Lidl oder Netto hatten bereits angekündig­t, die gesenkte Mehrwertst­euer in Form von Preissenku­ngen an die

Kunden weitergebe­n zu wollen. Auf welche Weise, müsse man noch klären. Auch für die Buchhaltun­g in größeren Unternehme­n und all jene Händler, die Kassensyst­eme im Einsatz haben, bringt die temporäre Senkung Umstellung­en mit sich.

Beim Softwareko­nzern SAP, dessen Dienste viele Unternehme­n dafür nutzen, bleibt man dennoch tiefenents­pannt. „Die Mehrwertst­euersätze zu ändern, ist ein einfacher, schlanker Prozess“, sagte ein Sprecher. Die Kunden müssten lediglich in dem betreffend­en Kästchen die Zahlen anpassen. „Große Konzerne, die weltweit in über 100 Ländern aktiv sind, machen das ständig – die Logik der Mehrwertst­euer ist zwar in jedem Land dieselbe, aber die Parameter ändern sich immer mal wieder.“Die Kunden seien es gewöhnt, es gebe auch keine verstärkte­n Nachfragen. Nutzten sie die CloudSoftw­are, veranlasse SAP die Änderung selbst, und auch das sei nur ein Handgriff.

Die Handelsket­ten wollen die Senkung weitergebe­n

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Foto: dpa Womöglich wird der Steuerraba­tt erst an der Kasse abgezogen.

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